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Pfälzer Bote für Stadt und Land (30) — 1895

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Fiche rä glich mit Ausnahme der Sonne u. Feiertage
reiz vierteljährlich Mk. 1.20 ohne Trägerlohn u. Poſt-
Lufſchlag. e 15 den 17 u. bei der

; edition Zwingerſtraße 7.

© Edakteur: 99. Gr rer, Hauptſtr 121, Heidelberg.




Anzeige⸗Blatt für die Amtsbezirke Heidelberg,
Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Weinheim, Schwetzin-
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen,

Tauberbiſchofsheim, Walldürn ꝛc-

Druck u. Verlag Gebr. Auer, Heidelb. Zwingerſtr
RSN RZE

Seidelberg, Samstag, den 2. Mitz 1005.

JJ. Jh



s Aufregungen im Lande.

. Man braucht gar nicht weit zu ſtreifen, um Lärm,
; Aufregung und Spektakel der verſchiedenſten Art im
eigenen Lande zu gewahren. Es iſt augenblicklich
eme ſelten aufgeregte Zeit, trotzdem kein „Krieg in
icht“ iſt. Dagegen iſt Unfrieden und Zwieſpalt in
wee und Fülle im eigenen Hauſe, aber glücklicher-
eiſe geht alles noch in verhältnißmäßiger Ordnung
Blut iſt noch nicht gefloſſen und wird ſicher auch
licht fließen, da es ſich nur um einen Kampf der
eiſter handelt, freilich ſolcher Geiſter, die Fleiſch
und Bein haben. Die größte Aufregung herrſcht im
Bunde der Landwirthe“, weil ihr Einfluß auf die
Jegierung und den Kaiſer, die ſie beide ſchon mit
aut und Haaren im Sacke zu haben glaubten, ſtark
geſchwunden iſt, wenigſtens iſt ihnen durch die kaiſer-
iche Rede auf dem Brandenburger Provinziallandtage
erſchrecklich klar geworden, daß die Deutſche Reichs-
vegierung zwar bereit iſt, den Landwirthen zu helfen,
i keineswegs gewillt ist, ſich vom Bunde der Land-
e die Marſchroute vorſchreiben zu laſſen. Die
straße aber, auf welcher der Bund wandelt, führt in
einen großen Sumpf, aus dem eine Rettung viel
ſchwieriger wäre, als aus den wilden Wogen des hoch-
gehenden Meeres. Wenn der Staat oder das Reich
ich als der „große Brodvater“, wie es der Antrag
anitz will, etabliren würde, dann würde ſofort das
ganze deutſche Volk die Schnäbel wie eine Schaar
ungriger Vögel im Neſte aufſperren, und Brodvater
taat könnte ihnen die Nahrung, die er den Land-
wirthen reicht, nicht verweigern. Wenn ferner der
staat den Verkauf des ausländiſchen Getreides über-
wummt, um den Preis deſſelben auf eine „angemeſſene“
Rohe zu bringen, dann würden freilich jene Bauern,
welche viel Getreide zu verkaufen haben, Geld ver-
Wien ihnen wäre geholfen, — aber auf wie lange?
ürden nicht die Preiſe für Grund und Boden bald
ſtark in die Höhe gehen? — würde das Gleiche nicht
ei den Verpachtungen von Gütern der Fall ſein? —
zumal heutzutage die Verkaufs preiſe für Grund und
oden, und ebenſo die Pachtpreiſe für Güter weit
öhere ſind als ſie nach dem Ertrage ſein dürften?
iner größeren Anzahl Landwirthe wäre dann
wiederum nicht geholfen. Die meiſten Ackerbauer
aber beſitzen nicht ſo viel Land, daß ſie neben den
etriebe einer guten Viehzucht noch nennenswerthe
engen von Getreide verkaufen können. Dem
lein en Landmanne wäre alſo durch den Antrag
Kanitz ebenfalls nicht geholfen. Es iſt ſelbſtredend,

D Edna.

: Von Mary J. Holmes,
frei bearbeitet von Freifrau von Berlepſch.
il⸗Mathildens Worte: „Seine Frau, Mrs Carl Chur-

M ill ließen die Mutter erbeben und ängſtlich erwartete
le Hedwigs Antwort. 10 .

die, Wie kannſt Du nur ſo heftig ſein, Mathilde,“ begann
nls, „weißt Du denn, oh, Mrs. Churchill derlei Erörter

nungen jetzt ertragen kann?“ — „Ich höre jetzt ſo gut als

meren dem Mädchen, ſchluchzte Mrs. Churchill, „o daß
mein armer Sohn ſich ſo wegwerfen mußte!“

Se Nun hatte Hedwig den Schlüſſel und wußte, welche

; aiten anzuſchlagen waren. „Edna kniete neben Karl und

uuchte ihn von der Wucht der Trümmer zu befreien“ er-

fühlte das junge Mädchen, „und bei der Gelegenheit er-

Aren wir, wer ſie war und wann ſie getraut wurden.

ie war leicht verwundet, ſchien aber gefaßt und ſchlief

Lange. Ich halte ſie nicht für ſehr erregbar. Unter den

ſpoebenen Umſtänden that ich für ſie, was ich konnte und
brach von ihrer Reiſe hierher als ſelbſtverſtändlich. „Hat

9 0 Herr einen Auftrag für mich?“ fragte ſie, auf Ruſſel

dantend. Ich erkundigte mich, konnte aber nicht erfahren,

5 waz er irgend welche direkte Nachricht für ſie habe. Nun

0 eigerte ſie ſich entſchieden, uns zu begleiten, und als ich

Vünuthete, ſie fühle ſich zu ſchwach zur Hfeiſe, brach ſie in

chränen aus. „Nein, das ist's nicht, ſchluchzte ſie, ich

Hunte die Anſtrengungen ertragen, ſo ſehr mich auch der

üdbfe schmerzt, aber ſie wollen nicht, daß ich komme, und

ich bleibe hier.“ Bei dieſem Entſchluß beharrte ſie Im

zu nen iſt ſie ein wahres Kind und ſcheint kaum 15 Jahre

u zählen, dee d ihr Alter auf 17 angiebt.“

M Und ließeſt Du ſie allein am fremden Orte? fragte
w athilde erglühend, denn ſie fühlte die Gleichgültigkeit,
gelbe Hedwigs Worte durchhauchte „dch kelegraphirte
ner Verwandten des Mädchens, einer Mrs. Dama aus

Z

Z

(Nachdruck verboten.)

ber vollkommen achtbare Erſcheinung “.
Nöth waße heißt Du glaubſt, ſie würde ohne dringende






gebührt, wie jedem audern Stande, aber es muß auch
eine wirkliche Hülfe ſein und ſie muß dort geſucht
werden, wo ſie zu finden iſt. Es gibt noch andere
Mittel als die Kanitz'ſche Glückſeligkeitslehre, Mittel,
die freilich nicht ſo viel Beſtechendes an ſich haben,
die aber wirkſamer und nachhaltiger ſind. -


der Tabakſteuer hervorgerufen. Der Tabak iſt
ein wahres Schmerzenskind der Nation. Wann er-
ſcheint endlich der Wunderdoktor, welcher die „Krank-
heit“, woran der Tabak leidet, gründlich heilen wird?
Der Staat, oder das Reich, will hier den Doktor
ſpielen, aber er hat zu viel Eiſenbart'ſche Manier an
ſich und möchte deßhalb eine ſtarke Schröpfkur an-
wendeu, weil er glaubt, die Tabaksinduſtrie leide an
Vollblütigkeit. Der Staat möge ſich aber hüten, daß
er die Rechnung nicht ohne den Wirth — und das
ſind die Raucher — macht. Rauchen iſt freilich ein
Luxus, gewiß, — aber ein ſolcher, der recht gut etwas
eingeſchränkt werden kann. Wer jetzt eine 5 Pfennig-
Zigarre ſpäter mit 7 oder 8 Pfennig bezahlen ſoll,
raucht entweder eine ſchlechtere Sorte oder er legt
ſich gewiſſe Schranken auf. Die Folge iſt ein allge-
meiner Rückgang im Verbrauche — wie er auch nach
der letzten Tabakſteuer⸗Erhöhung im Jahre 1879 ein-
getreten iſt —, und damit iſt weder den Tabakbauern
noch den vielen Tauſenden von Cigarren⸗Arbeitern
gedient. Ob die neue Steuer durchdringt, hängt
freilich im Weſentlichen von der Abſtimmung des
Centrums ab. Thatſache iſt nun, daß in dieſer Frage
beim Centrum nicht eine geſchloſſene Einmüthigkeit
herrſcht, jedoch iſt das Auseinandergehen der Anſichten
im Centrum läugſt nicht ſo weitgehend, wie unſere


ſicher iſt, daß der Entwurf, wie er jetzt vorliegt, von
keinem Centrums vertreter angenommen wird. Eine
kleinere Anzahl Centrums abgeordnete iſt zwar geneigt,
gewiſſen Beſtimmungen, die ſie für die Geſammtheit
für nicht gefährlich halten, zuzuſtimmen, aber ziem-
lich ſicher iſt, daß der Entwurf ſchließlich auch in
einer abgeänderten Faſſung vom Reichstage ver-
worfen wird.

Einen gewaltigen Brand ſoll neuerdings unſer
Centrum wieder durch ſein Auftreten in der Commiſ-
ſion zur Berathung des Umſturzgeſetzes entfacht haben.
Die Freiſinnigen, Demokraten, Nationalliberalen —
nebenbei bemerkt, der großen Mehrzahl nach eine Geſell-
ſchaft kraſſer Gottesleugner — ſind in Wuth
entbrannt über die „Kühnheit“ des Centrumsabgeord-

„ich bitte Dich, Hedwig, rede nicht, als ob die arme Edna
außer dem Bereiche menſchlichen Erbarmens ſtünde und
ihre Verwandten lauter Geſindel wären. Ich bedauere ſie
und wünſchte, ſie wäre hier; jedenfalls aber möchte ich
wiſſen, ob jemand bei ihr iſt, der ſich ihrer annimmt und
ihr ein herzlich Wort ſagt!“

„Du vergißt Dich, Mathilde!“ tadelte Mrs. Burton,
während Mrs. Churchill vor ſich hinſtarrte, als wiſſe ſie

rs. Dana


fort, „und bei ihr dürfte ihr wohler ſein als bei uns. Sie


Erinnerſt Du Dich ſeiner?“
Ja, Mathilde erinnerte ſich des edlen Mannes mit
dem warmen Herzen, der vor zwei Jahren Oakwood be-
ſucht hatte, wo ihn Hedwig ſo viel wie möglich im Hin-
tergrunde hielt, obgleich ſie ihm ſchmeichelte und ihn lieb-
koſte, wenn nur die Familie gegenwärtig war und Nie-
mand ſonſt erfahren konnte, daß der große, breitſchulterige
Mann ihr Halbbruder ſei. 5

„Iſt's nicht edel von Hedwig, daß ſie ſich des 99 5

ur-

ton zu Mathilde, dieſe aber erinnerte ſich, daß der „Bären-
menſch“ nur einem einzigen der eleganten Gäſte vorge-
ſtellt worden war, und zwar als „Mr. Heyford“, nicht als
„mein Bruder“. . 0

Sie hatte Emil Heyford lieb gewonnen und war
überzeugt, daß Edna in ſeinem Schutze ſicher ſei „Iſt
Edna bei ihm, ſo iſt ſie wohl aufgehoben, rief Mathilde
lebhaft, „ich würde ihm mehr trauen, als jedem andern
0 und ich bin überzeugt, daß dieſe Anſicht mich nicht
rügt.“ ;
„Du haſt Recht, Mathilde, Emil iſt der beſte, der
edelſte der Menſchen!“ entgegnete Hedwig mit bebender
11575 und eine Thräne glänzte in dem dunkeln Auge, als
ſie dem Bruder ſolch ungewohnten Tribut zollte.

„Und was iſt mit dem Kinde, deſſen ſich Dein Bruder
We Mrs. Burton, „was geſchieht nun, da
Du ihn nicht

neten Rintelen, der es mit ſtrenger Strafe belegt
wiſſen will, wenn die gelehrten und ungelehrten Volks-
verführer den Leuten ihre chriſtliche Religion und
jegliche Gottesfurcht benehmen wollen. Was iſt aber
das Schlimmſte an der ganzen Sozialdem o⸗
kratie? Der Haß gegen Gott, die Religion u.
die Kirche, welcher ſich in der Leugnung und Schmäh-
ung Gottes und jeglichen höheren Weſens geltend
macht. Wer an Gott glaubt, fürchtet ihn, hält ſeine
Gebote; und wenn er auf Abwege gerathen iſt
die Menſchen ſind ja alle Sünder — kehrt er als-
bald reumüthig zu Gott zurück mit dem Vorſatze,
Gottes Gebote treu zu erfüllen. Nicht ſo die So-
zialdemokratie. Dieſe nimmt, was ſie kriegen kann,
denn „Eigenthum iſt Diebſtahl“ ſagt ſie. „Was Dir
gehört, ſoll auch mir gehören“. Nur die Furcht vor
der Polizei und dem Gefängniß hält ſie noch zurück,
zu nehmen und zu holen, was nicht niet⸗ und nagel-
feſt iſt. Die Sozialdemokratie leugnet ſelbſtredend
auch den allmächtigen Gott im Himmel und Alles,
was damit zuſammenhängt. Hier aber ſteht die So-
zialdemokratie mit den Freiſinnigen, Demokraten,
vielen Liberalen oft auf ganz gleichem Boden, ſie
reichen ſich hier brüderlich die Hand. Religions⸗ und
confeſſionslos aber ſind die Sozialdemokraten gewor-
den — urſprünglich nicht von ſelbſt oder durch die
im Schweiße des Augeſichts ſich abquälenden Arbeiter
der Fabriken — nein durch die feinen Herren Pro-
feſſor en, Schriftſteller, die Helden von
„Bildung und Beſitz“, die in ihrem wiſſenſchaftlichen
Streben auf Abwege gerathen ſind, oder bei reichlich
gefüllter Geldkaſſe einen Gott nicht mehr nöthig haben,
ja ſogar den Gedanken daran höchſt unbequem finden.
Die Gottloſigkeit iſt die Quelle alles
ſozialdemokratiſchen Uebels und aller Umſturzbeſtreb-
ungen im heutigen Sinne. Wer aber den Bach nicht
will, muß die Quelle verſtopfen, ſonſt helfen alle
Eindämmungen gar nichts. Heutzutage iſt es erlaubt,
öffentlich, ſelbſt vor den ungereiften Bürſchlein, alle
möglichen gottloſen Lehren vorzutragen, desgleichen
auch, ſie durch die Schrift zu verbreiten. Nichts
anderes aber will der Autrag Rintelen, als die
Quelle aller ſozialdemokratiſchen und Umſturzlehren
zuſtopfen. Ob nun ſolches durch ſeinen Antrag zu era
reichen iſt, bezw. ob der Antrag jetzt ſchon die richtige
Form gefunden hat, darf man bezweifeln. Seine
Abſicht iſt aber vom Standpunkte jedes Chriſten
ſehr zu loben. Höchſt bezeichnend jedoch iſt, daß
nunmehr ſo viele der glühendſten Verehrer der Um-
ſturzvorlage ſich flugs in die grimmigſten Gegner der-

E
Augen wich ſofort einem eigenthümlichen Leuchten. „Ich
werde in den nächſten Tagen nach Chicago gehen.“
„Muß das ſein? Kann Niemand ſonſt es beſorgen?“
rief Mrs. Burton. „Nein; das Kind verlangt nach mir
und ich muß gehen.“ e
„Welches Kind?“ rief Mathilde lebhaft. Hedwigs
Lippe bebte, als ob das Wort hart zu ſprechen wäre. ;

„Meine Stiefmutter adoptierte ein kleines Mädchen,“
entgegnete ſie, ſich von Mathildens klarem Blick wendend,
„und es nannte Emil ſtets Binder und mich Schweiter,
Hat Dir Mama nicht geſagt, daß meine Stiefmutter kürz-
lich ſtarb?“ ; }

„Nein, und ich hatte zudem deren Exiſtenz ganz ver-
geſſen. — „Es war Emils Mutter. Sie ſtarb vor vier
Wochen und bald darauf verletzte ſich das Kind an
der Hüfte oder am Rücken. Die Stella verlangt
nun ſtets nach mir und das veranlaßt meine Reiſe nach

Chicago. ;

Gefaßt und ſelbſtbewußt endete Hedwig ihre Rede und
widmete ſich dann mit beinahe kindlicher Aufmerkſamkeit
Karls armer Mutter, bis dieſe ſie zu ruhen bat. „Ich bin
nicht müde und will nun ſehen, was Robert macht!“ lächelte
ſie und huſchte aus dem Zimmer. — .

Der junge Schloßherr hatte die Einzelheiten des Eiſen-
bahnunfalles bereits von Ruſſel erfahren, aber ſie ſchienen
neues Intereſſe zu gewinnen, als Hedwig ſie wiederholt
erzählte. Ihre leiſe Stimme bebte, da ſie Carls armes,
kindliches Weib erwähnte. Nicht das „Mädchen“, ſondern
das „arme, kindliche Weib“. — Mit der ihr eigenen
Schlauheit erſpähte ſie ſofort, daß Robert gegen Edna
anders geſinnt ſei und ſie folglich einen anderen Ton an-
zunehmen habe. .

Im allgemeinen verſuchte Hedwig ſtets gegen Robert
offen zu ſein, denn ſie wußte, daß er die Lüge haſſe.
Auch ihm gegenüber erwähnte ſie den Tod ihrer Slief-
Rade Ade an e 0 Bega 1190 15 Hnterhal-
ichſter e zu beſuchen habe. Nas hal-
tung bot ſie Robert freundlich die Hand und kehrte zu


d Mutter ück.
5 150 155 (Fortſetzung folgt.)
 
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