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Pfälzer Bote für Stadt und Land (30) — 1895

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Erscheint U&g 1G uit Ausnahnte der Sonn u. Teiertage

reis vierteljährlich Rt. 1.20 ohne Tragerlohn u Po

aufſchlag. Bestellungen bei den Poſtanſtalten u. bei der
Expedition Zwingerſtraße 7.


m sn W


Anzeige Glatt für die Umtöhezirte Heidelberg.

Tauberbiſchofsheim, Walldürn 2C.
Verlag Gebr.

en

iedakteur: Ynr Cremerins, Hauptſtr. 121, Heidelberg.

At. zl.

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ieee 6 e
* Bie Ehe und die Sozialdemokratie,

In der augenblicklich zur Berathung ſtehenden
ſog. Umſturzvorlage ſpielt auch die Ehe eine Rolle,
freilich eine etwas nebenſächliche. Denn die Vorlage
iſt keineswegs gemacht, um dieſes Fundament der
Geſellſchaft zu stützen und zu erhalten. Zwar hat
man zu guter Letzt auch hieran gedacht, und deshalb
in der Commiſſion beſchloſſen, daß die auf Unter-
wühlung dieſes Fundamentes hinzielenden Beſtreb-
ungen in Rede und Schrift gehörig beſtraft werden
ſollen. Ob aber damit die Ehe, welche gewöhnlich
ein Hafen des Glückes, der häuslichen Zufriedenheit
und Beſtändigkeit genannt wird, nun ſelbhſt in den
ſicheren Hafen angelangt iſt, ſcheint noch gar nicht
ausgemacht. Der ſichere Hafen, in welchem die Ehe
geſchützt iſt gegen alle ihr drohenden Gefahren, kann im
Grunde nicht mit dem Paragraphen des Strafgeſetz-
buches aufgebaut werden, ſo wenig wie man dies
von dem Fundament ſagen kann, auf welchem die
Königsthrone aufgebaut werden müſſen.


eine Feindin der Ehe im chriſtlichen Sinne iſt un
daß ſie — milde geſagt — dieſelbe ganz umgeſtalten
möchte. Aber wenn man einmal den ſozialdemokrati-
ſchen Allerweltsverbeſſerern entgegenhält, daß die
Sozialdemokratie nach ihrem ganzen Weſen und ihrer
ganzen Richtung auf die Zerſplitterung der Familie,
auf die Zerſtörung des heutigen Ehe⸗Begriffs hin-
arbeite, pflegt ſie das kurzerhand in Abrede zu ſtellen,
in dem ſie ſagt: „Nicht wir greifen die Ehe an,
nicht wir vernichten die Familie, ſondern das thut einmal
die moderne Wirthſchaftsentwickelung und zum andern
die Sittenloſigkeit der höhern Stände.“ So ganz
Unrecht hat ſie mit dieſem Einwande nicht. Daß
unſere wirthſchaftlichen Verhältniſſe, daß der bis zur
Friedloſigkeit geſteigerte Kampf ums Daſein außer-
ordentlich viel zur Lockerung des Familienzuſammen-
hangs beigetragen hat, kann niemand leugnen. Wie
ſelten darf und kann der Mann unter den heutigen,
beſonders den großſtädtiſchen und induſtriellen, Ver-
hältniſſen zu Hauſe ſein! Kaum, daß er in der karg
bemeſſenen Mittags pauſe die Gattin grüßt, kaum daß
er am ſpäten Abend den ſchlummernden Kindern die
Hand aufs Haupt legen kann! Wer das Haus wie-
der feſt gründen und aufbauen, wer die Familie
wieder be frieden und u mfrieden will, der muß dem
Weiterſchreiten dieſer wirthſchaftlichen Verhältniſſe
möglichſt Hemmſchuh anlegen. So manches, das

(Nachdruck verboten.)

Helene.
Erzählung von Th. Küſter.

f % (Schluß) 15
Freude und Glück waren nun wieder eingekehrt in das
Haus der Wittenho ff, welches ſo lange in Trauer und
Schmerz vereinſamt geweſen. Der gütige, gerechte Gott
hatte Alles wieder zum Guten gelenkt, G böſe, verruchte

uten.


Menſchen geplant zum Verderben der
Herr von {
Majoratserbe ausgefpielt.
und ihr folgte eine andere Rolle,
1 9 hatte, dafür aber von um
ar. ; i ;
ald genug hatte er erfahren, daß der neue Erbe ge-
junden war; auch wie das gekommen, wußte er; es war
ihm ein Brief des Freiherrn durch die Poſt zugekommen,
in welchem dieſer ihm mitgetheilt hatte, daß er vollſtändig
unterrichtet ſei von all' ſeinen Ränken und Intrignen wie
von der Mitſchuld der Andenars, und zwar durch dieſe
ſeine Verbündete ſelbſt. Der Freiherr unterſagte ſeinem
Verwandten geradezu die Rückkehr in's Vaterland, andern-
falls er die ihn ruinirenden Beweiſe und Briefe zur Kennt-
niß des Landesherrn bringen würde. Herr von Wittenhoff-
Pleſſen trug dieſer Warnung Rechnung ;
— E3 war kein angenehmes Verhältniß zwiſchen ihm und
ſeiner Gattin — war es ſchon von Haus aus kaum gewe-

Sie war nur kurz geweſen
welche wenig Beneidens-
ſo längerer Dauer


Majorat ausſichtslos geſchwunden,
anickliches.
Ehrgeizes, der _O 1 \
verflogen, die beiden erſteren wurden nicht er
ſeine Perſon war ruinirt und ganz von der. }
Frau abhängig, die es ſehr wohl verſtand, ihr Vermögen
vor ſeiner Verſchwendung ſicher zu ſtellen. Seine Seelen-

ruhe hatte er geopfert um his un
ſtolzen, hochfliegenden Träumen bleiben ihm nur . e.
wiſſensbiſſe. — Er ſchwebte in fortwährender Furcht, daß
ſeine Verbündete — Adeline Andenars — eines Tages
vor ihn hintreten, ihr

ein geradezu uner-

Habſucht und der Leidenſchaft, dieſe war
füllt. Er für





F



heute noch als unbedingte Nothwendigſeit erſcheint,


heute uns unmöglich deucht, wird, wenn wir erſt die
Herrſchaft des Geldes überwunden und den Trutz des
Kapitalismus gebrochen haben, möglich werden. Aber
die wirthſchaftlichen Verhältniſſe ſind's nicht allein,
die das Familienleben ſtören, die das Heiligthum der
Ehe entweihen; es iſt vielmehr die Heimflucht der
Männer und die mangelhafte Heimfreudigkeit der
Frauen. Unſern Altvordern war nichts herrlicher
und hehrer, nichts traulicher und lieblicher als die
Feierſtunde im Heim, am Herde, der Feiertag im
Kreiſe der Lieben. Daß es heute vielerorten anders
geworden iſt, daran trägt nicht nur der Wandel der
wirthſchaftlichen Verhältniſſe, ſondern auch der Wech-
ſel der Geſinnung ſchuld. ; ;

Was die Sozialdemokratie über die Schändung
des Heiligthums der Ehe durch die Sittenloſigkeit der
höhern Stände ſagt, iſt, wenn auch oft übertrieben,


Gott ſei's geklagt! — ſoweit gekommen, daß der
der Ehebruch, in gewiſſen
liebenswürdige Verirrung be-

Kreiſen höchſtens als

bricht, dem Hausfriedensbrecher gleich geachtet und
geächtet werden.
anſtiftet, iſt ein Anſtifter zum Meineide und ehrlos,
Auf ben Brettern, die die Welt bedeuten
ſollen und die einſt als eine Erziehungsſchule des
gröberer und feinerer Art die Hauptzugmittel.
dort wirkt dieſes ekle, ätzende Gift nicht nur auf
die ſatten u. abgelebten Greiſe, die des Kitzels bedürfen,
ſondern auch auf das junge, werdende Geſchlecht. Vor

heranwachſende Mädchen, von dieſem ſchandbaren
Schmutze der Seele hütet ſie es nicht! Wer hat
denn noch den Mut, der verhüllten Unſittlichkeit und
der offenen Zote die Verachtung und den Zorn zu
zeigen, der ihnen gebührt? Gewiß, das männliche
Geſchlecht hat in dieſem Punkte viel geſündigt; aber
auch das andere möge an ſeine Bruſt klopfen! Wer-
den nicht jene ekelhaften Bücher, die unter einem
philoſophiſchen Aus hängeſchild an der Verläſterung
und Lockerung der Ehe arbeiten, gerade von ſo vielen
„höheren Töchtern“ mit Vorliebe verſchlungen? Iſts
denn ein Wunder, daß derjenige, welcher mit ſolchen
Gedanken vollgeſogen in die Ehe tritt, dann von
ihrem Heiligthume nichts mehr empfinden kann?


Hier gilts einzuſetzen und einen Kampf gegen den

Frau anklagen, die ganze Schwärze ſeiner Seele dieſer
enthüllen würde: dann — — das wußte er — war er
auch bei Frau von Wittenhoff Pleſſen verloren und zwei-
felte nicht, daß ſie in ſolchem Falle auf gerichtliche Schei-
dung von ihm dringen würde, wozu ſie genügende
anbringen konnte; auch wußte er, daß ſeine Frau alles
Gemeine, Unredliche hHaßte; ihr einziger Fehler war
1 Ehrgeiz und den konnte er nun nicht mehr be-
riedigen .

So führte Wittenhoff⸗Pleſſen ein abhängiges und un-
glückliches Leben im Auslande und hatte dabei noch ſtets
gegen die Furcht vor ſeiner Mitſchuldigen zu kämpfen.
Dieſe wie ein Alp auf ihm laſtende Furcht war — was er
allerdings nicht wiſſen konnte — eine unbegründete denn
Adeline Andenars ſtarb, etwa um die Zeit der Wieder-
vereinigung des Freiherrn mit ſeiner Gemahlin, in Amerika
durch Selbstmord. Allein auf der Welt, in allen ihren
Zukunftsträumen betrogen, von Gewiſſensbiſſen gefoltert
und ſtets fürchtend irgendwo — ähnlich wie im Bertram-
ſchen Hauſe — doch noch einmal dem Grafen Dalberg oder
wohl gar dem Freiherrn zu begegnen,

ſchen Familie angenommen und fand ſich








länger mehr ertragen zu können
Zuvor ſchrieb ſie noch einen
in dem ſie ihre Schuld an

hältniß, daß ſie es nicht
glaubte und ſich vergiftete.
langen Brief an den Freiherrn, €
"Bruno’s Tode ihm klar darlegte, aber ſeinen Vetter
Pleſſen als den intellectuellen Urheber des ſcheußlichen
Verbrechens hinſtellte und alle Verantwortlichkeit auf
dieſen abwälzte. Sie bat den Freiherrn dringend, ſeinem
Vetter die Nachricht ihres Todes nicht mitzutheilen; ſie
wußte recht wohl, daß der Gedanke an ſie ihm ſtets 1Tı
lich ſein müſſe, und dieſes Domoklesſchwert wollte ſie nicht
von ſeinem Haupte nehmen. .

* *

*



Als der 5 die Natur wieder mit neuen reizenden
a traten Graf Rudolf Dalberg und




Umſturz zu kämpfen, der an Nothvendigkeit jenem
andern mindeſtens gleichkomm! . S
Aber es iſt Heuchelei von

nicht antaſten wolle. Liebknecht hat in
trage zu Dreden 1892 offen geſagt: 1
„Was nun die Einehe anlangt, ſo iſt dieſelbe eine
verhältnißmäßig junge Einrichtung, die ſich mit jeder Ge-
ſellſchaftsſorm geändert hat. Wir fordern Gleichberechtig-

einem Vor-


Geſchlechter die gleiche Möglichkeit, ſich das Leb 331
gecdalten ug e diese au che ee e


wird, eine Ehe im christlichen Sinne, eine Familie
nach der Väter Art nicht mehr denkbar iſt. Noch


Leipziger ſozialdemokratiſchen Blatte folgendermaßen
aus , ;

„Die heutige bürgerliche Ehe iſt eine,
Begleiterſcheinung des Privateigenthums:
fällt mit dieſem Sie wird im Zulunftsſtaate verſchwinden,
und das Verhältniß der beiden Geſchlechter wird ein bloßer
Privatvertrag werden“ ; Ar

Hieraus folgt für jeden erkennbar und für keinen
entſtellbar, daß an Stelle der heutigen, getrauten Ehe
ein Privatvertrag auf Zeit, auf Kündigung folgen
muß. Näher

nothwendige

indem es u. a. ausführte: ; ;
„Es wird keinem Menſchen mehr einfallen, ſich auf
Lebenszeit zu binden, ſondern nur auf ſolange, wie die
Da die Kindererziehung eine
Thätigkeit der Geſellſchaft geworden iſt, ſo können die
Kinder natürlich die Ehe nicht mehr zuſammenhalten. Die
Menſchen einer Produktionsgenoſſenſchaft werden ſich als
eine große Familie fühlen, die zuſammen arbeitet und zu-
ſammen genießt; die bornierte Idyllpoe ſie des
en Heims wird dadurch verſchwinden.“ ;
Die „bornierte Idyllpoeſte des eigenen Heims!“
Das iſt's, was wir mit aller Kraft erhalten wollen,
das ist's, wogegen die Sozialdemokratie mit hölliſchem
Haſſe kämpft. Sie weiß, warum! So lange der
Mann ein eigenes, trauliches Heim hat, und ſei es
noch ſo ſchlicht und klein, ſo lange iſt er gefeit gegen
die Verführungen der Vaterlandsloſigkeit, gegen die
Zukunftsträume einer wüſten Phantaſie. Die „Hor-
nierte Idyllpoeſie“, d. h. zu deutſch: das beſchränkte,
liebliche Kleinleben des eigenen Heims, iſt dem Deut-
ſchen ſo ans Herz gewachſen, daß er es nicht preis-
geben wird für das verpfefferte Linſengericht, das ihm
die große zukunftſtaatliche Kaſerne bieten kann. Mag
manchen Arbeiter heute die Verzweiflung dazu treiden,
daß er die liebliche Traulichkeit des Familienlebens
nicht mehr empfindet, mag manchen die Noth dahin

feierliche Handlung ward in der Schloßkapelle durch den

hochachtete. ; ‘ ;
Als die Trauung vorüber war, da nahm der Freiherr
ſeinen Schwiegerſohn auf einige Augenblicke mit in ſein
Cabinet. . „
A gHier, mein lieber Dalberg,“ ſagte, er; dem Grafen
ein Päckchen einhändigend, „iſt Helene s einſtweilige Mit-
gift und zugleich meine Anerkennung Ihrer ſelbſt. Machen
110 n Tochter glücklich, wie ich es von Ihnen erwar-
en kann! — .

un
die

verlieh. ; { ee, ,
Auf Frohmanns Empfehlung hin engagirte der Frei-

eher für ſeinen Soh ) ( )
%‘téf) mib biem die Freude noch zu Theil ward, ein Brüder-
chen willkommen zu heißen, f.
 
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