Eeſcheint täglid mit Ausnahıne der Sonn- u, Heierkage
ßtagié vierteljährlic XE 1.20 oHne Trägerlobn ı. Kolt-
gufiehlag. Beitelungen bei den Boftanjtalten u. bei der
Erpebition Ztwingerüraße 7
Kedaktenr: Iof. Cremertus, Haupiiir. 121, Heidelberg.
für Sfadt
S, 208
20. Zabeg.
* Ein furchthares Sündenregifler aus
proteſtantiſcher Seder,
(Schluß.)
Der prot. Pfarrer Johann Struher fährt dann
Proͤteſtanten o hoch geprieſenen Guſtav Adolf gibt,
in folgender Weiſe fort:
.. „Wenn man einem Pfälzer, Rheinländer,
Wetterauer uſw, uſw., welche viel beſſeres Land für
Früchie und Wein haben, als wir, in Heſſen vor
Jahren geſagt häͤlte, daß ſie noch nach Heſſen würden
betteln gehen, ſo würde ein ſolcher höhniſch geſagt
haben: „Im Lande zu Heſſen, iſt wenig zu freifen.“
Sie würden ſich dahin geäußert haben, daß ſie eher
alle Lander ausgehen wuͤrden, ehe ſie hier ihre Nah-
rung ſuchen wollten
kann auch uns geſchehen.“
„Es ſind viele Kriege in Deutſchland geweſen;
preſſun gen vorgegangen.
uͤnd Niemand ijt, der ihnen leihen, Niemand, der ihre
Güter kaufen will; Niemand, der ihre Güter umſonſt
anzunehmen begehrte der Kriegsbeſchwerung wegen;
daher ſo piele Eigenthümer, die ihre Pachthöfe brach
liegen laſſen. Wo ſoll das hinaus?“
„Die meiſten Leute ſind mehr ſchuldig, als ſie an
Habe liegender Güter und Fahrniſſe beſitzen. Gleich-
wohl müffen und ſollen ſie fort und fort geben ;
wollen ſie nicht oder fönnen ſie nicht, fiehe, die
Exekution iſt fertig. Man legt ihnen Preßſoldaten
ins Haus, bis er's zuwege bringt; er belamme es,
wie er wolle; er mache e& wie er wolle. Allhier iſt
gerade Geduld von Nöthen.“ Gebr. 10, 36.)
„Dazu kommt nun die Theuerung aller Lebens-
mittel. Die armen Leute, ſo Brod kaufen müffen,
gehen ganz matt herum; ſi e jind nicht bleich,
Stöcken, als ob ſie gleich umfallen wollten. O, daß
es Gott erbarme! Sie werden genöthigt, die Wur-
zeln zu ſuchen und ſie in hlaſem Waſſer zu ſieden,
damit ſie nur den Hunger ſtillen mögen. Sie bre-
chen die Laubſproſſen ab, rupfen das
Gras aus der Erde, ſtedenes, ſchluͤcken
eS ein wie die Kühe. D, daß Gott erbarm!
Hunde, Katzen, Eſel, Pferde, vor denen ſonſt die
Menſchen einen Abſcheu haben, eſſen ſie mit großer
Begie
—
Nachdruck verboten
Helene.
Erzählung von Th Küſter.
Frau Gerhard lebte nur noch für ihren Max, und doch
verging ihr die Zeit viel zu langſam; ſie erging ſich in
8)
gereinigt von dem auf ihr laſtenden Berdacht und ſie
wieder alücklich WAar . ... DohH wie lange, lange
Zahre mußten noch hinabfließen in's Meer der Unendlih-
Teit, ehe — im günftigiten Zale ſolche Träume Wahr-
heit werden Konnten, ehe 10r Mar ein Mann war und
eintreten konnte mit aller Kraft und CSnergie eines ſolchen
ür die Ehre und die Unſchuld feiner Mutter wie für
feine eigenen Kechte 7! —
Als dann ihr Sohn heragwuchs da verließ die un-
alückliche Fran das einfame, ſeitab gelegene Dorf und 306
nach der naͤchſten größeren Stadt, um dort für ſeine Er-
ziehuna und Bildung in der Weije Jorgen zu fönnen, Wwie
es für ihn nöfhig war, damit er feines rechtmäßigen Ya-
mens auch in dieſer Beziehung würdig werde — des Na-
mens, den er ſich erſt erfämpfen mußte! —
III.
In einem der vornehmiten Clubs der Refidenz war
die gewöhnliche Herrengejelljhaft verjammelt. Man un-
terhielt ſich ziemſich lehhaft in einzelnen Zimmern, während
in andern eS ruhiger herging, weil dort mehrere Spieltiſche
beſetzt waren.
Ein Hexr in den mittlexen Jahren mit etwas verleh-
ten Zügen, in welchen verſchiedene Leidenſchatten mand)’
unjdöne Linien gezogen, Hatte ſeither alz Zujhauer neben
einem der Lbhmbretiſche gefeijen, doch dieje Bejchäftigung
ſchien ihn auch zu langweilen, denn nur mühjam unter-
drücte er ein ſtarhes Hähnen erhob ſich Ddann und ging
nach dem großen Saal, in welchem ſich verſchiedene in
_ Unterhaltung begriffene Gruppen gebildet hatten Suchend
ließ er den Hlic übex die Antwejenden hin gleiten, bis er
— gefunden zu haben ſchien, was er ſuchte, und einem hHüb-
ſchen, blonden jungen Manne zuwinkte, welcher ebenfalls
— — —
und Katzen ſind alle aufgefreſſen, Eſel und Pferde
geſtorben oder hinweagetrieben. D, daß Goll er-
harm! Wenn e& noch dabei bliebe! Aber es iſt
ſoweit gelommen, daß wenn todtes Aas, ſei es
Hund, Pferde oder ſonſt etwas anderes, hinausge-
fahren wird, die armen Leute darüber
herfallen. Wirft man einen todten Hund
auf die Gaſſe, wird er aufgehoben, gekocht und g e
gefjen. Auch die hingeworfenen, ſtinkenden,
gegeſſen. So weit iſt es gekommen. O, daß Gott
erbarm! Sogar dahin iſt e& gekommen, da hie und
da Leute ermordet und aufgefreſſen wor-
den ſind, auch Kiuder vonihren eigenen
Eltern, Eltern von ihren Kindern,
Frauen von threr Magd. Selbſt ein Rei-
Lerzmaun iſt nicht ſicher, wenn er nicht fünf
Pferde oder mehr bei ſich hat.“
So der proteſt. Pfarrer Johann Struber in ſeiner
Leichenpredigt am 19. Okt. 1635 in der Eliſabetheu-
kirche zu Marburg. (Vergl. Diefenbach: die luthe-
riſche Kauzel.)
Man glaubt Schilderungen eines Flavius Joſe-
phus über die Belagerung und Zerſloͤrung Zeru-
ſalemz i &. 72 nach Chriſtus zu hören, wenn
man dieſe Beſchreibungen der Graͤuelthaten der ſchwe-
diſchen Soldaten vernimmt. Sollten die proſte-
tantiſchen Prediger ein Intereſſe daran gehabt
haben, ihren ſchwediſchen, Glaubensgenoſſen“ u den
Glaubeushelden Guſtav Adolf ſch lim merzu ſchil-
dern, als ſie waren? Sie konnten es nidt, feibſt
wenn ſie gewollt hätten; da ihre Zuhörer als Augen-
und Ohrenzeugen zugleich ihre Richter ſein mußten.
menſchliche Gräuelthaten ausübten, das bezeugt ein
Brief, den der Herzog Friedrich Ülrich von Bra u n-
Ich weig im Jahre 1684 an den Schwedenkönig
ſchrieb, der in ſein Land eingebrochen war.
„Meine Landsleute entfliehen in die Städte
„oder in Einöden und bauen dort das Elend. Sie
„werden von der undisciplinirten Soldateska g heich
„wilden Thieren gejagt, gemartert und
„erſchoſſen. Die Werbsbilber werden bar-
„bariſch geſchändet, die Kirchen beraubt,
„Sonne davor entſetzen und verdunkeln
Die Soldaten reiten und gehen durch
abſeitz ſaß
3© habe etwas mit Ihnen zu beſprechen, Dalbers,“
ſagte er, ais der Hewunſchte nun vor ihm {tand.
Eine finſtere Wolke glitt über die Züge des Jüngeren,
doch nahm er den ihnt gebotenen Arm des Andern an und
folgte ihm nach einem der kleinen, lauſchigen Cabinette,
Die, zum Lelen oder zum Soreiben beitimmt, um Ddieje
DHeit meiltens unbenugt waren und in Denenm ſich
dor jedem SpähHerohr ficher, aut und ungeftört plaudern
4 Dort nahmen die beiden Herren Plag und Dalberg
agte: !
„Sie baben ohne Zweifel die Abſicht, mich an
meine Schnld zu mahnen, mon cher, aber ich kann
Ihnen leider doch keine Ausſicht geben für deren Woma-
— ——
Ach bah! laſſen Sie doch ſolche Lappalien !” untex-
krach der Audere. Als ich Ihnen jene Summe vorſchoß,
da wußzte ich ſehr gut, daß ihre Berhältnifje Ihnen ſoͤ
hald nicht geftatten würden, mir dieſelbe 744
Es handelt ſich im Gegentheil um etwas ganz Anderes;
jagen Sie mir, lieber Graf, warum heiraten Sie nicht ? —
Naͤtürlich eine veiche ?ame müßten Sie machen; das
würde Zhuen ein für ahemal helfen, Dalberg. Oder ge-
hören Sie pielleicht zu jenen Phantaſten, die nur aus Liebe
Heirathen ?” —
„Sine reiche Barthie — ja, die kannte mir allerdings
gründlich helfen! — Aber ich habe auch nicht Suft, meinen
YNamen an einen Banguier oder Barvenu des auserwähl-
ten Voltes Gottes zu verfhacdhern ; ich werde mich nur mit
einer Dame von quiem, altem Adel vermählen, und da find
die reichen Bartien“ ſchon ſeltener, denn junge, huͤbſche
und dabei reiche Damen aus unjeren Kreijen ſind in der
Regel jehr difficil, und eine alte, Häßlidhe mag ich auch
nicht, ſelbſt wenn fie einen Krdjus zum Vater hHätte, Sie
jehen, mon cher, ich bin waͤhlerich; ich glaube nicht, daß
meine Schulden iemals durch eine reiche Heirath bezahlt
werden. Bah übrigens ! wenn Ales über mir zujammen-
bricht, gibt’3 im Nothfal ja immer noch eine mitleidige
Kugel, denn ſo, wie's jetzt geht, halt' ich's nicht lange
„verjagte Men ſchen vexborgen und dann hilft
ein Weinen, kein Flehen, tein Klagen
Zwiſchen Neuſtadt am KRübenberg, Hameln, Han-
„nover, Braunſchweig ſind Ddie Dörfer men-
„ſchenleer. —
Mit der in ſeinem Heere gewohnten Mordbren-
ner e i bedrohte dec Schwedenkönig auch die pro-
teſtantiſſche Stadt NMürnberg, indem er der
Bürgerſchaft ankündigen ließ: „Wenn ihr euch . .
nicht nach meinem Willen entſchließet... ſo werde
ich die Stadt und ihre Unterthanen mit
Schwert, Mord und Brand wie die ärgſten
Feinde verfolgen und die Bürger u. Gin-
wohner, wo ich ſie finde, niederwerfen,
ihre Güter preis machen.“
So hatte er vorher wirklich in der Stadt
Würzburg gehauſt! Ein königlicher Mordbrenner!
Wwar erließ er einigemal Verordnungen, welche das
Mordbrennen verbolen; allein ſeine Soldaten wuß-
; ten, daß es nicht ſehr ernſt gemeint war und daͤß
ſie ſich ungeſtraft darüber hinwegſetzen durften.
Sar übel haben die ſchwediſchen „Glaubensge-
noſſen“ mauchmal ihren Lobrednern, den proteſtaut
Predigern mitgeſpielt, wie es der proteſt. Pfarrer
Kyritzer in ſeiner Exulantenſchule, Stettin 1640 he:
klagt: „... Etliche (von den Predigern) hat man
and Feuer gelegt und gebraten, etlichen hät man
Purgirpulver mit heißer Aſche in den Hals ge-
i gofjen uſw.“ .
Und dem Anführer dieſer beſtialiſchen Räuber-
banden, Guſtav Adolf, werden gegenwärtig in
Deutſchland Feſte gefeiert! Während einſichtsdolle
proteſt. Kreife längſt den grauſamen Verwüſter Deut{h=
lands verabſcheuen, fieht man in uuſern Tagen die
Thümmelbrüder mit Feſtſpieien, Feſtreden u. dal.
förmliche Verhimmlungen des Mannes aufführen! Wenn _
doch dieſe Leute uur wenigſtens bei der geſchichtlichen
Wahrheit bleiben mürden! Dann müßten die Ber
faſſer von Guſtav Adolf Feſtſpielen auch Seenen vors
führen, wie prot. Prediger von Guſtav Adolfs Sola
daten am Feuex gebraten wurden; dann müßte feruer
der Darſteller des Schwedenkönigs immer ein paar
Fäſſer „Schwedentrant“ neben ſich ſtehen haben und
durch ſeine Soldaten das Publikum gewaltſam damit
regaliren laſſen; dann müßte in dem Maͤrſch der
finnlaͤndiſchen Keiterei“ auch zum Ausdruck kommen
daz Zammergeſchrei der „fußfaͤllig weinenden Frauen
und der in der Wiege liegenden Kinder“, die nach
dem Berichtzdes broteſt. Pfarrers Johann Struber,
mehr au8, meine gefammten, ohnehin karalichen Revenuen
ſind bereits auf mehrere Monate hinaus mit Bejchlag bes
leat,” Echloß düſter, gedrüct der %unge Graf.
„Sie thun mir leid, mein Befter, und eben! deshalb
Habe ic die Wblicht, Ihnen zu hHelfen, ich habe eine vor-
freflliche Parthie für Sie in petto, Die Dame iſt jung,
ih5n, reich, vom heſten alten Adel, vereinigt demnach in
ſich Alles was Sie wünſchen und brauchen, und fommt
zudem ſgeben aus der klöſterlichen Benfion zurüd -— was
können Sie Beheres wünfjhen ?“ — —
Scherzen Sie nicht mit mir, Berr von Witten-
Hoff ! Glauben Sie denn, daß diele gerühmte junge
Dame ſo ohne Weiteres bereit ſein wird, mich mit mei-
nen zerriültteten Vermögens⸗Verhältniſſen zum Gemahl zu
nehmen ?" — *
ein. entgeanete trocken Herr von Wittenhoff · Wenn
Sie mit demjelden Axmenſündergeſicht, wie Sie e3 in
dieſem Augenblit machen. vox ſie hin treten — dann
allerdingS nicht. — Berlieren Sie nur den Muth nicht,
Dalberg, dann wird Agcs beſſer und auch ſchneller gehen
alsvjie glauben, und FIhnen noch ein Leben voller Slüc
und Gemuß blühen.“ . 7
Aber waxum heirathen Sie denn nicht ſelbſt jene
Dame, wenn ſie ſo begehrenswerth ijt ?“ — ;
Ja ſehen Sie, lieber Graf, für mich geht das nicht
gut an, denn hHören Sir nur: die Dame, von der ih
Zhnen geſprochen, ijt meine eigene Coufine, die junge
Freiin Helene von Wiltenhoff. Eben aus dem Urfuliner-
berzeit gewejen, wird ſie dem erfien Hübidhen jungen Mann,
der ſich ihr anbetend naht, ihr Herz jhenkfen. Matiirlich
barf weder ſie noch ihr Bater abnen, daß es in der Haupt»
ſache auf den Befiß des Vermögens abgejehen ift. Doh
Sie verltehen mich ja, Dalberg, gerade Sie ſind die Per»
ſonlichkeit. welche ſich ganz vorzuͤalich dazu qualificirt,
/ einem jungen, unerfahrenen Ding den Kopf zu verdrehen; .
Sie find hübjh, jentimental angelegt — _ {pielen Sie nun
noch ein wenig den Traurigen, laſſen Sie tiefen Welt-
Ihmerz durdbliden und bald haben Sie ſich die reiche
Erbin gewonnen.“ — (Sort]. folgt.)