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Pfälzer Bote für Stadt und Land (29) — 1894

DOI Kapitel:
Nr. 291 - Nr. 296 (22. Dezember - 30. Dezember)
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Heint £ägliG mi Aunahme der Soun- u Feiertage
— vierleljährlich A, 1.20 ohne Trägerlohn u. Bolt-
gufGlag. Beitellungen bei den Boltankalten . bei der

— — Expebition Zwingeriraße 7.
Kedakteur: Yof, Cremerinus, Hauptlir. 121, Hetdelberg.









füt. Ml 4;⏑



Anzeige-Blatt für die Amtabezirke Geidelbe
— —⏑—
, Wiesloch, Bruchfal, Bretten, Modbach, Bu

Tauberbildofsheint, Walldiun ze. —












Drud . Berlag Gebr, Muber, Geidelb., Zwingerß
— AT









8 „Lriede den Menſchen auf Erden!“

Dieſer Spruch, den die Engel vor faſt 2000
Jahren auf den ſtillen Fluren Beihlehems ſangen,
er iſt auch noch heute das Zeichen, unter welchem an
dieſem Tage die ganze chriſtliche Welt lebt und ſtrebt.
Dieſer Spruch, welcher alies enthält, was man mit

Recht das irdiſche und menſchliche Glück nennen darf,
er übt auch noch heute ſeinen Einfluß, ſeinen Zauber
auf jedes gute, chriſtlich geſinnte Gemüth au®, und

ſelbſi die nichtechriſtlichen, ſogenannten aufgeklärten,
unglaäubigen und goͤttloſen Geiſter ſind dem Zuge des


Unterworfen. Den Frieden wollte Cheiſtus einft, in
der erſten Weihnachtsnacht, der gewiſſermaßen in einem
Zuſtande der Auflöſung befindlichen, durch und durch
verderbten Menſchheit herniederbringen, jener Menſch-
heit! welche ſpzuſagen bereits ins geiſtige Grab ge-
funken war, ſo daß ſelbſt der heidniſche Philoſoph
Seneea damals von ihr ſagte, daß irgend welche
Tugend auf der Welt nicht wehr beſtanden habe.
Friede wünſchten damals die Engel den Menſchen
anf Erden, jedoch nur denen, welche „guten Wil-
lens“ ſind.
Gewiß, der Friede iſt eine Wohlthat, welche uns
nicht von ſelbſi gewiſſermaßen in den Mund giflogen
Lonimt, nein, wir müſſen arbeiten, um für un den
Frieden, die Zufriedenheit zu erkämpfen, und müſſen
deshalb zunächſt einmal den Frieden begehren. Das
iſt ausgedrückt durch die Worle: „welche guten Wil-
leus find.“ 1
liches, ſich ſelbſt nicht jederzeit bewußtes Berlangen
nach dem wahren Frieden, wie ja Überhaupt der
— Siun für das moraͤliſch Gute und Richiige jedem
Menſchen,
gepflanzt iſt. Aber leider erlijcht in den Stürmen,
die im Leben über unſer Haupt dahintoben, bei man-
cchem Menſchen dieſer natuͤrliche Gottesfunke, ſo daß
er ſich nicht zur Flamme entwickeln kann, die unſern
Zanzen Geiſt durchleuchtet. Das hehre Licht eines
_ gutenm Geiſtes, eines „guten Willens“, will überhaupt
ſtets gepflegt jein, e® bedarf immer neuer Nahrung,
_ gerade wie das rrdiſche Licht, deffen ſich die Menſchẽn
bediener, um zur Nachtzeit die Finſterniß zu durch-
dringen. Leider gibt es ſehr viele Menſchen/ die ver-
ſäumen, auf die geiſtige Lampe des Friedens täglich
das nöthige Oel zu gießen; wo aber das Lichi er-
liſcht, tritt Finſterniß an deſſen Stelle und in der
Finſterniß geräth der Menſch unfehlbar in die überall
auftauchenden Abgründe, in den Sumpf

— —
Helene.

Erzählung von Th. Küſter.

23)
Habe ich Sie erſchrect, mein gnädiges Fräulein?“
fragte Dalberg beitürzt. Sein frunkenes Auge hing an der
Lieblidhen Geftalt, die verwirrt die ihren jenkte ; fein Herz
{lug Jo heftig, wie nodh nie in feinem Beben, und es 20g
hhn arl mit magiſcher Gewalt, feine Arme augiultreden,
— Helene an feine Bruit zu ziehen und ihr feine VLiede zu
geftehen ; nur mit übermenſchlicher Gewalt hielt er ſich
Ernſt ſagte er und ſeine Stimme zitterte dabei vor
rreauna.
Ic tomme Abjchied zu nehmen, Fräulein Helene; ich
_ muß fort, nach der Keftdenz.“ — .
Sie erwiderte kein Wort, Immer tiefer ſenkte ſich ihr
ihr Seficht ihm ganz verbarg,
Betroffen blickte er auf fie; ſie Hatte noch nicht mit iOm
gefhrochen, nicht einmal jeinen ©ruß erwidert, Da ge-
wahrte er, mie ihre Beuſt mächtig ſich Hob, wie {ie
vergeblich ankämpfte gegen einen Ausbruch des Schluchzens.
Belene !“ rvief er. „Um Gottes willen, was iit Fhnen ?
‚— Sie weinen?! — Was iſt es, das ſie ſo mächtig er-

—_ GSie barg ibr Heſicht in beiden Händen und wandte
. fich ab, augenjdheinlidh in der Ablicht, ihm zu entfliehen ;
doch mit 4 Hewalt hielt er ſie zuruck/ 30g ihre Hände
_ Jangjam herab, blickte ihr feſt in die Ausen und Mülterte,
_ zärtlih wie eine Mutter : S
; „ägeigen Fie nicht, Belene, Ihre Thränen brechen
mir das Herz
Er zo0g Sie näher an ſich. Willenlos ließ ſie es ge-
ſchehen. Auch ſeinẽ Augen waren feucht geworden, als
er nun leiſe weiter ſprach: * ;
„Weine nicht, Geliebte; ich Fenne die urſache dieſer
Thränen. Was in Dir vorgeht, das beweate auͤch mich
Jjeit dem erfien Zujammentreffen mit Dir dort an jener
Auelle; nur fehlte mir der Nuth, nach dem höchſten Slüc
3u greifen. Deine Thränen aber, mein jüßes Vieb, ent-
waffnen all meine %ernunftgm_nße‚ bejeitigen_alle meine
Bedenken, und ſo fage ich Dir ietzt: ich liebe Dich liebe







; aͤchdruck verboten)






bens, aus dem ein Erretten oft gar nicht möglich iſt.
Wo kein guter Wille herrſcht, kaun auch kein
Friede aufkommen, weder der innere, noch der ſog.
äußere Friede, der ja nur ein Kind des erſteren iſt.
Zwar haben damals alsbald Millionen von Menſchen
jenem Frieden den ung das Ehriftkind vor 1894
Jahren vom Himmel auf die Erde gebracht hat, die
Thüre ihres Herzens geoffnet, zwar verbreitete ſich in
ſchnellem Fluge trotz aller entgegenſtehenden Hinder-
niſſe das neue Licht des Friedens durch die dichten
Urwälder ſchlechter, menſchlicher Leidenſchaften und
ſchlimmer Fehler, aber überell hat das Licht die
Fiuſterniß leider nicht zu ethellen vermocht. Nur
diejenigen, welche guten Willenz ſind, d. h. welche das
Licht willkommen heißen u. feſt entſchloſſen ſind, in
ihrem Herzen den dichten Urwald der Sünden nieder zu
hauen, können theilnehmen an dem göttlichen Frieden
und dem wahren menſchlichen Glücke. Gott iſt nun
zwar allmächtig und bermag die härteſten Herzen mit
ſeiner Gnade zu erweichen ı. zu durchoͤringen, ſelbſt
wenn ſie härter wären wie Kieſelſtein und Diamant,
aber — Goͤlt der Allmächtige kann und thut es doch
nicht, weil er es nicht will! Goͤtt der Allgütige
und Allmächtige haͤt ſich dem Menſchen gegenüber
ſelbſt eine feſte Grenze geſetzt, die er nicht überſchrei-
tet, und das Gebiet innerhalb dieſer Grenze uennen
wir die Freiheit des Willen3! Wir Menſchen
haben einen freien Willen, wir koͤnnen das Gute thun
und laſſen, ganz nach Belieben, Gott der Allmächlige
greift niemals direkt in uuſern Willen ein, er übt
keinen 3wang auf uns aus. Selbſt wenn wir uns
im ſchlimuiſten Aufruhr gegen ihn empören und ihm
die größte Schmach anthun wollten, ſo würde Goͤtt
unſern Willen niemals zwingen, abzulaſſen von
unſerm Vorhaben. Der weltliche Herrſcher, der
Staat, verfolgt dagegen eine ganz andere Proxis;
der Staat ſagt: „und biſt du uicHt willig, ſo braͤuch
ich Gewalt. Anders der Herr und König aller
Stagten und aller Menſchen!
Weil Gott uns unbeſchränkte Freiheit unſeres
Willens gelaſſen hat, ſind wir aber auch in vollem
Umfange verantwortlich für das, was wir wollen und
Lbenſo auch für das, was wir mit Zuſtimmung unſeres
Willens thun. Gott der Allmächlige und Allgütige
ſucht freilich unſeren Willen durch ſauflen, freund-
lichen Zuſpruch ſowohl, wie durch ernſte Drohungen
in die rechten Bahnen zu lenken; und weil es dem
Menſchen häufig fehr ſchwer fällt, das auszuführen,
was er in vollem Ernſte will, leiht ihm Goit auch
ſeine Unterſtützung, er gibt uns Erkenntuiß und eine
Dich ſeit ich DichH zuerft fah, ſeit die Gemwalt
gen, dann die Tiefe Deines Gemiüthz und die Güte Deines
Herzens, Dır holdes, liebes Möädchen, mi Dir gunz zu
eigen gab. Nur Dir gehört mein Herz und meine Liebe —
Dir ganz allein !“ ; ;
Er hatte ſie unter dieſen Worten feſt an feine Bruft
gedrückt und ihHren Kopf zärtlich an feine Schulter gelegt.
— Sie ließ es gefchehen. —
Nun Jag auch Du mir, v Du mich liebit!“ fuhr
er forf und hob zärtlich das thränenfeuchte Geficht zu ſich

ÜT

Eie lädhelte ihn unter Thränen zu — herzig und
innig — und er fonnte durch dieſen Blick bis auf den
Grund ihrer veinen Seele ſchauen: in diefen Uugen, welche
ihr HohHeS, jeliges Gtuck ab[piegelten, Cag auch für_ ihn
die Berheißung einer liebesjeligen Zukunit. Sanit
Ie{gtélgä ihren Arm in den feinen und rief heiter, Über-
alücklich:

„Nun ſo fomm’ zu Deinem Bater !“ —

Bum Bater?! Ltuß er e8 denn auch ſchon gleich
44 44 ſie, während Schamroͤthe iht Geſicht er-
—— mädile 4 —

. GEr füdhlte, wie ihre Hand in der ſeinex zitterte vor
junafraulicher Scheu, das SGehetmnik ihres Herzens fo offen
vor Allen zeigen zu müſſen

Faſt 684 füßte er die reine, fhöne Stirn,
mit unendlicher Wonne und Seceligkeit erfuͤllte ihn die
Liebe des unjduldigen Kindes. - ;

„Der Bater ſoll uns ſeanen, mein Herz, und Dich mir
zur Braut geben; wird er e& thun Helene ?“

„ „Und wenn er es nicht thun wollte und ich Sie dann
nicht w.ederfähe ? . . .“

„Dih wiederfähe !” verbeſſerte Dalberg laͤchelnd

Aber Papa iſt ſo aut zu mir und ich liebe Dich ſo
ſehr !” antwortete fie nun ganz leiſe. *
—.. Er ſchloß ſie in ſeine Arme ſo feſt, ſo alücklich und
ſelig als wollc er ſie nimmer laffen. 7

Marie Achten kam ietzt langfam näher. AUnicheinend
Hatte ſie von dem Vorgang zwijchen den Heiden gat WNichts
geſehen, aber es zuckte jo ſchelmiſchefröhlich um ihre Lip-












gewiſſe höhere vom Himmel kommende Kraft,
wir ſchlichthin „Gngade! zu nennen pflegen. Ab
niemal3 witd uns Goit dieſe Kraft, dieſe Gnabd
dem Boͤſen zu widerſtehen und das Gute anszufügreı

zu Theil werden laſſen, wenn wir fie nicht wirklih
wollen, d. h. wenn wir nicht den guten Willen
haben, den göltlichen Beiſtand anzunehmen.
VWohlthaten drängt man keinem auf!‘ Das iſt
ein altes, ſhon im grauen Heidenthum bekannt es und



















































e8 täglid) ſo Wann Jemand uuſern mwmohlgemeinter
Rath, wufere gern dargebotene Hülfe nicht entgegen
chmen will, uns Fielleicht noch obendrein velei
dır 8 Geſicht hinein verhöhnt, dann überlaffen
wir ih? troſt ſeinem Schickſale. Wir ſagen einfach
„Wem nicht zu rathen iſt, dem iſt auch nicht zu he
fen.“ Nur demjenigen, von dem man annimmt, daß
ſeine Willens oder Seelenthätigleit erkrantt iſt, e
zeigt man ohue Rückſicht auf ſeinen Willen weni
ſtens leihliche Werke der Barmbherzigleit. Gott
drängt oder zwingt uns ſeine Wohlthaten ebenfalls
nicht auf, darum verheißen die Engel auf Bethle-
hems Fluren auch nur denjenigen Menſchen den Frie-
den, welche guten Willens ſind. ; *
Daß aber wirklich viele, ſehr viele Menſchen, die
von Gott ihnen dargereichte Hülfe trotzig zurücweifen,
ſehen wir wenn wir nur eine kleine Kundſchau über
unſere nähere und entferntere Umgebung werfen, ſehen
wir im privaten, wie im Leben der Staaten und
ölker, die in wildem Hader, in tiefgehender Zwie-
tracht einander gegenüher ſtehen, gegenſeitig auf ſich
losſtürzen und ſich zerfleiſchen, — gewöhnlich nennen
wir dieſen Zuftand „Krieg“. Doch fort mit folchen
häßlichen Bildern, heute anı Feſte des heiligen Frie-
ben8, heute, wo wir ſo recht lebendig wiedẽr fühlen,
daß der waͤhre Friede das größte Glückdes
Menſchen iſt. Darum wünſchen auch wir zum heu-
tigen Weihnachtefeſte allen Menſchen und zunaͤchft

*

hems Fluren als ſchoͤnſte Gabe des Chriſtlindchens den
Frieden!



Berlin, 21. Dez.

— In evangeliſchen Miſſiongkreiſen hat die That-
lache eine gewiſſe Bennruhigung hervorgerufen, daß
der kath. Miſſionageſellſchaff der Oblaten zu Valten!
burg in Holland die Erlaubniß ertheilt woͤrden ift,
zum Zwecke der Ausbildung deutſcher Miſſionaͤre für
die Heidenmiſſion, namentlich in Deutſch⸗Südweſtafrila
Yie eine Zeugin der eben verlebten ſeligen Minuten gehab
herzlich: *
„Sränlein Marie, Sie werden jetzt einen großen The
Ihter Freundſchaft für Helene an mich abtreten müffen
denn meine kleine, liebe Braut hat mir ihr Herz geichentt
wir wollen un$ aber Beide Ihre Freundſchaͤft für’S ganz
Leben ſichern *

„O, i bin Ihre Freundin ſchon längit, Herr Gra
rief Norie Heiter. „Wie koͤnnte ich auch *

Helene ja fo ſehr liebe ?" _ *
_ DHelene ſchlang ihren Arm um den Hals der Freundi
und 44 * 5 8 lacklih in ic
Er liebt mich! Wie glücklich bin ich, bei 3
8 — g *
ie gingen nun zuſammen hinauf zum loß
beiden FJreundinnen Wrm in Arm, beä @tafcb *
* Seite. Alles Andere hatte er vergeffen ob feine
— — ; ; ;

„ bin fo olüclich, Bapa !“ rief fie. „Set gut, -
bitte Dich darum !“ — —
Aber, Kind, was iſts mit Dir? fragte beftür:
Herr ven WittenhHoff, waͤhrend ſein Blick — 8
Graf Dalberg gerichtet war.
Verx Baron,“ ſagte dieſer, „ich liebe Helene vo
ganzem Herzen und e liebt auch mich; wollen {Sie mi
Das ©füc iürer Tochter anvertrauen, ſo ſol mir Ddeffe
höchſte Ziel, fie felbſt mir daz Theuerſt

auf Erden fein!“
Seſtaunt blickte der Freiherr bald auf den junge

Orajen, hald auf ſeine Tochter ; nach kurzer — 8

er zu Helene:

_ „Woer, mein ſiehes Kind, was ſind das für Sachen?

Kaum aus dem Klofter heraus, haft Du {hon Dein Herz

verſchenkt?! — Und Sie, Herr Graf — Sie wolen mir _
 
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