Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land (29) — 1894

DOI Kapitel:
Nr. 231 - Nr. 240 (11. Oktober - 21. Oktober)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.44153#0953

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext







ſcheint täglidh mit Ausnahme der Sonn: u. Feiertage
reiS vierteljährlich ME 1.20 — u. Bolt-
uffolag. . Beitellungen bei den Boltanitalten u bei der
/ xpedition Zmwingeritraße 7



als wochenti.





Luzeige⸗Blatt fir die Amtsbezirke Seidelberg,
Cberhach, Sinsheim, Cppingen, Weinheim, Shwei *
gen, Wiesloch, Bruchjal, Bretten, Mozbach, Buchen.
Tauberbiichofsheim, Walldürn2e. .







_ Redakteur: Yof, Cremerius, Hauptiir. 121, Geidelberg.

Verlag Febr. Huber, veidelb —



E



29. Inr








. Deutfclands giegeslauf im Welthandel.
Vor einigen Tagen war in dieſem Blatte, wie
n faftallen Blätter zu leſen, daß die Holtenauer Schleuſe
am Nordoͤſtſee Kanal mit großer Feierlichkeit eröffnet,
, h. daß ihre Fertigſtellung gefeiert ſei. Der Nord-
jee-Ranal iff eines der Rieſenwerle der Neuzeit,
welches ſich den ſonſtigen großartigen Uuternehmungen,
en modernen Weltwündern, kühn zur Seite ſtellen
ann! . Noch einige Jahre und das gkoße Werk, wo-
an ſchoͤn faſt 7 Jahre gearheitet wird, iſ fertig und
in Theil von Schleswig-Holjtein ſowie das König-
eich Dänemarf find nicht mehr mit dem europäifchen
Jeſttande unmittelbar verbunden, ſie find zur Juͤfel
geworden. Dadurch iſt aber auch die Nordſee mit






der Oftjee eng vereint, Schiffe aller Art, ſogar
Kriegeſchiffe können durch den Kanal auf dem lür-
zeſten Wege aus dem einen Weere in daz, andere
jahren. Bon ungemein hoͤher Bedentang iſt aber
dieſer Kanal für den Handel Deutſchlande, der in }
den leßten Jaͤhrzehuten bereits die Bedeutung eines
Welthaͤndels erlangt hat und bei weiteren FortjHritten
in der biaherigen Weiſe ſchließlich ſogar das Haudels-
_ möchtige Engtand überflügeln wird England war ,
ſeit Jaͤhrhunderten die Königin der Meere, denn nicht
allein jeine Kriegsſchiffe, ſondern vor allem die eng« !
liſchen Handelsfchiffe durchkreuzten den Ozean, 1.ad)
allen Richtungen in großer Anzahl, hinter welcher alle
andern Völfer, am meilten aber die Deutſcheü weit
zurückblieben. *4
Es iſt war, Deutſchlands Wacht und ſein Au-
ſehen war durch den 30jährigen Krieg gänzlich ver-
nichiet der fiebenjährige Krieg hat zwar Preußen
großen Kriegstuhm uud ein gutes Stück Laud ver-
hafft, aber er hat quch den allgemeinen deutſchen
WohHljan d Deutſchlaͤnds tief untexgraber, und
was noch uͤbrig geblieben war, haben die franzöſiſchen
Lriege zu Anfang dieſes Jahrhunderts mit eiſerner
Kuthe hinweggefegt. Deutſchland war ein Null ge-
worden im Rathe der Völler und von einem edlen
Wetlſtreit auf dem friedlichen Gebiete des Handels u.
des aͤllgemeinen Wohlſtandes konnte Jahrzehnte lang
keine Rede mehr ſein.





Das alles iſt eine traurige Thathſache, jedoch
ebenfo wahr, — aber leider vielfach ganz vergefjen
— iſt, daß Deutſchland vor vielen hundert Jahren,
und zivar im „finftern Mittelalter“ gerade auf den
Gebiete des Haudels die geachtetſte Siellung in der
ganzen Welt innehatte, daß die Deutſchen das
er{te Haͤndelsvolk waren. Deshalb iſt es ſehr zeit-
— fy—G —
$ Gaͤchdruck verboten)

Das Wrack des Piraten,

; Erzählung von Friedr. Gerſtäcker.
Sennora Foftero, ja ſelbſt die übrigen Caſte fahen ihn
bei dem vertraulichen tia mia groß an — Die alte dame
war nicht gewohnt, das von einem Fremden {o tajd) zu
hören, dieſer aber fuhr, vhne im mindeſten darauf zu achten,
und nur dem zu ihm tretenden Möädhen die angebrochene
Knd nicht für gut gefundene Flafche reihend, fort: „®ar
nicht weit von hier wurden wir von einem nichtSwWÄrdig.
ausjehenden Schiffe verfolat, und ware nicht zufällig ein
größeres Kauffahrteiſchiff, das gerade unjern Cours freuzte
und dem Biraten wahrjcheinlidh eine befjere Beute ſchien
in Sicht gefommen, {o daß er unZ verließ undD dem nad-
jagte, ich alaube jdwerlich, daß ich heute Abend hier in
S&bhrer angenehmen Gejellidhaft zubringen wurde So viel
aljo jür SIhre fpanijhe Seemacht. O danke, “ danke,”
wandte er fich dann zugleidh dem jungen Vaͤdchen zU, daS
ihın mit etibas {hücternen Bliden — denn e fürchtete
die dunklen unheimlichen Augen und des ſchyarze Pfaſter
des Mannes — eine andere Zlaſche auf den Filch {tellte —
„und wenn es Ddiejelbe Flajihe wäre, Marequita, He
müßte unter Deinen füßen Händen ihre Schärfe verloren





3)

— „Sennor ſind der Einzige, der an unſerem Weine

etwas au3sufjeßen findet,“ Dbemerkte aber jeßt mit etwas
bitterem Tone, und trog dem ſchmeichelnden tia mia DeS
SFrembden, die alte Dame, die der Tadel der Iegten Flajche

nicht wenig geärgert Hatte, da er noch Dazu J0 laut und

beitimmt vor allen ihren gewöhnliden Gäiten ausgefprocdhen
* * * beziehen ihn aus beſter Quelle und zu höch-

en Preijen.“ ; ;
Kein Zweifel, Tantchen. tein Zweifel,“ fagte aber der
nicht aus der Faffung zu bringende Zremde, indem er die
neue Slafche, wie e8 fchien, wohlgefällig Foftete — „ein

gchtecbter Kork verdirbt mandmal den beſten Wein, wie ein

„Sie find von einem Piraten verfolgt?“ miſchte i

geinäß, einen Rückblick in jene Vergangeuheit zu
werfen. 2 — A

Sa es hat eine Zeit gegeben, wo der deutſche
Handel die Welt beherrſchte, und wo nur Venedigs
Macht neben dem alten dentſchen Kaufmannsbunde,
Hanfa, genannt wurde. Auf dem Höhepunkte
des Mittelalters trat jener eigenartige Bund hervor,
der es ſich zur Aufgabe geſtellt haite, den Handel
zu ſchützen uͤnd ihm neue Abſatzgebiete zu eroͤffnen.
Aus der Handelsgemeinſchaft entwickelte ſich eine ge-
waltige politiſche Macht, die imſtande war, Kriege zu
führen und ihren Einfluß über die ganze mittelalter-
liche Welt auszudehnen. Nicht nur die Seeſtädte des
Noͤrdens, allen voͤran Bremen, Hamburg, Lübeck,
Danzig, Roſtock, ſondern ſelbſt Staͤdte des deutſchen
Binnenlandes — auch die Kaufmannſchaft Berlins
für eine kurze Zeit — ja ſelbſt außerdeutſche Städte,


Der Deutſche iſt zum


daͤß die trägen Deutſchen erſt von den Juden den
Haͤndel erlernt, gehoͤrt zu den dreiſten Srfindungen
jüdijcher Ueberhebung. Schacher und Handel ſind
zwei ſehr verſchiedenẽ Dinge; um den erſteren brau-
chen wir die unter uns [ebenden orientaliſchen Händ-
ler und Geldkaufleute nicht zu beneiden, der Handel
im großen Sinne iſt aber deütſch Die Hanſa kannte
feine Juden, ebenſowenig wie die übrigen Genoſſen-
ſchaften des Mittelalters. Die Vacht der Hanſa
naͤhm eın Ende im 15. Jahrhundert, dem Zeitalter
der großen Entdeckungen. Afrita wurde umſchifft,
Indien zur See erreicht, Amerila von Spanien aus


nahm$l03. Es ift ein merkwürdiges Bild, dieſes
Erftarren des alten friſchen Handelsgeiſtes des Nor-
denS, dem es leichter geworden wäre, den Handel
der mittelalterlichen Welt zum Welthandel im moder-
nen Sinne hinüberzuleiten als irgend einem anderen
Voͤlke Venedig und Genua lagen dem Oeean fern,
ihr Gerabfinten zu Binnenhandelsſtädten war erklär-
lich. Daß aber Bremen und Hamburg, die Aus-
falisthore Muteleuropas. unthälig bliehen, iſt be-
fremdlich War doch Amerika ſchon ſeit dem Jahre


lebhaften Haͤndelsverkehr mit Nordeuropa getreten, der
ununterbrochen weit über die Zeit der Colombus-
faͤhrlen hinaus gedauert hat. Wußten doch die
Nuͤrdeuroͤpaer ganz genau, daß das Land, zu dem ſie
über die Weſtſee fuhren, nicht Indien ſei, während

{prach, zum erſten Mal in die Unterhaltung, da eS ein
Toema berührte, waz ihn ſelber interejlirte; „in welcher
Gegend ungefähr und wann ?“ :

„a die Gegend kaͤnn ich Ihnen nicht jo genau be-
ſchreiben, Sennor,“ Jagte der Fremde — „ich bin keig See:
mann, und un8 Landleuten fieht eine Stelle im Vaſſer


reijen von hier, und muß wohl noch etwas Jüdlicher gele:
gen jein, als Balparaijo Kegt, denn ich weiß, Daß ich auf
unjerer Herfahrt in den leßfen Tagen .3 ſüdliche Kreuz
immer fonnte hinter ung ſtehen jeben.“ .


bei der hieſigen Regierung ?” jagte der junge
haben gerade jeßt Diele KriegsS\Atife, {omohl englifdhe al
{panijdhe, hier im Hafen, und e& wäre ſchon der Mühe
bwerth/ einen Kreuzer danadh auszujchiden.”

_ „Dat alfo der Böje wieder einen ſolchen Teufel von
Biraten unter Segel ?” rief der eine alte Capitän; „i
glaubte, Jeit {te dem Tenaͤres mit ſeiner Bande den Garaus


wenigitenZ einmal auf ein halb Dutzend Jahre zum
Schweigen gebracht.“ *

_ „a der Tenares joll ein wilder Burfche _ gewefen
jein,“ jagte Dder Fremde, ſein Glas auf einen Zug
Ieegenb;?„metd;e Schiffe waren e& doch, die ihn damals
nahmen?

„Der San Antonio und der Pendenciero,” erwiderte
der Engländer. _ } — —

„Wohl die Schiffe, die ietzt hier im Hafen liegen,“
frug der Fremde dagegen. — — 7
— „Nein,“ fagte der alte Capitän, „der San Antonto
iſt naͤch Spanien gefegelt. und der Pendenciero kreuzt an
der beruaniſchen Kiülte.“ ; ( *

„om,“ murmelte der Fremde und nicte wie nach
denfend mit dem Kopfe — „doh was ich gleich fagen
wollte — ja — wie hieß doch der Kaufmann, der/ als das

_ Biratenjchiff damals hier_ eingebracht murde, es von der
“ Regierung, ich giauhe auf AYuction eritand — War . eS
niht Don Rablo Manuto — eS iſt mir wenigjtens {0.”



chlechler Wein den beſten Mann.”
der junge Engländer, der übrigenz vollkommen ſpaniſch



Columbus, der eben nicht der Entdecker Amerita
iſt, in dieſem Irrthum geſtorben iſt. — —
Wenn trotzdem die Hanfeaten die Verbindung mit
dem weſtlichen Feſtlande nicht in der Weiſe aus-
nutzten, wie e& die Spanier ihaten, ſo liegt es daran,
daß die Hanſeaten ſich geſättigt fuͤhlten. Die unge-
heuͤren Reichthümer über die fie geboten, verſchloſſen
ihnen den Biick über das weite Feld, das die ſi
ländiſchen Seefahrer, Portugieſen und Spanier eröff-
neten. Und als den deutſchen Kaufleuten die Augen
darüber aufgingen, war es zu ſpät Die Jahrhunderte
politiſcher Zerriſſenheit, die nun folgten, machten ein
Aufraffen unmöglıch, und den Reſt überſeeiſcher Be-
deutung nahm der dreißigjährige Krieg mit. Nur
derjenige deutſche Stamm, der von den Wogen des
dreißiglährigen Krieges derſchont geblieben war, der
niederlaͤndiſche, ſchwang ſich zu einer mächtigen Höhe
auf, gerade in den Jahren, wo Deutſchland im
dreißigjährigen Kriege verblutete. Holland3 höchſte
Blüthe iſt das 17. Fahrhundert, aber die Macht, die
es dämals erwarb, wirkt auch heute noch weiter! Um
eine neue Zeit vorzubereiten, mußte erſt das politiſche
Elend in Beutſchland beſeiiigt werden; denn Welt-
handel kann nur da gedeihen, wo politiſche Macht iſt.
Der große Kurfürſt war der einzige große Geiſt ſeiner
Zeit, der ſich ein klares Ziel ſtellte und die rechten
Mittel wählte: Militärmacht und Flotte. Das große
Werk hat zwei Jahrhunderte zur Ausführung gebraucht,
und es bedurfte noch zweier großen Geiſter mit je
einem Jahrhundert Zwiſchenraum, um die Gedanken
des Großen Kurfürſten durchzuführen: Friedrich der
Große und Kaiſer Wilhelm haben es vollendet. Die
volitiſchen Vorbedingungen für eine Entwickelung
Deulſchlands als Weltmacht waren jetzt gegeben.
Die jebteingetretene Entwickelung iſt nicht zu ſchnell
aber ſtetig forlgeſchritten, ohne unbeſonnene Ueber.
ſtürzung. Durch die Eröffnung des Suezkanals hat
der Welthandel eine etwas veränderte Geſtalt ange-
nommen, der Weg geht wieder ſtark durch das Mit-
telmeer, und Trieft wird eine immer größere Wichtig»
keit für Deutſchlaud bekommen. Ungleich gewaltiger
würde der Ümſchwung in den Verkehrawegen aber
werden, wenn der Paͤnama⸗Kanal wirklich aufgebau
würde. * —
Was unſere heimiſchen Verhaͤltniſſe betrifft, ſo
rafft der deutſche Handelsſtand ſich za kraftoollen
Schaffen auf. Nicht alle Rheder freilich haben einen
größeren Geſichtspunkt gewonnen, ihre Zahl, vorau
Lüderitz und Wörmann, iſt vielmehr noch klein und
wird von vielen ſcheel angeſehen. Aber der Stein




























Neue zu füllen, und hielt, ſeinen Nachbar, den alten
. Capitän Ddabei anfehend, Dden Hals derfelben noch feſt auf
dem Caſe ruhend. — — *
— „Sa, Don Bablo,“ erwiderte dieſer und füllte fich jein
Gia8 ebenfals — o hieß weniaſtens der vorige Käufer
des Reconocido.” ; —*—
Der vorige Käufer !“ xief der Frende und der Wein
ſchoß ihm wie ein farmlicher Strahl über da Olas
hHinüber und auf den Tijh, ehe er ſich ſo weit Jammeln
fonnte, die Flafjhe ral emporzuheben. Er hielt e
dann gegen das SLiht, füllte fein Glas und trank es
wieder leer. ; ) ;
„Hoho!“ rief der junge Offisier und fah
an — „&r ſcheint Interejfje an dem Fahrzeuz zu nehmen ;
haͤttet Ihr Abſichten darauf?? * —
„Hm !“ erwiederte der Fremde aber volllommen runes
und ſtrich ſich mit der Minfen Hand den Wein aus den
Barte, den Schnurrbart nad rehtis und links mit den
dritten Finger von der Oberlippe zurücjhiebend — „iY —
Hätte audy wohl Urfache Interejje an dem Fahrzeug zU —
nehmen, Ddenn i bin näher mit iOm zufammen gewejen,
als ich je hoffe mit einein feines Gelichters wieder zujam: —
men zu fommen — aber mein Sritaunen galt nicht dem .
Kahrzeug, iondern dem Manne, von dem wir {praden,
_ und e3 war mir fajt, als ob das vorige den ZodD des —
alten Herın bezeichnen ſollte, was ich aber doch nidt
hoffen wil.” 2
Allerdinas, fagte der Capitän, „Don Pablo Munuto
demjelben Abend, nachdem e —
den Kauf des Schiffes abgeſchſoſſen Seine Mermögensvers
Haltnifje fanden ſich aber naͤch jeinem Tode in Joldh” miß- —
fihen Umftänden, daß er für zahlungsunfähtg erflärt und
das Schiff, nachdem esS ſich eine Zeit Tang ohnz Aufficht
in der Bai Herumgetrieben und arg befhädigt worden
war — zum zweiten Mal verkauft und ducch mih,” eı —
machte dabei eine leichte Verbengung gegen den Fremden
— „erftanden wurde. Doch das iſt eine lange Geſchichte.
Senor, und da e3 Ichon ziemlicdh jpät ift, dent ih, WirdS —



ihn —






Foͤhi BZeit zum Aulblechen jein — ih muß morgen —


 
Annotationen