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Pfälzer Bote für Stadt und Land (29) — 1894

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Nr. 251 - Nr. 260 (4. November - 15. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44153#1033

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*

Exicheint Läglid mit Ausnahme der Sonn u. ZFeiertage
rei3 bierteljährlih ME 1 )
aufſchlag. DBeftellungen bei den Poſtanſtalten u. bei der
2 Expedition Zwingeritraße 7.
— Yor, Cremerius, Haubtitx. 121, Heidelberg.








für Stadt S Z







5 — 8 c
d „ Cpbingen, Weinheim, Schweßi
ie$10ch, Bruchjal, Breiten, Mosbach, —

Tauberbiichofsheim, Walldurn zC. —

gen, W





2







. 258


— VBerlag Sebr, Yuber, Heidelb., Zwingerftr







s Kuhiges Blut !
Roth wie Blut iſt die Weltgeſchichte, wenigſtens
überwiegt dieſe Farbe und draͤngt alle anderen, mil-
deren Farben volftäudig in den Sintergrund. Roth
wie Blut iſt die Farbe, welche auch die Sozialdemo-
kratie ſich „außerforen“ hat, ſie iſt ihre Lieblings
farhe, und wo irgend ein Sozialdemokrat ein äußeres
Zeichen ſeiner inneren Geſinnung an den Tag legen
will, hängt er die blut-rothe Farbe aus, entweder als
Schleife im Knopfloch, was wohl noch als harmloſes
Vergnügen angeſehen werden kann, oder er nimmt
einen langen, großen, Olutig-rothen Zeuglappen und
ziert damit einen Holz⸗Stiel, an dem früher vielleicht
ein Kehrbeſen geprangt hat. Die rothe Farbe iſt
aber nicht allein eine äußere Eigenſchaft des Blutes,
ſondern auch zum Theil des Feuers, und zwar dann,
wenn wir ſtatt der eigentlichen Flammen in der Dun-
kelheit der Nacht den Himmel oͤder die Gegend weit-
hin blutroth erleuchtel ſehen! Blutroth war auch
der große Lappen Papier, auch Wiſch genaunt, auf
welchem der gebildete Sozialdemokrat Dr. Rüdt ſeinen
Austritt aus der ſozialdemokratiſchen Partei ertlärte.
Er iſt alſo ein beſonderer Verehter von Blut

Feuer, und alſo vermuthlich auch von dem, was da-
mit zuſammenhängt. Feuer bezeichnet den Weg, den
die Kriegsheere wandeln müſſen, wenn ſie zu dem



Blutroth iſt auch jene Farbe, bei deren Aublick der
jtarfe Stier in Raͤſerei zu gerathen pflegt.
So ſehen wir, wie die rothe Farbe gewiſſermaßen



ſie erblicken, Unheil oder Verderben bedeutet. Darum
wird ſie auch von allen denen, welche Verderben in
die Welt hineinbringen wollen, verehrt oder gefürchtet,
von den rothen Sozialdemokraten angefangen bis
hinab zu den Ochfen. In der Arena, n
— Kampfplage der ſpaniſchen Stierfämpfer, ſpielt die
rothe Farbe die Hauptrolle und erſt, wenn die Zu-
ſchauer das rothe friſch quellende Blut der hingemar-
terten Opfer erblicken, ſind ſie zufrieden, — ja rufen
begeiſtert Hoch, und ſchreien nach Wiederholung des
grauſamen Spieles, alſo nach immer mehr Blut.
Das iſt das Eigenthümliche in dem Gange der Welt-
geſchichte von deren Anfang an, daß, ſo ſehr ſich auch
der einzelne Menſch vor dem Anblicke des Grauenvollen,
der Zerſtörung des Lebenden, entſetzt, und ſo ſehr

guch die menſchliche Natur von Haus aus zum Frie-
den hinneigt, dennoch die uns bekannten Ereigniſſe
aller Jahrhunderte nur eine einzige große Kettẽ von













Sewaltthätigkeiten, ven Werken der Zerftörung durch
Feuer, von dem Hinſchlachten der Menſchen en gros
und en Detail“ bilden; — kurz geſagt, Kriege und
wieder Kriege ſind es, von denen die Geſchichte er-
zählt und deſſen Abbild gerade die Heidelberger in

menden Fremden „bewundert? werden, tagtäglich in
vollen Zügen genießen können. 2
Es iſt der Fluch, der ſeit dem erſten Suͤndenfalle
auf der Menſchheit laſtet und der auch die allgemeine
Unzufriedenheit geboren hat, welche gerade Heutzutage
zu einem furchtharen Rieſen herangewachfen ift. Es
iſt Thatſache, daß dieſer Riefe ſich wie ein Goliath

geftellt hat und mit ſeiner roͤthen Fahne der ganzen
Armee voranleuchtet. Es iſt aber au ficher, daß
dieſer Rieſe der Unzufriedenheit eine gewaltige Kraft

zufachen und die ſchlimmſten Leidenſchaſten zu ent-
feſſeln vermag. Daß er als Banner die rothe Fahne
ſchwingt, bedeutet nichts Gutes. Es laäßt erlennen,
wohinaus das Ziel des Bannerträgers iſt. *

Nichtsdeſtoweniger dürfen und brauchen wir uns
nicht gleich ſo zu fuͤrchten, denn wie wir ſchon vor
einigen Tagen zeigten, iſt unſere Erde nicht allein ein
großer Circus, ſondern auch ein großes Theater, auf

Das Theater dient ja uur der Beluſtigung und wo


daß wir nuͤr ſo eine Art /preisgekrbnter Heuchelei!
dor uns haben. Da halten die einen Brand- und
Droherden, die ſich im nächſten Augenblick hinter
den Couliſſen gemüthlich eine Priſe reichen — da
ſchwören die Audern ſich wieder ewige Liebe und
weinen heiße
heporſtehende unvermeidliche Trennung, mährend ſie
ſich im gewöhnlichen Leben vielleicht nicht einmal
aufs Fell ſchauen mögen. Da läßt der große Welt-
umftürzler und Weltverbeſſerer, der ſog. Sozialdemo-
krat Rüdt viele große Lappen feuerrbthen Papiers
mit der Austritts Erklärung aus dem ſozialdemokra-
tiſchen Parteiverbande bedrucken und an den Straßen-

dem, was ihm die rothe Farbe verfinnbilden ſoll —
Blut und Feuer — ſo ſehr fürchtet, wie ein „ges
branntes Kind vor dem Feuer“. Deßhalb darf man
auch Perſonen, welche in einer ſolchen Rolle auftreten,
und wenn ſie auch mit der größten „Berve“ unter
dem toſenden Beifalle des Publikums geſtikuliren, nicht

— — —— —



— — —








gleich auf den Henkersblock des Geſetzes legen.
denfalls hat auch der „abgegangene“ preußiſche Mi
nifter des Zuuern die Scenen auf dem großen Welt
theater zu ſehr für ernſte Wahrheit gehalten und uu
jo ift e& zu ertlären, daß er ſich anſchickte, neu
Nichtblöcke zu zimmern, auf welchen er die Alteur,
an dem augenblicklich zur Aufführuͤng gelangend
Luſtſpiel, genannt, Der Anarchismus in Deutſchland
ſammt und ſonders wollte hinrichten fallen. 2 A
Ergreifende Szenen kommen ſtets, befonders in
den ſog. Trauerſpielen auf allen Theatern vor, vor
ausgejeßt, daß Die Mitmirkenden die Kunft des Dar
ſtellens beherrſchen uud das ſog Enſemble ein gute:
iſt Daher auch die Thatfache, daß Häufig di
„weichbeherzten“ Seelen, zunächſt Damen, während
ſolcher Szenen in Weinen und Schluchzen ausbrechen,
— baß ſie alſo vergeffen, nur ein Schaufpiel, ein
künſtliche Darftellung, vor ſich zu hHaben. Dies- Be.
wußtſein verlaßt zuweilen auch ganz andere Leute
als Weiber oder Kinder, — auch ernfte Mäniner ver:
leren ab und zu den Ueherblick und wiſſen nicht mehr
die Wahrheit von der Täufjchung, den Schein von
der Wirklichkeit zu unterſcheiden Und- thatſächlich






daß e8 teine Kieinigkeit iſt, genau fejtzujtellen, w
der Schein aufhört uͤnd die Wahrheit anfängt.
Der Schein blendet bekanntlich ſehr oft und d


Jondern völlig verblendet. Davon liefert augen
blicklich wieder Frankreich ein ſchönes Beiſpiel, wel:
ches von dem Scheine kaͤiſerlich ruffijcher Fürſten-
jonne ſo geblendet worden iſt daß es in jeiner Ber-
blendung ſetzt die tollſten Sprünge macht, bis der
vichtige Augenoperateur fommt, der der franzöfifchen
Nation das richtige Augenlicht wieder verjchafft.
_ Schauen wir uns deghalb alle Szenen auf der
Weltbithne ſo an, daß wir un& felbſt nicht vergeſſen,
— daß wır weder hingeriſſen noͤch geblendet werden;
yor allem bewahren wir nus ſtets, es mag gefpielt
werden, was da wolle ruhiges BIut. Nur ſo
können wir uns vor Täufchungen und deven unan-
genehmen Folgen bewahren. 2—



Deutſches Reich. *

8 Berlin 11. Nov. _
— Brofefjor Leyden, welcher den ruſſ. Katjer in
den letzten Wochen ſeiner Kraͤnkheit behaͤndelt hat,





a . . — verboten)
Das Wrack des Piraten.

Erzählung von Friedr. Gerſtäcker
















29

— Worten, obaleich ſie deren Sinn noch nicht begriff, flaͤrker
loſſen/ ſchaute * wild und verſtört zu iüm auf von
wem ſprach er? Der Arzt aber der ebenfalls glaubte, daß
* um den unglüclichen jungen Mann, der ihr einit näher
ehen follte, tranerte, aber vielleicht durch die Nachricht
von dem Uebertritt in ihre Religion einigen Troſt finden
würde, ſagte leiſe:
Etꝛr iſt leicht und ſanft geſtorhen und vor ſeinem Tode
— noch zu unjerem Glauben iÜbergetreten — -
‚ Icheint unendlichen Troſt darin gefunden zu hHaben und ift
vollkommen gefaßt — beruhigen Sie ſich ſelber/ Sennora —,
e3 il ein irauriger Zall, aber wer weiß ob nicht durch
Gotles Hand ſo noch Alles zum Beſten geführt i{t — feine
Rathichlüffe ſind unerforfchlich.“





gangene fam, barg ihr Antlig mwieder in den Händen und
„ Jagte nur leife, aber mit unendlich weicher Stimme: ;
Arme, arme Manuela.”

„ Deftiges Pochen an beiden Thüreu zualeich unterbrach
e hier verwirrte Stimmen riefen Ddurcheinander, und
— während der Arzt, der den Kuf: „Im Namen des Ge-

Tege5 !” von außen Hörte, an die Hausthür trat und fie
_ aufichloß, brach das (hwade Schloß der Hinterpforte jchon
von der andrängenden Mtenſchenmaſſe, die ſich dort Ein-,
! gung zu_verfchaffen Juchte, ebenfall3S zujammen, und von
_ beiden Seiten preßte eine Malje Wolts hHeran, den Eingang
zu gewinnen:. Bolizei ſtationirte ſich aber augenblidlih an
beiden Zhüren, und während ſie die übrige Schaar auf-.
” forderte, des ganze Haus zu umzingelım und genau zu be-
vachen daß Niemand, wer e& auch ſei! in Männer- oder

Diejen bejand ſich Don Olinda, zwei der Bolizeichefs und
mehrere bewaffnete Polizeidiener — Einer vön ihnen in







den Axm verwundet, und nur mit
einen Arzt hier wußfe.

„Sennora!” ſagte Lapitän Olinda, als er das Zimmer
beirchen und einen flüchtigen Blick umhergeworfen hatte,
‚ „c8 iit Hderaus fchmerzliqh fr mich, Sie mitten in der
MNacht auf folhe Art zu itören, Die Ddringende Urfache
meines Befuchs muß mich aber entſchuldigen Der flüchtige
Birat, den wir ſuchen und der uns in der Bat eniging,
‚1oll diefes Haus beireten haben — er it von zwei Berio-
nen bemertt worden, und wir ſehen un8 deshalb genöthigt,
das Haus von oben bis unten zu durchfuchen; gehen Sie
aber rubhig auf Ihr Zimmer, ich ſtehe Ihnen indejjen für
die Sicherheit Jhres Eigenthums mit meinem ganzen
Bermögen. — Uh Doktor — und wie geht e& unjerem
Kranfen — ich Hoffe doch nidht — armer Edoardo,“” unter-
brad) er fich aber raſch und ſchmerzlich alser das traurige
Kopfichütteln des Arztes fah — „und iit er todi? — Yha,
bei Goth das Maaß diejes Verbroͤchers iſt überboll, und
es wird HZeit, daß wir ihn zur Kechenſchafi ziehen !” .

Die alte Dame war indefjen aufgeftanden und an die
Trehpenthür getreten — das c in ä
Schlägen in der Bruſt, denn oben hoͤrte ſie Stimmen —
‚der tollfühne NMann war noch nicht geflohHen und, großer
®ott, wenn fie ihn in ihrem eigenen Haufe ergriffen !
Mehr ihrem Sefühle, als irgend einem beſtimmten Willen

z

folgend, ſchwankte {ie die Treppe hinauf.

hergekommen, weil man

des Kriegsihiifes an die Boltzeibeamten, die mit entbloß-
ten Koͤpfen neben ihm {tanden — „find Sie ficher, 4 er
Da Haus hier nicht verlaſſen fann, ohne von SIhren
Spürhunden gelehen und feitgehalten zu werden?“
Allle Straßen ſind dicht beſetzt, Sennor,“ erwiederte

allen Höfen ſtehen meine Leute und Maijjen von Freiwilli-

liegen vder wie eine Katzẽ von Dach zu Daͤch ſpringen



Er zeigte vor ſich auf den Boden, wo die naffen








Spuren der triefenden Keider des Flüchtlings noch deut-


. „Ulle Wetter !” rief der Capitän raſch — „wit ſind
guf der Zährte — aber nein — das Waſſer geht na
der Treppe zu — e8 Ift aus den Aleidern des Unglüclichen,

den fie vor hezer Zeit hier ſcher verwundet und triefend

Hereintrugen.“ . *
„ „Aber die Flaſche hier, ſaate der Poliziſt, der indeffen
mi foricbenbgn Blicken im Zimmer umbergefchaut hatte,
und den natürlich die noch auf dem Tijche {tehende, faft
geleerte Slafche mit dem abgejhlagenen Hals, der daneben
auf dem Boden Iag, auffallen mußte. „SFemand hat fich
hier in großer Eile Wein eingejhenft — e3 i{t viel neben-
Dei gegolfen, und in dem Glaje liegt noch eine abgebrochene
Scherbe — dasz ſieht verdächtig aus.“ S
„ „Sie haben Recht !” rief Sennor Olinda, der ſchuelt
Hinzugetreten war — „ift er aber hier {o tinn er un8
nicht entgehen !” } S . ; ;
‚,, „Dier ünd die naſſen FJußlpuren eines Mannes !“ vief
jebt ein anderer der Lolizeidiener,, der indejjen den Vlag
genauer unterfucht hatte — „der Verwundete Fonnte aber
nicht mehr auftreten, und es muß —“ — —
* lauter, von oben niederlonender Schrei unterbrach
ier.
„Dort iſt er !“ rief Olinda — „geben Sie denn Alarm
un’s Haus herun und nun zur Hilje!“ Und während der
Eine der Leute nah der Thur fprang und HinausicHrie,
aufzupaffen, der Flüchtling fet .gefunden, Nogen die Ande-
ven, von Sennor Olinda, Dder eine Biftole in der Hand
trug, angeführt, in raſchen S©äßen die Treppe Hinauf und
dem Orte zu, von wo die laute, nad) Hilfe rufende Stimme
Manuela’s ihnen entgegen ſchallte und die Richtung fün-
dete, die ſie zu nehmen Hatten. :
Ich wünſche ihnen SGlüc zum

ihn

Tang,“ faate der ver-
Händen des Arztes,

vor Schmerz die Zähne aufeinander biß — „Ddas iſt gar


mal ſo ſicher im Lajfo ſaß wie ich den darin gefehen haͤbe,
laubt. ich immer, wir haͤlten ihn, aber er ſchnitt daszähe
Leder durch, wie ich einen Bindfaden durchſchüciden wuͤrde




 
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