xicheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ u. Feiertage
ı 92675 vierteljährlich k. 1.20 ohne Trägerlohn u. Poſt-
aufſchlag. Beſtellungen bei den Poſtanſtalten u. bei der
Expedition Zwingerſtraße 7.
Anzeige- Blatt für die Amtsbezirte Heidelberg
Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Wengen, Schwe in
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen
Tauberbiſchofsheim, Walldürn ze.
N. l.
Heidelberg, Sonntag, den 13. Januar 1595
Druck u, Berlag Sebr. e d .
s Bie Abſetzbarkeit des Königs und
' Tandesfürften !
Daß Anarchiſten und Sozialdemokraten den Um-
ſturz predigen, iſt nicht zu verwundern; dazu ſind ſie
ja da! Man will ſie deshalb aber auch durch ein
beſonderes Geſetz politiſch to det machen. Beide Um-
ſturzparteien wollen von Königen und Fürſten als
Regierern des Volkes nichts wiſſen, ſie halten das
Königthum, die monarchiſche Regierungsweiſe für einen
Fehler und ſtimmen deßhalb auch nicht in ein Hoch
mit ein, welches bei irgend einer Gelegenheit z. B.
im Reichstage, auf ein gekröntes Haupt ausgebracht
wird. Jedermann weiß, welche Entrüſtung das neu-
liche Sitzenbleiben der Sozialdemokraten im Reichstage
beim Hoch auf den Kaiſer hervorgerufen hat. Beſon-
ders die proteſtantiſchen Conſervativen und die Libe-
ralen gebärdeten ſich wie wahre Racheengel ob ſolcher
Verachtung des Königsthums und hätten am liebſten
alle Sitzengebliebenen in des Kerkers tiefſter Finſterniß
an Ketten ſchmieden laſſen.
; Daß wir als aufrichtige Freunde und Anhänger
des Königthums von Gottes Gnaden unſerm Landes-
fürſten um des Gewiſſens wegen ergeben u. gehor-
erkennen, bedarf eigentlich keiner Erwähnung. Das
haben wir aus unſerm katholiſchen Katechismus ge-
lernt. Dieſer ſowohl wie alle päpſtlichen Kundgeb-
ungen befehlen jedoch die Achtung und den Gehorſam
gegen jeden rechtmäßigen Landesherrn, einerlei, wel-
cher Confeſſion er angehört. Die Confeſſion hat da-
mit ſelbſtredend gar nichts zu thun. Anders denkt
ein gewiſſer Albrecht Thoma, ein höherer Beamter
im Großherzogthum Baden, Verfaſſer eines die Ka-
tholiken ſchmähenden ſog. Guſtav⸗Adolf⸗Feſtſpieles
ſowie eines Büchleins, welches das Leben Guſtav
Adolfs „für das deutſche Volk“ darſtellt. Dieſes
Büchlein ſoll ſogar, wie unbeſtritten behauptet worden
iſt, im beſonderen Auftrage des badiſchen Landesfürſten
an die proteſtantiſchen Schüler (Confirmanden) ver-
theilt worden ſein. Wir zweifeln aber, daß der Groß-
herzog daſſelbe vorher durchgeleſen hat, denn ſonſt
würde er nicht geduldet haben, daß Schulkinder und
überhaupt ſeine Unterthanen ein ſolches Schriftchen
geſchenkt bekämen, in welchem an der Grundlage des
Königthums geradezu gerüttelt wird und ausgeſprochen
iſt, daß — nur einem evangeliſchen Könige
Anerkennung, Achtung und Gehorſam gezollt zu wer-
den brauche. Doch hören wir etwas genauer, wie
F— — ct
Nachdruck verboten.)
Helene.
Erzählung von Th. Küſt er.
. Vater und Tochter ward des Grafen Namen
nicht mehr in Erwähnung gethan. Sie waren Beide voll
der zarteſten Aufmerkſamkeit gegen einander, er ſanft und
liebevoll zu Helene, denn der Vater ehrte und achtete den
Schmerz der Tochter und Helene war ihm dankbar für
ſeine Milde und Güte. 8
Auch ich habe gelitten, mein Kind, glaub' es mir
nur! ſagte der Freiherr eines Abends zu ihr; „auch ich
bin durch Falſchheit ſchmählich betrogen worden und mein
Lehensglück wurde dadurch vernichtet. — Doch Du biſt
noch zu jung, als daß ich Dir das ausführlich mittheilen
könnte; ſpäter, wenn Du Welt und Menſchen beſſer kennſt,
will ich Dir einmal meine Schickſale erzählen.“ —
„Ich mag die Welt gar nicht kennen lernen, Papa, ich
will allein mit Dir ſein und bleiben,“ entgegnete Helene
traurig. „O hätte ich doch nie mein ſtilles, friedliches
Kloſter verlaſſen müſſen!“
Bei dieſem ihr plötzlich kommenden Gedanken zuckte es
leidenſchaftlich⸗verlangend in ihr auf und von dieſem Augen-
blick an begann ſie ſich zurückzuſehnen nach dem Kloſter
der Urſulinerinnen in A, wo es ſo ſtill und unangefochten
von der äußern Welt ſich leben ließ. Ein wichtiges Ver-
langen zog ſie hin nach dem Aſyl der frommen Schweſtern,
wo ſie ſo glücklich geweſen war. Immer mehr machte ſie
lich mit dem Gedanken vertraut, in Kloſter zurückzukehren,
der heilige Friede dort war ja 15 verführeriſch gerade für
ihren Seelenzuſtand, und was ſollte ſie in der Welt noch,
da ihr Herz von einer Liebe erfüllt war, welthe voraus-
ichtlich doch nicht befriedigt werden konnte; — Nur
enn ſie an ihren Vater dachte, ward es ihr ſchwer um's
Herz; doch ſie war ja auch jetzt meißt für ſich und konnte
ihm doch keine Freude mehr bereiten bei ihrer ſtillen, na-
genden Traurigkeit. Er war ja gewöhnt, ohne ſie zu
und würde ſich auch wohl bald in die neue Einſam-
finden. — ;
Eines Tages, als der Vater ſich vergeblich abgemüht
hatte, ſie aufzuheltern, ſagte Helene zu e 15 5
37)
—
ſein,
keit
eee
Thoma ſeine neumodiſche, der anarchiſtiſchen Lehre
ſehr ähnliche Weisheit zuſammengebacken hat.
Im erſten Hauptſtücke erzählt Thoma, wie die
Schweden ihren rechtmäßigen regierenden König
Sigismund um die ſchwediſche Krone brachten, weil
er — katholiſch war, nachdem ſie zuerſt, ſelbſt-
er ſolle ſeinen Sohn Wladislaw in
Schweden evangeliſch erziehen laſſen, wenn
nicht er und ſein Stamm auf ewig der ſchwe-
diſchen Krone verluſtig gehen wolle. Als Sigismund
dieſe underſchämte Forderung nicht erfüllte, „da,“ ſo
leſen wir bei Thoma, „kündigte der ſchwedi-
ſche Reichstag dem Polenkönig“, d. h. dem recht-
mäßigen König Sigismund von Schweden u. Polen,
den Gehorſam .. und ernannte den Herzog
Karl“, feinen Oheim, „zum regierenden Erbfürſten u.
als Sigismund ſich nicht fügte, ſo wurde
Karl zu der Schweden, Gothen und Wenden auser-
wählten König und Erbfürſt“ ernannt (1604).
„So“, fährt Thoma fort, ͥ „haben die Schwe-
den einen König abgeſchüttelt, welcher die
Religion u. die Freiheit ſeines Vater-
landes unterdrückte .. ſie wollten
keinen König, der in ſeine m Gewiſſen
der Macht und dem Willen des Papſtes
unterworfen ſei; der ſollte ihr rechter Erb-
könig ſein, der Religion und Freiheit dem Reiche er-
halte.“ (S. 12.) .
Sehr deutlich geſprochen, nicht wahr verehrliche
Leſer? Da ſteht es ſchwarz auf weiß, und zwar in
einer Verbindung, welche die innere Herzensfreude
ihren König von Gottes Gnaden abgeſetzt haben,
weil er katholiſch war. Seit wann hat denn das
Volk das Recht, ſeinen König abzuſetzen? Ein ſolches
Recht ſteht in keinem Staate dem Volke zu; deshalb
neunen ſich auch heute noch die Könige: „von Gottes
Gnaden“, ſonſt hätten ſie ja ihr Amt aus den Hän-
den des Volkes erhalten, ſie wären von „Volkes Gna-
den“. Das iſt ja gerade die Eigenthümlichkeit und
ein Vorrecht des Königthums, daß der rechtmäßige
Fürſt nicht abgeſetzt werden kann, beſonders aber
deshalb nicht, weil er eine Koufeſſion hat, die einem
Theile ſeiner Unterthanen nicht gefällt. Was ſoll man
gerade in Baden dazu ſagen, deſſen Einwohner der
Mehrzahe nach katholiſch ſind, während der Lan-
desfürſt proteſtantiſch iſt?
Wer den Grundſatz der Abſetzbarkeit des Landes-
fürſten vertheidigt, der ſtellt ſich wenigſtens in dieſem
„Ich kann nicht mehr froh werden, Papa; ich ſehne
mich nur nach Ruhe und Frieden und es kann nirgends
friedlicher ſein als in meinem alten Kloſter Laß mich dort-
hin zurückkehren, es kann Dir doch nur ſchmerzlich ſein,
mich immerfort ſo unglücklich zu ſehen wie ich bin; laß
mich den Frieden finden, deſſen ich ſo nöthig bedarf, denn
die Welt hat keinen Reiz mehr für mich und ich will ihr
gern entſagen.“ — 5
Herr von Wittenhoff blickte beſtürzt auf ſeine Tochter.
Er ſah das ſchöne bleiche Geſicht ſo todesmüde und traurig
und ein unendliches Mitleid mit Helene 1950 ihn. Nach
dem erſten Schreck über ihren Entſchluß jedoch mußte er
ſich ſelbſt ſagen, daß ihre Wahl die richtige ei, daß ſie
im Treiben der Welt i
j den ihr ſo nöthigen Frieden nie
finden werde und einſam
ıam auf dem Schloſſe hier ihr Leben
vertrauern 10 fe bis einſt der ſeinem Stamme feindlich
geſinnte Erbe ſie daraus vertreiben würde, wenn er —
der Vater — nicht mehr da ſei, um ſie zu ſchützen. —
Allein dann, der Falſchheit der Menſchen preisgegeben
würde ſein geliebtes Kind ſein! — Er ſah ein, daß das
Kloſter wirklich eine Wohlthat für ſie ſei, denn dort
wußte er ſie zufrieden, getröſtet und geborgen. — 125
Allerdings war ſie noch fehr jung und hatte noch viel
finden auf irdiſches Glück; doch würde ſie es jemals
nden? —
Thue wie Du willſt, mein Kind,“ ſagte er nach einer
Pauſe der ee ſeufzend. „Bereite Dir Deine Zu-
kunft, wie ſie Deiner Neigung, Deinen Wünſchen entſpricht
ich will mich fügen. Kehre erſt noch einmal verſuchs-
weiſe nach dem Kloſter . prüfe und berathſchlage Dich
mit der hochwürdigen Mutter; ie wird
ie kennt Dich,
wiſſen, was für Dein Wohl am beſten ift; vielleicht kehrſt
eder zu mir zurück und biſt
.
Du dann nach einiger Zeit wi
„Ich danke Dir, lieber, guter Papa, daß Du mich in
meinem Vorhaben nicht hindern willſt; Du biſt ſo gut und
es betrübt mich ſo, Dir einen für Dich ſo traurigen Vor-
lag machen zu müſſen, doch meine Herzensfreude iſt vor-
145 erwiderte weich unter Thränen 25 indem ſie des
Vorbilde der Schweden keine Treue zu leiſten brauch-
Die Schweden
Gerade als
oder Jockey
Volkes ſich luſtig
macht und den man einfach abſchütteln könne, wie der
wenn ſie ihn beißen! Die
Sätze ſich einprägen, werden,
welche ſie demnächſt zu tragen
haben, etwas drückend werden, alles kurzer Hand von
ſich abſchütteln; denn der gewöhnliche Alltagsmenſch
wird gar nicht einſehen, weshalb er nach Thoma'ſchem
Recepte nur einem ſolchen „König, der in ſeinem Ge-
wiſſen der Macht und dem Willen des Papſtes unter-
worfen iſt“, nicht zu dienen braucht, da doch die
religibſe Anſchauung einen König nicht hindert,
ſein Land recht gut zu verwalten. Der Alltagsmenſch
wird ſich vielmehr ſagen, wenn ich einen König nicht
anerkennen brauche der eine andere Confeſſion hat,
und ihn abſetzen darf, dann brauche ich ſicher auch
einem Könige nicht zu dienen, ſondern kann ihn von
mir abſchütteln, welcher mir ſchwere Laſten auferlegt u.
fordert, daß ich ſogar meine Geſundheit, mein Leben als
Soldat in Friedens⸗ wie in Kriegszeiten ihm opfern ſoll.
Da ſind wir Katholiken denn doch beſſere Men-
ſchen gegenüber dem Landesfürſten. Ein Katholik,
der ſeine Religion noch hochhält, kann und wird nie-
mals einen Königsverrath, den offenen Bruch der
Treue, mit ſolch jubelnden Wendungen begleiten, wie
Thoma es gegenüber dem Verrathe der Schweden an ihrem
eigenen Könige gethan hat. Wir haben kath. Staaten, d. h.
Staaten, deren Bevölkerung der Mehrheit nach kathol.
iſt und ſolche Staateu, deren Einwohner meiſt Prote-
ſtanten ſind, die aber dennoch einen katholiſchen
Fürſten haben. Zu letztern Staaten gehört auch das
Königreich Sachſen und jedenfalls wird in nicht zu
ferner Zeit auch Württemberg einen katholichen König
haben. Katholiſch denken und handeln nennt Thoma
hochtrabender Weiſe: im Gewiſſen der Macht und
dem Willen des Papſtes unterworfen ſein. .
Nun wiſſen wir aber ganz genau, wie weit die
Macht des Papſtes über das Gewiſſen reicht, der
katholiſche Katechismus belehrt uns darüber. Mehr
verlangt der Papſt nicht von uns als daß wir die
Grundſätze des Glaubens hochhalten und darnach
D ME
Am andern Morgen ſagte Helene zu Frau Reimers:
„Ich verreiſe, liebe Frau Reimers; ja ich komme viel ⸗
leicht nicht mehr zurück. Sorgen Sie gut für Papa.“
„Gnädiges Fräulein, was ſoll das heißen 7!“ rief die
treue alte Vertraute der Familie. „Sie wollen fort, um
nicht wieder zu kommen?! — Das kann ich ja gar nicht
verſtehen! — Wohin wollen Sie denn reiſen und weiß denn
der gnädigſte Herr darum?“ — 8 85
„Ich gehe wieder dahin, von wo ich vor einem Jahre
gekommen bin, um — dort zu bleiben!“ ſagte ſtill das
junge 1 5 135
% In L Kloſter ?!“ ſchrie wie zum Tode erſchreckt die
Wirthſchafterin. „Sie wollen Nonne werden 2! — O Gott,
mein anädiges Fräulein, ſo jung und ſo ſchön und ſo
reich — nein, das ſollten Sie doch nicht thun! — und
Ihren guten Vater wollen Sie verlaſſen?! — Er iſt
ohnehin ſchon ſo unglücklich und nun wollen Sie, die er
ſo liebt, ſein Leben auch noch ganz einſam machen, nun
oll er auch Sie verlieren?! — O dürfte ich Ihnen von
Eben Unglück erzählen, Sie würden nicht von ihm
gehen! — 1 1
Mein Vater billigt meine Abſicht, liebe Reimers, und
glauben Sie mir: es iſt das beſte für mich, denn dort erſt
werde ich die Ruhe wiederfinden, die ich 90 75 verloren habe.
Bedauern Sie mich nicht, ich werde dort ganz glück-
155 fein — ſo glücklich, wie ich überhaupt noch werden
enn! — 3
„Und der Herr Graf, gnädiges Fräulein, wenn er das
hört, was wird er ſagen? — Daß Sie durch ſeine Schuld
in 8 Kloſter gedrängt wurden! — Ich weiß es nicht, aus
welchen Gründen die Verlobung aufgehoben wurde, es
geht mich ja auch Nichts an: aber das kann ich Ihnen
ſagen der Herr Graf iſt ein ſehr braver Mann — ich
7 9 5 mich auf Menſchen. Und wie ſehr hat er Sie
geliebt?!“ — ; ; }
Helene ergriff die Hand der alten Dame, welche ihr
fo ganz aus dem Herzen ſprach, und erwiderte erregt wit
Thränen in den Augen: . } ; 15
Herzen, meine gute Frau Rei ⸗
„Ich danke Ihnen von
mers! — Za, er iſt gut, auch ich glande daß, und wenn
ı 92675 vierteljährlich k. 1.20 ohne Trägerlohn u. Poſt-
aufſchlag. Beſtellungen bei den Poſtanſtalten u. bei der
Expedition Zwingerſtraße 7.
Anzeige- Blatt für die Amtsbezirte Heidelberg
Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Wengen, Schwe in
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen
Tauberbiſchofsheim, Walldürn ze.
N. l.
Heidelberg, Sonntag, den 13. Januar 1595
Druck u, Berlag Sebr. e d .
s Bie Abſetzbarkeit des Königs und
' Tandesfürften !
Daß Anarchiſten und Sozialdemokraten den Um-
ſturz predigen, iſt nicht zu verwundern; dazu ſind ſie
ja da! Man will ſie deshalb aber auch durch ein
beſonderes Geſetz politiſch to det machen. Beide Um-
ſturzparteien wollen von Königen und Fürſten als
Regierern des Volkes nichts wiſſen, ſie halten das
Königthum, die monarchiſche Regierungsweiſe für einen
Fehler und ſtimmen deßhalb auch nicht in ein Hoch
mit ein, welches bei irgend einer Gelegenheit z. B.
im Reichstage, auf ein gekröntes Haupt ausgebracht
wird. Jedermann weiß, welche Entrüſtung das neu-
liche Sitzenbleiben der Sozialdemokraten im Reichstage
beim Hoch auf den Kaiſer hervorgerufen hat. Beſon-
ders die proteſtantiſchen Conſervativen und die Libe-
ralen gebärdeten ſich wie wahre Racheengel ob ſolcher
Verachtung des Königsthums und hätten am liebſten
alle Sitzengebliebenen in des Kerkers tiefſter Finſterniß
an Ketten ſchmieden laſſen.
; Daß wir als aufrichtige Freunde und Anhänger
des Königthums von Gottes Gnaden unſerm Landes-
fürſten um des Gewiſſens wegen ergeben u. gehor-
erkennen, bedarf eigentlich keiner Erwähnung. Das
haben wir aus unſerm katholiſchen Katechismus ge-
lernt. Dieſer ſowohl wie alle päpſtlichen Kundgeb-
ungen befehlen jedoch die Achtung und den Gehorſam
gegen jeden rechtmäßigen Landesherrn, einerlei, wel-
cher Confeſſion er angehört. Die Confeſſion hat da-
mit ſelbſtredend gar nichts zu thun. Anders denkt
ein gewiſſer Albrecht Thoma, ein höherer Beamter
im Großherzogthum Baden, Verfaſſer eines die Ka-
tholiken ſchmähenden ſog. Guſtav⸗Adolf⸗Feſtſpieles
ſowie eines Büchleins, welches das Leben Guſtav
Adolfs „für das deutſche Volk“ darſtellt. Dieſes
Büchlein ſoll ſogar, wie unbeſtritten behauptet worden
iſt, im beſonderen Auftrage des badiſchen Landesfürſten
an die proteſtantiſchen Schüler (Confirmanden) ver-
theilt worden ſein. Wir zweifeln aber, daß der Groß-
herzog daſſelbe vorher durchgeleſen hat, denn ſonſt
würde er nicht geduldet haben, daß Schulkinder und
überhaupt ſeine Unterthanen ein ſolches Schriftchen
geſchenkt bekämen, in welchem an der Grundlage des
Königthums geradezu gerüttelt wird und ausgeſprochen
iſt, daß — nur einem evangeliſchen Könige
Anerkennung, Achtung und Gehorſam gezollt zu wer-
den brauche. Doch hören wir etwas genauer, wie
F— — ct
Nachdruck verboten.)
Helene.
Erzählung von Th. Küſt er.
. Vater und Tochter ward des Grafen Namen
nicht mehr in Erwähnung gethan. Sie waren Beide voll
der zarteſten Aufmerkſamkeit gegen einander, er ſanft und
liebevoll zu Helene, denn der Vater ehrte und achtete den
Schmerz der Tochter und Helene war ihm dankbar für
ſeine Milde und Güte. 8
Auch ich habe gelitten, mein Kind, glaub' es mir
nur! ſagte der Freiherr eines Abends zu ihr; „auch ich
bin durch Falſchheit ſchmählich betrogen worden und mein
Lehensglück wurde dadurch vernichtet. — Doch Du biſt
noch zu jung, als daß ich Dir das ausführlich mittheilen
könnte; ſpäter, wenn Du Welt und Menſchen beſſer kennſt,
will ich Dir einmal meine Schickſale erzählen.“ —
„Ich mag die Welt gar nicht kennen lernen, Papa, ich
will allein mit Dir ſein und bleiben,“ entgegnete Helene
traurig. „O hätte ich doch nie mein ſtilles, friedliches
Kloſter verlaſſen müſſen!“
Bei dieſem ihr plötzlich kommenden Gedanken zuckte es
leidenſchaftlich⸗verlangend in ihr auf und von dieſem Augen-
blick an begann ſie ſich zurückzuſehnen nach dem Kloſter
der Urſulinerinnen in A, wo es ſo ſtill und unangefochten
von der äußern Welt ſich leben ließ. Ein wichtiges Ver-
langen zog ſie hin nach dem Aſyl der frommen Schweſtern,
wo ſie ſo glücklich geweſen war. Immer mehr machte ſie
lich mit dem Gedanken vertraut, in Kloſter zurückzukehren,
der heilige Friede dort war ja 15 verführeriſch gerade für
ihren Seelenzuſtand, und was ſollte ſie in der Welt noch,
da ihr Herz von einer Liebe erfüllt war, welthe voraus-
ichtlich doch nicht befriedigt werden konnte; — Nur
enn ſie an ihren Vater dachte, ward es ihr ſchwer um's
Herz; doch ſie war ja auch jetzt meißt für ſich und konnte
ihm doch keine Freude mehr bereiten bei ihrer ſtillen, na-
genden Traurigkeit. Er war ja gewöhnt, ohne ſie zu
und würde ſich auch wohl bald in die neue Einſam-
finden. — ;
Eines Tages, als der Vater ſich vergeblich abgemüht
hatte, ſie aufzuheltern, ſagte Helene zu e 15 5
37)
—
ſein,
keit
eee
Thoma ſeine neumodiſche, der anarchiſtiſchen Lehre
ſehr ähnliche Weisheit zuſammengebacken hat.
Im erſten Hauptſtücke erzählt Thoma, wie die
Schweden ihren rechtmäßigen regierenden König
Sigismund um die ſchwediſche Krone brachten, weil
er — katholiſch war, nachdem ſie zuerſt, ſelbſt-
er ſolle ſeinen Sohn Wladislaw in
Schweden evangeliſch erziehen laſſen, wenn
nicht er und ſein Stamm auf ewig der ſchwe-
diſchen Krone verluſtig gehen wolle. Als Sigismund
dieſe underſchämte Forderung nicht erfüllte, „da,“ ſo
leſen wir bei Thoma, „kündigte der ſchwedi-
ſche Reichstag dem Polenkönig“, d. h. dem recht-
mäßigen König Sigismund von Schweden u. Polen,
den Gehorſam .. und ernannte den Herzog
Karl“, feinen Oheim, „zum regierenden Erbfürſten u.
als Sigismund ſich nicht fügte, ſo wurde
Karl zu der Schweden, Gothen und Wenden auser-
wählten König und Erbfürſt“ ernannt (1604).
„So“, fährt Thoma fort, ͥ „haben die Schwe-
den einen König abgeſchüttelt, welcher die
Religion u. die Freiheit ſeines Vater-
landes unterdrückte .. ſie wollten
keinen König, der in ſeine m Gewiſſen
der Macht und dem Willen des Papſtes
unterworfen ſei; der ſollte ihr rechter Erb-
könig ſein, der Religion und Freiheit dem Reiche er-
halte.“ (S. 12.) .
Sehr deutlich geſprochen, nicht wahr verehrliche
Leſer? Da ſteht es ſchwarz auf weiß, und zwar in
einer Verbindung, welche die innere Herzensfreude
ihren König von Gottes Gnaden abgeſetzt haben,
weil er katholiſch war. Seit wann hat denn das
Volk das Recht, ſeinen König abzuſetzen? Ein ſolches
Recht ſteht in keinem Staate dem Volke zu; deshalb
neunen ſich auch heute noch die Könige: „von Gottes
Gnaden“, ſonſt hätten ſie ja ihr Amt aus den Hän-
den des Volkes erhalten, ſie wären von „Volkes Gna-
den“. Das iſt ja gerade die Eigenthümlichkeit und
ein Vorrecht des Königthums, daß der rechtmäßige
Fürſt nicht abgeſetzt werden kann, beſonders aber
deshalb nicht, weil er eine Koufeſſion hat, die einem
Theile ſeiner Unterthanen nicht gefällt. Was ſoll man
gerade in Baden dazu ſagen, deſſen Einwohner der
Mehrzahe nach katholiſch ſind, während der Lan-
desfürſt proteſtantiſch iſt?
Wer den Grundſatz der Abſetzbarkeit des Landes-
fürſten vertheidigt, der ſtellt ſich wenigſtens in dieſem
„Ich kann nicht mehr froh werden, Papa; ich ſehne
mich nur nach Ruhe und Frieden und es kann nirgends
friedlicher ſein als in meinem alten Kloſter Laß mich dort-
hin zurückkehren, es kann Dir doch nur ſchmerzlich ſein,
mich immerfort ſo unglücklich zu ſehen wie ich bin; laß
mich den Frieden finden, deſſen ich ſo nöthig bedarf, denn
die Welt hat keinen Reiz mehr für mich und ich will ihr
gern entſagen.“ — 5
Herr von Wittenhoff blickte beſtürzt auf ſeine Tochter.
Er ſah das ſchöne bleiche Geſicht ſo todesmüde und traurig
und ein unendliches Mitleid mit Helene 1950 ihn. Nach
dem erſten Schreck über ihren Entſchluß jedoch mußte er
ſich ſelbſt ſagen, daß ihre Wahl die richtige ei, daß ſie
im Treiben der Welt i
j den ihr ſo nöthigen Frieden nie
finden werde und einſam
ıam auf dem Schloſſe hier ihr Leben
vertrauern 10 fe bis einſt der ſeinem Stamme feindlich
geſinnte Erbe ſie daraus vertreiben würde, wenn er —
der Vater — nicht mehr da ſei, um ſie zu ſchützen. —
Allein dann, der Falſchheit der Menſchen preisgegeben
würde ſein geliebtes Kind ſein! — Er ſah ein, daß das
Kloſter wirklich eine Wohlthat für ſie ſei, denn dort
wußte er ſie zufrieden, getröſtet und geborgen. — 125
Allerdings war ſie noch fehr jung und hatte noch viel
finden auf irdiſches Glück; doch würde ſie es jemals
nden? —
Thue wie Du willſt, mein Kind,“ ſagte er nach einer
Pauſe der ee ſeufzend. „Bereite Dir Deine Zu-
kunft, wie ſie Deiner Neigung, Deinen Wünſchen entſpricht
ich will mich fügen. Kehre erſt noch einmal verſuchs-
weiſe nach dem Kloſter . prüfe und berathſchlage Dich
mit der hochwürdigen Mutter; ie wird
ie kennt Dich,
wiſſen, was für Dein Wohl am beſten ift; vielleicht kehrſt
eder zu mir zurück und biſt
.
Du dann nach einiger Zeit wi
„Ich danke Dir, lieber, guter Papa, daß Du mich in
meinem Vorhaben nicht hindern willſt; Du biſt ſo gut und
es betrübt mich ſo, Dir einen für Dich ſo traurigen Vor-
lag machen zu müſſen, doch meine Herzensfreude iſt vor-
145 erwiderte weich unter Thränen 25 indem ſie des
Vorbilde der Schweden keine Treue zu leiſten brauch-
Die Schweden
Gerade als
oder Jockey
Volkes ſich luſtig
macht und den man einfach abſchütteln könne, wie der
wenn ſie ihn beißen! Die
Sätze ſich einprägen, werden,
welche ſie demnächſt zu tragen
haben, etwas drückend werden, alles kurzer Hand von
ſich abſchütteln; denn der gewöhnliche Alltagsmenſch
wird gar nicht einſehen, weshalb er nach Thoma'ſchem
Recepte nur einem ſolchen „König, der in ſeinem Ge-
wiſſen der Macht und dem Willen des Papſtes unter-
worfen iſt“, nicht zu dienen braucht, da doch die
religibſe Anſchauung einen König nicht hindert,
ſein Land recht gut zu verwalten. Der Alltagsmenſch
wird ſich vielmehr ſagen, wenn ich einen König nicht
anerkennen brauche der eine andere Confeſſion hat,
und ihn abſetzen darf, dann brauche ich ſicher auch
einem Könige nicht zu dienen, ſondern kann ihn von
mir abſchütteln, welcher mir ſchwere Laſten auferlegt u.
fordert, daß ich ſogar meine Geſundheit, mein Leben als
Soldat in Friedens⸗ wie in Kriegszeiten ihm opfern ſoll.
Da ſind wir Katholiken denn doch beſſere Men-
ſchen gegenüber dem Landesfürſten. Ein Katholik,
der ſeine Religion noch hochhält, kann und wird nie-
mals einen Königsverrath, den offenen Bruch der
Treue, mit ſolch jubelnden Wendungen begleiten, wie
Thoma es gegenüber dem Verrathe der Schweden an ihrem
eigenen Könige gethan hat. Wir haben kath. Staaten, d. h.
Staaten, deren Bevölkerung der Mehrheit nach kathol.
iſt und ſolche Staateu, deren Einwohner meiſt Prote-
ſtanten ſind, die aber dennoch einen katholiſchen
Fürſten haben. Zu letztern Staaten gehört auch das
Königreich Sachſen und jedenfalls wird in nicht zu
ferner Zeit auch Württemberg einen katholichen König
haben. Katholiſch denken und handeln nennt Thoma
hochtrabender Weiſe: im Gewiſſen der Macht und
dem Willen des Papſtes unterworfen ſein. .
Nun wiſſen wir aber ganz genau, wie weit die
Macht des Papſtes über das Gewiſſen reicht, der
katholiſche Katechismus belehrt uns darüber. Mehr
verlangt der Papſt nicht von uns als daß wir die
Grundſätze des Glaubens hochhalten und darnach
D ME
Am andern Morgen ſagte Helene zu Frau Reimers:
„Ich verreiſe, liebe Frau Reimers; ja ich komme viel ⸗
leicht nicht mehr zurück. Sorgen Sie gut für Papa.“
„Gnädiges Fräulein, was ſoll das heißen 7!“ rief die
treue alte Vertraute der Familie. „Sie wollen fort, um
nicht wieder zu kommen?! — Das kann ich ja gar nicht
verſtehen! — Wohin wollen Sie denn reiſen und weiß denn
der gnädigſte Herr darum?“ — 8 85
„Ich gehe wieder dahin, von wo ich vor einem Jahre
gekommen bin, um — dort zu bleiben!“ ſagte ſtill das
junge 1 5 135
% In L Kloſter ?!“ ſchrie wie zum Tode erſchreckt die
Wirthſchafterin. „Sie wollen Nonne werden 2! — O Gott,
mein anädiges Fräulein, ſo jung und ſo ſchön und ſo
reich — nein, das ſollten Sie doch nicht thun! — und
Ihren guten Vater wollen Sie verlaſſen?! — Er iſt
ohnehin ſchon ſo unglücklich und nun wollen Sie, die er
ſo liebt, ſein Leben auch noch ganz einſam machen, nun
oll er auch Sie verlieren?! — O dürfte ich Ihnen von
Eben Unglück erzählen, Sie würden nicht von ihm
gehen! — 1 1
Mein Vater billigt meine Abſicht, liebe Reimers, und
glauben Sie mir: es iſt das beſte für mich, denn dort erſt
werde ich die Ruhe wiederfinden, die ich 90 75 verloren habe.
Bedauern Sie mich nicht, ich werde dort ganz glück-
155 fein — ſo glücklich, wie ich überhaupt noch werden
enn! — 3
„Und der Herr Graf, gnädiges Fräulein, wenn er das
hört, was wird er ſagen? — Daß Sie durch ſeine Schuld
in 8 Kloſter gedrängt wurden! — Ich weiß es nicht, aus
welchen Gründen die Verlobung aufgehoben wurde, es
geht mich ja auch Nichts an: aber das kann ich Ihnen
ſagen der Herr Graf iſt ein ſehr braver Mann — ich
7 9 5 mich auf Menſchen. Und wie ſehr hat er Sie
geliebt?!“ — ; ; }
Helene ergriff die Hand der alten Dame, welche ihr
fo ganz aus dem Herzen ſprach, und erwiderte erregt wit
Thränen in den Augen: . } ; 15
Herzen, meine gute Frau Rei ⸗
„Ich danke Ihnen von
mers! — Za, er iſt gut, auch ich glande daß, und wenn