richeint £äglidh mit Ausnahre ber Sonk= u. Teiertage
veis — ME 1.20 o9ne Zrägerlohn u, Poſt
ufſchlag Beitellungen bei den Boltanfialten u. bei der
— Erybpedition Zwingerfirahe 7. ‚
Bedatteur: Iol. Cremertus, Hauptjir. 121, Heidelberg. *
m
fir Stadt
it D, unterhaltungsblatt, a
Anzeige-Blatt für die Amtsbezirfe Heidelberg,
Cbherhach, Sinsheim, Cppingen, Weinheim, Schwebin»
gen, Wiesloch, Bruchfal/ Bretten, Mosbacdh, Buchen,
Tauberbiidhofsheim, Walldürn 20 *
Druc _ u, Berlag Gebr, Yulker, Geidelb., Zwingerftr.
Br 237
| 29. Jubrg.
s Das Geſpenſt der Cenſur.
Die Krankheit des ruſſiſchen Kaiſers und die bel-
iſchen Wahlen ſtehen augenblicklich im Vordergrund
es allgemeinen Intereſſes, jeder einigermaßen politiſch
Ugelegie Zeitungaleſer wartet mit der größten Neu-
ierde auf die täglich über dieſe beiden Ereigniſſe in
Zeitungen erſcheinenden Nachrichten. Wenn man
ber die Wichtigkert beider weltgeſchichtlichen Vorgänge
egeneinander abwägen wollte, {o müßte man das
erſtere doch wohl als das wichtigſte, wenn auch
ur Zeit nicht ſo intereſſante, Ereigniß hezeichnen;
nn was ein Ereigniß wichtig macht, ſind in erfter
inie die Folgen deſſelben und in zweiter Linie
mmen erſt deſſen nähere Einzelheiten in Betracht.
Selgien iſt ein kleines Land, aber doch geſchieht
Zert ſeit etwa 10 Jahren das in den Augen vieler
nAufgellärten“ Unerhörte, daß e& nämlich von einem
irkiich katholiſchen Miniſterium regiert wird
der König richtet ſich dort ſteis nach dem Willen der
iniſter), während bei uns in Deutſchland die Prote-
anten in ihrer angeborenen oder richtiger anerzogenen
Veſcheidenheit uns Katholiken für zu „dDumm“ u. zu
„Defangen“ erklären, um an der Regierung des ů
Staates hervorragend theilnehmen zu können. Doch
regen wir uns heute, oder überhaupt nicht darüber
„ Quf, denn die Katholiken haben ſich ſchau größere
chmähun gen gefallen laſſen müſſen; trotzdem ſind ſie
heutguie entſchloſſen, nicht mehr den Prügeljungen
Froteſtautiſcher Ausgelaſſenheit öder Ueberhebung zu
telen. Darüber ein andermal. Für heute inter-
ſirt e& uns mehr, einmal darüber zu ſchreiben, wie
kommt, daß die ganze Welt im Grunde genommen
ar nicht recht weiß, was dem ruſſiſchen Gewalt-
errſcher eigentlich fehlt. Nur ſo viel ſteht außer
weifel, daß es nicht gut mit ihm ſteht und. daß er
irflich krant iſt. Als ſeiner Zeit unfer leider ſo
üh dahingeſchiedener Kaiſer Friedrich anfing, krauk
verden, wurde die ganze Welt ſofort durch. die
mtlichen Mittheilungen genau unterrichtet, und je
änker er wurde, defto genauer und öfter wurden die
rztlichen Nachrichten über ſeinen Zuſtand ins Land
nausgeſchickt. Beim ruſſiſchen Kaiſer geſchieht ſol-
Les nicht u. wenn die ruſſ. Zeitungsſchreiber aus anderen
Auellen etwas erfahren, dürfen ſie es ihren wiſſenz-
Irſtigen Leſern noch nicht einmal mittheilen, denn in
ußlaͤnd herrſcht die Cenſur! Ein unheimliches
ing, bei deſſen Nennung auch noch manchem guten
teren Deutſchen die Gänſehaut überläuft ; denn dieſes
kende Geſpenſt beſtaud bis zum Jahre 1849 auch in
Deutſchland. Es iſt mit ſo manchem alten Krempel
in die Rumpelkammer geflogen, aus welcher es aber
heutzutage gewiſſe Leute in der Gluthhitze ihres über-
geſchnappten Patriotismus wieder herausholen möchten.
Da nun die Cenſur daran ſchuld iſt, daß wir über
das wichtige Ereigniß des kaiſerlich-ruſſiſchen Befin-
dens ſo wenig erfahren, und weil gewiſſe Rückerin-
nerungen an die „gute alte Zeit“ gar nicht ſchaden
können, halten wir e& für angebracht, dieſes geſpen-
ſtiſche Individuum einmal in ſeine einzelnen Theile
zu zerlegen, damit auch das jüngere Geſchlecht er-
fährt, wie ſchön es auf einem der wichtigflen Gebiete
des öffentlichen Lebens früher hier in Deutſchland
geweſen iſt. Daß es in dieſer Beziehung damals in
Deutſchland beſſer war, wie jetzt in Rußland, braucht
man gar nicht anzunehmen. ;
Die geſamte Cenſur unterſteht der Ober-
Preßverwaͤltung, einer beſonderen Abtheilung des
Miniſteriums des Innern. Der Oberpreßverwaltung
unterſtehen die Cenſurkomites in St. Petersburg,
Caſan, Warſchau, Odeſſa, Tiflis. Dieſe
Comitees entſenden wiederum beſondere Cenſurbeamte
in großere Städte wie Kiew, Charkow, Wilna, Dor-
pat, Riga, Mitau uſw. Jedes Cenſurkomitee zerfällt
in eine inländiſche und in eine ausländiſche Aotheil-
ung. Die Erzeugniſſe der Tagespreſſe ſowohl wie
Nur in den beiden Reichshauptſtädten St. Peters-
burg und Moskau erſcheinen die größern Tagesblätter
ohne die ſogenannte Präventiveenſur: D. D. ſie ſind
nicht verpflichtet, den Inhalt der Zeitung der Cenſur-
breiten. Doch hat immerhin jedes der hauptftädtiſchen
Blaͤtter ſeinen Cenſor, dem es das erſie Exemplar der
Zeitung, bevor die betreffende Nummer zur Poſtaus-
gabe gelangt, zur Begutachtung vorlegen muß. Der
Tenſor hat das Rechi, der Poſt die Verſendung der
Nummer zu verbieten und üherhaupt deren Erſcheinen
zu verhindern, falls er irgend einen anſtößigen Artikel
in der Zeitung findet.
Sehr viel ſchlimmer daran ſind die der Präven-
tiveenſux unterworſenen Provinzblätter, mithin der
Blätter an einem Orte, an welchem ſich ein Cenſur-
komitee oder wenigſtens ein Cenſor befindet, ſo geht
e& noch an Sie müſſen der Cenſurbehörde Ddie
aller Stille, aber mit unumſchränkter Macht wir-
Nachdruck verboten)
Das Wrack des Piraten.
* Erzählung von Friedr. Gerſtäcker.
Der Zweite, der ſeinen Stuhl an dem Tiſch aber nur
n belegt hielt und die meiſte Zeit neben Sennorg
itero und Manuela jaß, mit diejen zu plaudern, und
v dann und wann beſonders wenn Manuela, der
Utter zu heifen, zuweilen das Zimmer verließ, zu ſeinem
B am Tiſch zurüctehrte, war ein junger Mann von
Ni- bis jehsundswanzig SJahren, mit Leichtem, faſt hell-
Qunem Schnurrbart und kaſtanienbrgunem lockigen Haar
HNarblauen, aber doch lehendigen Augen. Seine vom
hiten Stojf gefertigte Kleidung, mit dem goldenen
veifen um die blaue Tuchmüße, verrieth den englifchen
Cepffizier. Ebward Willinjon war Lientenant auf Seiner
Tregatte Terpfichore, aber vor einiger Zeit bei
8
feindlihen Zufjammentreffen mit einem frauzoͤſifchen
Ecchiff ſo ſchwer verwundet worden, daß ihn jein !
übitän, als er ſpaͤter Valparaifo erreichte und der junge
Monn immer noch in Lebensgefahr an den Jolgen der
6 Unde ſchwebte, dört ließ, um jeine Heilung leichter und
na Defierer Bflege zu bewerkitelligen. _ Sein Schiff,
pC0 der pernanijhen Rüfte beitimmt, wollte ign dann
feiner Rückkehr nach Balparaifo wieder mitnehmen.
Bon der Schußwundẽ der Franzojen war er nun aller-
88 ſchon ſeit mehreren Wochen wiederhergeftellt, Ddafılr
T bon einem andern Geſchoß Defto gefährlicher und
( unbeilbar geiroffen: von der Liebe zu dem jungen
—— 2 er in Santiago in dem Haus ihrer Tante
nen gelernt.
©r Jelbit war eine Waije; aber in ſeinen Wermögens-
Hältniffen unabhängig, folgte er der See mehr aus Net-
G, alS um ſeinen Lebensertwerb dadurch zu finden.
ICI)=i)te Liebe zu dem holden Wefen, die ſich mit dem
1 Seeleben niht vertrug, that
Aefer eriten Neigung bedeutend Mobruch, und. er baute
allerhand Liebe hoffnungsreihe Bläne, O in dem.
en Chile mit feiner jungen ®attin niederzulafjfen‘
Abe
o
„Bürſtenabzüge! ſämmtlicher Artikel vorlegen, und
entjagen. Der Erfüllung all diefer heiß gehegten und
mit ſo. freudiger Sorgfalt gebllegten Wünfdhe {tand aber
nocdh ein aracs und wie es faſt ſchien unüberfteigliches,
Hinderniß entgegen. Er war proteſtaͤntiſch erzogen, und
Manuela Fatholijd. Die ſpaniſchen Geſeße verboten
dabei auf das ſtrenaſte ſolche gemijdte Chen; Hätte. er
aber auch die prielterlihe Weihe erhalten Fönnen, ſo mürde
Manuela’s Muiter, eine ſtenae und eifrige Katholikin,
nie ihre Sinwilligung dazu gegeben Haben, ja daͤs {Hhöne
fromme Möbdchen felbit, das dem iungen Manne wohl
recht innig zugethan war, ſuchte, als es all’ dieje Hinder-
nifje, und oh wie mit wehem Herzen, erkannte, die Nei-
gung, die Jhon mit ihreni innerften Leben verwachjen war,
wieder zu löfen. — Sie wutzte ſelbſt nicht, mwie lieb ſie
ihn Oatte, und glaubte nod an die Möglichteit einer
Zrennung, während ihr Herz doch Ihon immer, wenn auch
hHeimlich, aber dafür deſto ſtärker, nein, nein und immer
wieder nein dazu jagte. -
Die zwei anderen, mit an dem Tiſch ſitzenden Gäſte
gehörten ebenfalls der See an — e waren beide nicht
allein die Zühver Meiner chileniſcher oder vielmehr {pani-
Ser Küffenfahrzeuge, ſondern auch Stammgälte bei
Sennora Foftero, ſobald fie nur je einmal kurze Zeit von
den Sirapazen des unruhigen Seelebens in dem freund-
lichen Balparaijo ausruhen fonnten. Das Haus der
Sennora Foftero war in der That eine3 der beften Wein-
häuſer in VBalvaratfo, wenn nicht das beſte; nicht3defto-
weniger kamen auch viele der Gäſte, wie diele beiden alten
Kapitäne, laſt eben fo viel der freundlidHen Madchenge-
ſichter wegen Ddorthin, von denen fie ſich durften bedienen
lafien. Seeleute befonders, die ſo Iange und einfam auf
der veiten vden See Herumtreiben, und fortwährend Ge-
fahren und Beſchwerden ja nicht ſelten ſogar dem Tod in
Das kalte grimme Angeſichi ſchauen müffen, wiffen es am
befien zu |däßen, was {o ein paar liebe, Augen werth
_;in‚b‘„ Jelbit wenn ſie ung nidht zu eigen gehören, und wie
‚Treundlich die melodifjhen Klänge von füken‘ Lippen gegen
das dumpfje Braufen der See und das Häßlihe Bfeijen in
Fauwerk und Bloͤcken abſtechen Alte Seebären jelbit, die
erſt wenn dieſe mit dem Cenſurſtempel verſehen ſind,
darf die Fertigſtellung und die Ausgabe des Blaͤttes
beginnen. Es fommt mun häufig vor, daß der Cenſor
einen einige huͤndert Zeilen langen Artikel ſtreicht.
Für dieſen Faͤll müſſen die Blätter, um dennoch recht-
Litig und mit ausgefülltem Raume erſcheinen zu
können, immer einige bereits eenſirte Artikel in Bea
reitſchaft holten, diẽ dann an Stelle des geftrichenen
treten Da die Herren Cenſoren aber nalürlich nur
am Tage arbeiten wollen, ſo ſind alle jene Blätter
gezwungen, am Abend zu erſcheinen, was aus vielen
Urſachen ziemlich mißlich iſt. Uebrigens üben jene
ſelbſtſtändige Cenſoren in der Provinz eine weit mil-
dere Cenſur aus als die Cenſurkomites in den grb-
ßeren Städten, zumal wenn ſich die betreffende Zeit-
ung „gut“ mit ihrem Cenſor zu ſtellen verſteht.
tees noch Cenſoren befinden. Dieſe Blätter werden
dann irgend einer Ceuſurbehörde zugetheilt, der fie
den Inhalt der Zeitung durch die Poſt zur Begut-
ein Gouverueur ein ſolches Blatt aus irgend einem
Grunde maßregeln, ſo theilt
Blattes ziemlich gleichbedeutend iſt.
Zwar wird den Zeitungen rechtzeitig verbo
ten,
oder wirklich ausgeführten Mordanjchläge gegen den
ruſſ. Kaiſer nichts mitget heilt worden, wie auch über
deren Beſprechung gefährlich iſt und zum mindeſten
gelindeſte, was dem Frevler in einem ſolchen Falle
wortliche Redakteur vor die Cenſurbehoͤrde geladen
wird und dort einen Verweis erhält. Ein derartiger
Vexweiz belaſtet das Conto der Zeitung auf längere
Zeit. Nach mehreren Verweiſen ınter Umftänden
auch gleich beim erſten Frevel, erfolgt dann Entzieh-
ung des Einzelyerkaufs oder das Verbot, Anzeigen
aufzunehmen. Die Entziehung des Einzelverkaufs ift
eine Maßregel, welche ruſſiſche Blätter ſehr hart
trifft, namentlich in St. Peteroburg, da die Zeitungen
aus dem Einzelverkauf mehr Einnaͤhmen erzielen als
aus dem Abonnement. Dann beſtehen noch als
Strafen die zeitweilige Unterdrückung des Blattes u.
E
dann wohl und lauſchen /
entbehrten Lauten, die wie ferner Glodenklang in ihre
ſtarren dem Schönen fonſt nicht gerade ſo befoͤnders zu-
aänglichen Herzen klingen.
Die drei Letztgenaunten hatten zuerſt an dem kleinen,
pgar Flaſchen franzöjiihen Weines geſeſſen als der vorbe-
4 Fremde eintrat, die Anwefenden {lüchtig einen
ugenblic nuſterte und ſich dann, eine Ilajdhe Bordeaur
von einem der ihm nächften Mädchen fordernd, mit freund»
lidhem, fait vertraulihem Gruß bei den drei Mönnern.
niederließ. Von da an ſchien er auch die Unterhaltung,
des jungen Engländers Aufmerkjamtkeit viel zu fehr mit
einem andern, fr ibn weit interefſauteren Gegenjtand be-
ichäftigt war. Nır mit den neuen politiſchen Berhältnifjen
Chiles war er volfommen unbekannt, und jeiner Ausjage
na auch erft Heute Nachmittag mit einem kieinen, in die
Bat eingelaufenen Fahrzeug — dem Albatroß — von
Manila über Tahiti gelommen ; auch mußte er ſich nicht
viel dafür interejjiven, denn er gab dem Gejpräch, jobald .
diejes auf ſehr natiirlihem Wege dorthin einlentte, immer
wieder eine andere Richtung. Der eine gapztän„bem der
neue Zuſtand der Dinge nicht ſehr zu behagen Ichie
der wentoſteus fiirchtefe, daß die Handelsverhältnijje Des
Landez dadurch gefiort werden möchten, äußerte fjeine Bes
jenden, ihve Häfen blokiren und ihr Land mit Soldaten
überſchwemmen
Baͤh, Freund rief der Fremde und fülte ſich aus
der 2 eine Beit lang vor ihm ſtehenden noch undberüht-
ten Flaſche ſein exſtes Glas — „das iſt Unfinn. — .Ddie
Spanier hahen nicht einmal Schiffe genug, ihre Küjte hier
von Seeräubern frei zu holten viel — 09 Mare-
quita,” unterbrach er ich hier plößlidh, „Fomm hex und
gieb mir eine andere Vein Tia mia,” mwandte er
laͤſche *
ſich an die Wirthin, * Bordeaux ift fauer, und D hajft
ſicher beffern im Keller.“ 8
dem Vateriand wie der wogenden See für immer zu
ſchon zwei Lebensalter auf den Wellen zugebracht, ſitzen
Zortſetzung folat.)
veis — ME 1.20 o9ne Zrägerlohn u, Poſt
ufſchlag Beitellungen bei den Boltanfialten u. bei der
— Erybpedition Zwingerfirahe 7. ‚
Bedatteur: Iol. Cremertus, Hauptjir. 121, Heidelberg. *
m
fir Stadt
it D, unterhaltungsblatt, a
Anzeige-Blatt für die Amtsbezirfe Heidelberg,
Cbherhach, Sinsheim, Cppingen, Weinheim, Schwebin»
gen, Wiesloch, Bruchfal/ Bretten, Mosbacdh, Buchen,
Tauberbiidhofsheim, Walldürn 20 *
Druc _ u, Berlag Gebr, Yulker, Geidelb., Zwingerftr.
Br 237
| 29. Jubrg.
s Das Geſpenſt der Cenſur.
Die Krankheit des ruſſiſchen Kaiſers und die bel-
iſchen Wahlen ſtehen augenblicklich im Vordergrund
es allgemeinen Intereſſes, jeder einigermaßen politiſch
Ugelegie Zeitungaleſer wartet mit der größten Neu-
ierde auf die täglich über dieſe beiden Ereigniſſe in
Zeitungen erſcheinenden Nachrichten. Wenn man
ber die Wichtigkert beider weltgeſchichtlichen Vorgänge
egeneinander abwägen wollte, {o müßte man das
erſtere doch wohl als das wichtigſte, wenn auch
ur Zeit nicht ſo intereſſante, Ereigniß hezeichnen;
nn was ein Ereigniß wichtig macht, ſind in erfter
inie die Folgen deſſelben und in zweiter Linie
mmen erſt deſſen nähere Einzelheiten in Betracht.
Selgien iſt ein kleines Land, aber doch geſchieht
Zert ſeit etwa 10 Jahren das in den Augen vieler
nAufgellärten“ Unerhörte, daß e& nämlich von einem
irkiich katholiſchen Miniſterium regiert wird
der König richtet ſich dort ſteis nach dem Willen der
iniſter), während bei uns in Deutſchland die Prote-
anten in ihrer angeborenen oder richtiger anerzogenen
Veſcheidenheit uns Katholiken für zu „dDumm“ u. zu
„Defangen“ erklären, um an der Regierung des ů
Staates hervorragend theilnehmen zu können. Doch
regen wir uns heute, oder überhaupt nicht darüber
„ Quf, denn die Katholiken haben ſich ſchau größere
chmähun gen gefallen laſſen müſſen; trotzdem ſind ſie
heutguie entſchloſſen, nicht mehr den Prügeljungen
Froteſtautiſcher Ausgelaſſenheit öder Ueberhebung zu
telen. Darüber ein andermal. Für heute inter-
ſirt e& uns mehr, einmal darüber zu ſchreiben, wie
kommt, daß die ganze Welt im Grunde genommen
ar nicht recht weiß, was dem ruſſiſchen Gewalt-
errſcher eigentlich fehlt. Nur ſo viel ſteht außer
weifel, daß es nicht gut mit ihm ſteht und. daß er
irflich krant iſt. Als ſeiner Zeit unfer leider ſo
üh dahingeſchiedener Kaiſer Friedrich anfing, krauk
verden, wurde die ganze Welt ſofort durch. die
mtlichen Mittheilungen genau unterrichtet, und je
änker er wurde, defto genauer und öfter wurden die
rztlichen Nachrichten über ſeinen Zuſtand ins Land
nausgeſchickt. Beim ruſſiſchen Kaiſer geſchieht ſol-
Les nicht u. wenn die ruſſ. Zeitungsſchreiber aus anderen
Auellen etwas erfahren, dürfen ſie es ihren wiſſenz-
Irſtigen Leſern noch nicht einmal mittheilen, denn in
ußlaͤnd herrſcht die Cenſur! Ein unheimliches
ing, bei deſſen Nennung auch noch manchem guten
teren Deutſchen die Gänſehaut überläuft ; denn dieſes
kende Geſpenſt beſtaud bis zum Jahre 1849 auch in
Deutſchland. Es iſt mit ſo manchem alten Krempel
in die Rumpelkammer geflogen, aus welcher es aber
heutzutage gewiſſe Leute in der Gluthhitze ihres über-
geſchnappten Patriotismus wieder herausholen möchten.
Da nun die Cenſur daran ſchuld iſt, daß wir über
das wichtige Ereigniß des kaiſerlich-ruſſiſchen Befin-
dens ſo wenig erfahren, und weil gewiſſe Rückerin-
nerungen an die „gute alte Zeit“ gar nicht ſchaden
können, halten wir e& für angebracht, dieſes geſpen-
ſtiſche Individuum einmal in ſeine einzelnen Theile
zu zerlegen, damit auch das jüngere Geſchlecht er-
fährt, wie ſchön es auf einem der wichtigflen Gebiete
des öffentlichen Lebens früher hier in Deutſchland
geweſen iſt. Daß es in dieſer Beziehung damals in
Deutſchland beſſer war, wie jetzt in Rußland, braucht
man gar nicht anzunehmen. ;
Die geſamte Cenſur unterſteht der Ober-
Preßverwaͤltung, einer beſonderen Abtheilung des
Miniſteriums des Innern. Der Oberpreßverwaltung
unterſtehen die Cenſurkomites in St. Petersburg,
Caſan, Warſchau, Odeſſa, Tiflis. Dieſe
Comitees entſenden wiederum beſondere Cenſurbeamte
in großere Städte wie Kiew, Charkow, Wilna, Dor-
pat, Riga, Mitau uſw. Jedes Cenſurkomitee zerfällt
in eine inländiſche und in eine ausländiſche Aotheil-
ung. Die Erzeugniſſe der Tagespreſſe ſowohl wie
Nur in den beiden Reichshauptſtädten St. Peters-
burg und Moskau erſcheinen die größern Tagesblätter
ohne die ſogenannte Präventiveenſur: D. D. ſie ſind
nicht verpflichtet, den Inhalt der Zeitung der Cenſur-
breiten. Doch hat immerhin jedes der hauptftädtiſchen
Blaͤtter ſeinen Cenſor, dem es das erſie Exemplar der
Zeitung, bevor die betreffende Nummer zur Poſtaus-
gabe gelangt, zur Begutachtung vorlegen muß. Der
Tenſor hat das Rechi, der Poſt die Verſendung der
Nummer zu verbieten und üherhaupt deren Erſcheinen
zu verhindern, falls er irgend einen anſtößigen Artikel
in der Zeitung findet.
Sehr viel ſchlimmer daran ſind die der Präven-
tiveenſux unterworſenen Provinzblätter, mithin der
Blätter an einem Orte, an welchem ſich ein Cenſur-
komitee oder wenigſtens ein Cenſor befindet, ſo geht
e& noch an Sie müſſen der Cenſurbehörde Ddie
aller Stille, aber mit unumſchränkter Macht wir-
Nachdruck verboten)
Das Wrack des Piraten.
* Erzählung von Friedr. Gerſtäcker.
Der Zweite, der ſeinen Stuhl an dem Tiſch aber nur
n belegt hielt und die meiſte Zeit neben Sennorg
itero und Manuela jaß, mit diejen zu plaudern, und
v dann und wann beſonders wenn Manuela, der
Utter zu heifen, zuweilen das Zimmer verließ, zu ſeinem
B am Tiſch zurüctehrte, war ein junger Mann von
Ni- bis jehsundswanzig SJahren, mit Leichtem, faſt hell-
Qunem Schnurrbart und kaſtanienbrgunem lockigen Haar
HNarblauen, aber doch lehendigen Augen. Seine vom
hiten Stojf gefertigte Kleidung, mit dem goldenen
veifen um die blaue Tuchmüße, verrieth den englifchen
Cepffizier. Ebward Willinjon war Lientenant auf Seiner
Tregatte Terpfichore, aber vor einiger Zeit bei
8
feindlihen Zufjammentreffen mit einem frauzoͤſifchen
Ecchiff ſo ſchwer verwundet worden, daß ihn jein !
übitän, als er ſpaͤter Valparaifo erreichte und der junge
Monn immer noch in Lebensgefahr an den Jolgen der
6 Unde ſchwebte, dört ließ, um jeine Heilung leichter und
na Defierer Bflege zu bewerkitelligen. _ Sein Schiff,
pC0 der pernanijhen Rüfte beitimmt, wollte ign dann
feiner Rückkehr nach Balparaifo wieder mitnehmen.
Bon der Schußwundẽ der Franzojen war er nun aller-
88 ſchon ſeit mehreren Wochen wiederhergeftellt, Ddafılr
T bon einem andern Geſchoß Defto gefährlicher und
( unbeilbar geiroffen: von der Liebe zu dem jungen
—— 2 er in Santiago in dem Haus ihrer Tante
nen gelernt.
©r Jelbit war eine Waije; aber in ſeinen Wermögens-
Hältniffen unabhängig, folgte er der See mehr aus Net-
G, alS um ſeinen Lebensertwerb dadurch zu finden.
ICI)=i)te Liebe zu dem holden Wefen, die ſich mit dem
1 Seeleben niht vertrug, that
Aefer eriten Neigung bedeutend Mobruch, und. er baute
allerhand Liebe hoffnungsreihe Bläne, O in dem.
en Chile mit feiner jungen ®attin niederzulafjfen‘
Abe
o
„Bürſtenabzüge! ſämmtlicher Artikel vorlegen, und
entjagen. Der Erfüllung all diefer heiß gehegten und
mit ſo. freudiger Sorgfalt gebllegten Wünfdhe {tand aber
nocdh ein aracs und wie es faſt ſchien unüberfteigliches,
Hinderniß entgegen. Er war proteſtaͤntiſch erzogen, und
Manuela Fatholijd. Die ſpaniſchen Geſeße verboten
dabei auf das ſtrenaſte ſolche gemijdte Chen; Hätte. er
aber auch die prielterlihe Weihe erhalten Fönnen, ſo mürde
Manuela’s Muiter, eine ſtenae und eifrige Katholikin,
nie ihre Sinwilligung dazu gegeben Haben, ja daͤs {Hhöne
fromme Möbdchen felbit, das dem iungen Manne wohl
recht innig zugethan war, ſuchte, als es all’ dieje Hinder-
nifje, und oh wie mit wehem Herzen, erkannte, die Nei-
gung, die Jhon mit ihreni innerften Leben verwachjen war,
wieder zu löfen. — Sie wutzte ſelbſt nicht, mwie lieb ſie
ihn Oatte, und glaubte nod an die Möglichteit einer
Zrennung, während ihr Herz doch Ihon immer, wenn auch
hHeimlich, aber dafür deſto ſtärker, nein, nein und immer
wieder nein dazu jagte. -
Die zwei anderen, mit an dem Tiſch ſitzenden Gäſte
gehörten ebenfalls der See an — e waren beide nicht
allein die Zühver Meiner chileniſcher oder vielmehr {pani-
Ser Küffenfahrzeuge, ſondern auch Stammgälte bei
Sennora Foftero, ſobald fie nur je einmal kurze Zeit von
den Sirapazen des unruhigen Seelebens in dem freund-
lichen Balparaijo ausruhen fonnten. Das Haus der
Sennora Foftero war in der That eine3 der beften Wein-
häuſer in VBalvaratfo, wenn nicht das beſte; nicht3defto-
weniger kamen auch viele der Gäſte, wie diele beiden alten
Kapitäne, laſt eben fo viel der freundlidHen Madchenge-
ſichter wegen Ddorthin, von denen fie ſich durften bedienen
lafien. Seeleute befonders, die ſo Iange und einfam auf
der veiten vden See Herumtreiben, und fortwährend Ge-
fahren und Beſchwerden ja nicht ſelten ſogar dem Tod in
Das kalte grimme Angeſichi ſchauen müffen, wiffen es am
befien zu |däßen, was {o ein paar liebe, Augen werth
_;in‚b‘„ Jelbit wenn ſie ung nidht zu eigen gehören, und wie
‚Treundlich die melodifjhen Klänge von füken‘ Lippen gegen
das dumpfje Braufen der See und das Häßlihe Bfeijen in
Fauwerk und Bloͤcken abſtechen Alte Seebären jelbit, die
erſt wenn dieſe mit dem Cenſurſtempel verſehen ſind,
darf die Fertigſtellung und die Ausgabe des Blaͤttes
beginnen. Es fommt mun häufig vor, daß der Cenſor
einen einige huͤndert Zeilen langen Artikel ſtreicht.
Für dieſen Faͤll müſſen die Blätter, um dennoch recht-
Litig und mit ausgefülltem Raume erſcheinen zu
können, immer einige bereits eenſirte Artikel in Bea
reitſchaft holten, diẽ dann an Stelle des geftrichenen
treten Da die Herren Cenſoren aber nalürlich nur
am Tage arbeiten wollen, ſo ſind alle jene Blätter
gezwungen, am Abend zu erſcheinen, was aus vielen
Urſachen ziemlich mißlich iſt. Uebrigens üben jene
ſelbſtſtändige Cenſoren in der Provinz eine weit mil-
dere Cenſur aus als die Cenſurkomites in den grb-
ßeren Städten, zumal wenn ſich die betreffende Zeit-
ung „gut“ mit ihrem Cenſor zu ſtellen verſteht.
tees noch Cenſoren befinden. Dieſe Blätter werden
dann irgend einer Ceuſurbehörde zugetheilt, der fie
den Inhalt der Zeitung durch die Poſt zur Begut-
ein Gouverueur ein ſolches Blatt aus irgend einem
Grunde maßregeln, ſo theilt
Blattes ziemlich gleichbedeutend iſt.
Zwar wird den Zeitungen rechtzeitig verbo
ten,
oder wirklich ausgeführten Mordanjchläge gegen den
ruſſ. Kaiſer nichts mitget heilt worden, wie auch über
deren Beſprechung gefährlich iſt und zum mindeſten
gelindeſte, was dem Frevler in einem ſolchen Falle
wortliche Redakteur vor die Cenſurbehoͤrde geladen
wird und dort einen Verweis erhält. Ein derartiger
Vexweiz belaſtet das Conto der Zeitung auf längere
Zeit. Nach mehreren Verweiſen ınter Umftänden
auch gleich beim erſten Frevel, erfolgt dann Entzieh-
ung des Einzelyerkaufs oder das Verbot, Anzeigen
aufzunehmen. Die Entziehung des Einzelverkaufs ift
eine Maßregel, welche ruſſiſche Blätter ſehr hart
trifft, namentlich in St. Peteroburg, da die Zeitungen
aus dem Einzelverkauf mehr Einnaͤhmen erzielen als
aus dem Abonnement. Dann beſtehen noch als
Strafen die zeitweilige Unterdrückung des Blattes u.
E
dann wohl und lauſchen /
entbehrten Lauten, die wie ferner Glodenklang in ihre
ſtarren dem Schönen fonſt nicht gerade ſo befoͤnders zu-
aänglichen Herzen klingen.
Die drei Letztgenaunten hatten zuerſt an dem kleinen,
pgar Flaſchen franzöjiihen Weines geſeſſen als der vorbe-
4 Fremde eintrat, die Anwefenden {lüchtig einen
ugenblic nuſterte und ſich dann, eine Ilajdhe Bordeaur
von einem der ihm nächften Mädchen fordernd, mit freund»
lidhem, fait vertraulihem Gruß bei den drei Mönnern.
niederließ. Von da an ſchien er auch die Unterhaltung,
des jungen Engländers Aufmerkjamtkeit viel zu fehr mit
einem andern, fr ibn weit interefſauteren Gegenjtand be-
ichäftigt war. Nır mit den neuen politiſchen Berhältnifjen
Chiles war er volfommen unbekannt, und jeiner Ausjage
na auch erft Heute Nachmittag mit einem kieinen, in die
Bat eingelaufenen Fahrzeug — dem Albatroß — von
Manila über Tahiti gelommen ; auch mußte er ſich nicht
viel dafür interejjiven, denn er gab dem Gejpräch, jobald .
diejes auf ſehr natiirlihem Wege dorthin einlentte, immer
wieder eine andere Richtung. Der eine gapztän„bem der
neue Zuſtand der Dinge nicht ſehr zu behagen Ichie
der wentoſteus fiirchtefe, daß die Handelsverhältnijje Des
Landez dadurch gefiort werden möchten, äußerte fjeine Bes
jenden, ihve Häfen blokiren und ihr Land mit Soldaten
überſchwemmen
Baͤh, Freund rief der Fremde und fülte ſich aus
der 2 eine Beit lang vor ihm ſtehenden noch undberüht-
ten Flaſche ſein exſtes Glas — „das iſt Unfinn. — .Ddie
Spanier hahen nicht einmal Schiffe genug, ihre Küjte hier
von Seeräubern frei zu holten viel — 09 Mare-
quita,” unterbrach er ich hier plößlidh, „Fomm hex und
gieb mir eine andere Vein Tia mia,” mwandte er
laͤſche *
ſich an die Wirthin, * Bordeaux ift fauer, und D hajft
ſicher beffern im Keller.“ 8
dem Vateriand wie der wogenden See für immer zu
ſchon zwei Lebensalter auf den Wellen zugebracht, ſitzen
Zortſetzung folat.)