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Pfälzer Bote für Stadt und Land (30) — 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.44154#1125
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{

ſcheint täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Feiertage.
keis vierteljährl. Mk. 1.20 ohne Trägerlohn u Poſtauf-
10 Beſtellungen bei den Poſtanſtalten u. der Expedition.

Zwinger ſtraße 7





Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Weinheim, Schwetzin-
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen,
; Adelsheim, Walldürn 2C.


Druck von Gebr. Huber, Heidelberg, Zwingerſtr. 7.
22 26 ) }


e S

indebehörden in der Förderung des Handwerks durch
tſächliche Mittheilungen und Erſtattung von Gut-
ten über Fragen, welche die Verhältniſſe des Hand-
uks berühren, zu unterſtützen; 3. Jahresberichte
er ihre Thätigkeit und über ihre die Verhältniſſe
Handwerks betreffenden Wahrnehmungen zu er-
tten; 4. Wünſche und Anträge, welche die Verhält-
ſe bes Handwerks berühren, zu berathen, und den
hörden vorzulegen; auch ſollen ſie in allen wichti ⸗
u, die Geſammtintereſſen des Handwerks berühren-
u Fragen gehört werden. /

Die Bezirke der Handwerkskammern ſollen von der
noescentralbehörde feſtgeſtellt werden, die auch ein
katut aufzuſtellen hat, auf Grund deſſen die Errich-
ug der Kammer erfolgen ſoll. Bei der Errichtung
len Vertreter der hauptſächlich im Bezirk betriebe-
u Handwerke, ſowie der Innungen und ſonſtigen
reinigungen gehört werden. Das Statut muß Be-
immungen enthalten über 1. den Sitz und Bezirk
r Handwerkskammern; 2. die Bildung der Wähler-
aften für die Wahlen der Mitglieder, die Zahl der
teren u. ihre Vertheilung auf die Wählerſchaften; 3.
$ Verfahren bei den Wahlen, ſoweit es nicht durch be-
dere Wahlvorſchriften geregelt wird; 4. die Ergän-
ug der Handwerkskammer durch Zuwahl; 5.
ümmrecht der Mitglieder und die Art der Beſchluß-
ſung; 6. die Wahl, Befugniſſe und Legitimation
$ Borftandes ; 7. die Form und die Vorausſetzun-
n für die Zuſammenberufung der Handwerkskammer
d ihrer Ausſchüſſe; 8. die öffentlichen Blätter,
ch welche die Bekanntmachungen der Handwerks.
mmer zu erfolgen haben; 9. die Aufſtellung u. Ab-
hme der Jahresrechnung.
Wählbar zu Mitgliedern der Kammer ſollen ſein
Bezirk ſeit mindeſtens drei Jahren anſäſſige ſelbſt-
dige Handwerker im Alter von mindeſtens 30
hren, ſofern ſie nicht nach 88 31 und 32 des Ge-
chtsverfaſſungsgeſetzes zum Amt eines Schöffen un-
ſig ſind. Für jedes Mitglied ſind zwei Erſatzmän-
T zu wählen. Die Wahl erfolgt auf fünf Jahre,

Eine Arrfahrt im Omnibus.
Von H. von Veltheim.

Endlich brachte Ralph durch eine thörichte Liebſchaft,
er ganz unverhohlen für die Tochter eines unſerer Päch-
zur Schau trug, meinen Vater zu einem entſcheidenden
ſäſcluſſe Derſelbe verſchaffte dem Leichtſinnigen eine
alle bei der Geſandſchaft in Paris und beſtand mit ge-
Tonter Energie darauf, daß Ralph unverzüglich abreiſen
ſo lange dort bleiben ſollte, bis er ſelbſt, ſeiner locke-
Lebensweiſe müde, gleich dem verlorenen Sohne ge-
ert in die Heimath zurückkehren würde.
Zum erſten Male in ſeinem Leben zeigte ſich Ralph
bam. Er verſtand von der Diplomatie gar Nichts, doch
* Poſten war für ihn Nebending, die Hauptſache war
M die Ausſicht, das Leben auf dem Feſtlande kennen zu
ten und ſich kopfüber in den Strudel der Pariſer Ver-
ügungen ſtürzen zu können ;

So verließ uns Raſph, begleitet von den bangen Ah-
ügen des Vaters, der gewaltſam an der Jeberzeugung
zuhalten ſuchte, daß ſein Sohn trotz aller tollen Fri-
litäten doch unfähig ſei, in irgend einer Weiſe unehren-
ſt zu handeln. 55

Rur ſehr ſelten gab uns Ralph, ſeitdem er entfernt
e Nachrichten. Er that es in der Regel nur dann, wenn
Geld nöthig hatte, hielt es aber nie der Mühe werth,
etwas über ſeine Lebensweiſe zu ſchreiben.

„Wenn wir über dieſe etwas Genaueres erfuhren, ſo
chah es durch den Canal der Oeffentlichkeit. Ralph war.
des ſchien, im beſten Zuge, ſich einen europäiſchen Ruf
banden, der übrigens weit entfernt war, meinen Vater
einen Erſtgeborenen ſtolz zu machen. . .
„Ein kurzer Aufenthalt von einigen Wochen in Paris
genügend, Ralph berühmt zu machen. Er hatte in
Duell mit einem ruſſiſchen Fürſten das Glück, ſeinen
ner zu entwaffnen, und die Großmuth, deſſen Leben
100 onen. In den Salons tanzte man nur noch eine von
eingeführte Polka; auf der Promenade war ſeine Equi-
de die ſchönſte und ſein Groom der kleinſte, den man je

(Nachdruck
verboten.)

ihre Annahme kann nur aus Gründen verweigert wer-
den, die zur Ablehnung eines unbeſoldeten Gemeinde-
amts berechtigen. Die Handwerkskammer kann ſich
bis zu einem Fünftel durch Zuwahl ſachverſtändiger
Perſonen ergänzen, auch kann ſie Sachverſtändige mit
berathender Stimme zu ihren Verhandlungen zuziehen.
Zur activen Wahlberechtigung gehört der Beſitz der
bürgerlichen Ehrenrechte, der ſelbſtſtändige Betrieb
eines Handwerks im Bezirk ſeit mindeſtens einem
Jahre und ein Alter von mindeſtens 25 Jahren. Auch
darf die freie Verfügung über das Vermögen nicht
durch richterliche Anordnung beſchränkt ſein. Innun-
gen, deren Sitz ſich im Bezirk der Handwerkskammer
befindet, und ſonſtigen Vereinigungen von Handwer-
kern kann durch das Statut die Berechtigung beige-
legt werden, einen näher beſtimmten Theil der Mit-
glieder der Handwerkskammer zu wählen. Die Kammer
iſt berechtigt, aus ihrer Mitte Ausſchüſſe zu bilden, die
zu ihren Verhandlungen Sachverſtändige mit berathender
Stimme zuziehen dürfen. Die Handwerkerkammern
unterliegen der Aufſicht der höheren Verwaltungs-
behörde, die für eine jede Kammer einen Kommiſſar
zu ernennen hat; dieſer iſt jederzeit zu hören, hat aber
kein Stimmrecht. Die Landes centralbehörde kann die


Die Koſten der Handwerkskammern ſollen von den


beigelegt wird, die Beiträge auf die einzelnen Hand-
werksbetriebe nach einem von der höheren Verwalt-


umzulegen; die Landescentralbehörde kann indeſſen
beſtimmen, daß die Koſten von weiteren Communal-
verbänden ſtatt von den Gemeinden aufgebracht wer-
den. Die Handwerkskammern verwalten ihr Kaſſen-
und Rechnungsweſen ſelbſtſtändig, doch haben ſie all-
jährlich einen Voranſchlag über den erforderlichen Ko-
ſtenanfwand aufzuſtellen, der ebenſo wie jede Ueber-
ſchreitung desſelben der Genehmigung der höheren
Verwaltungsbehörde bedarf. 2

Deutſches Reich.
1 ‘ Berlin, 4. Dezember.

— Dem Reichstag ging ein AntragMarquard-
ſen⸗Cuny (nat. ⸗lib.) zu: Die Erwartung auszu-
ſprechen, daß bei der Ausarbeitung der Militär-
Gerichtsverfaſſung u. der Militär ſtraf-
prozeßordnung die Grundſätze der Ständig-
keit der Gerichte, ſowie der Oeffeutlichkeit u.
Mündlichkeit des Hauptverfahrens zur Geltung
gelangen, ſoweit nicht militärdienſtliche Intereſſen eine

in Paris geſehen; ſeine Toilette war die tadelloſeſte und
ſeine Wohnung die eleganteſte in der Seineſtadt. Man er-
zählte ſich von ſeinen unzähligen Eroberungen unter den
Schönheiten der ariſtokratiſchen Welt und nannte eine
literariſche Berühmtteit, die Gräfia K. „ als die Ver-
faſſerin von zwei Bänden lyriſcher Gedichte, die meinem
Bruder gewidmet waren. . ;
„Dies einige von den Gerüchten, die meinem Vater über
ſeinen Erben zu Ohren kamen. Es iſt leicht zu errathen,
welchen Eindruck ſie auf ihn machten. } .

Endlich kam Ralph nach langer Abweſenheit zu uns
auf Beſuch. Noch heute erinnere ich mich lebhaft des
Schreckens, der ſich unſerer Leute bemächtigte, als ſie ſei-
nen vierſpännigen, eleganten Reiſewagen unter der Ein-
fahrt unſeres ehrwürdigen, alten Schloſſes halten ſahen.

Ralph war ganz und gar umgewandelt, er war von
Innen und Außen ein Fremder geworden, daher die ängſt-
liche Befangenheit, mit der ſich die alten Diener in der
Vorhalle aufſtellten, um ihren künftigen Herrn und Gebie-
ter ehrfurchtsvoll zu empfangen. ;

Ein mächtiger, ſpitzig zugedrehter Schnurrbart à la
Hongrois, das Haar à la Heury IV. geſchnitten, ein mo-
derner Reiſeanzug, ein halbes Dugend goldener Medaillons,
die an einer ſchweren goldenen Uhrkette hingen, und eine
Vorſtecknadel von enormem Werthe, die ſeine dunkelblaue
Atlasbinde zuſammengielt, war die Ausſtaffirung, in der
Ralph aus ſeinem Coupé ſtieg.

Außer ſeinem Kammerdiener, einem prahleriſchen, vor-
lauten Franzoſen, beſtand die Reiſegeſellſchaft meines Bru-
ders aus zwei Affen, einem Papagei und drei Hunden,
die in einem eigenen Fourgon nachgefahren wurden, wenn
nicht ein oder das andere Mitglied der Menagerie ſich der
Ehre zu erfreuen hatte, von meinem Bruder als zeitver-
treibender Reiſegeſellſchafter in den eigenen Wagen genom-
men zu werden. Ralph, ber ſich überdies herausnahm,
unſer ganzes Haus in allen ſeinen Einrichtungen umkehren
zu wollen, der ſtatt der alten Familienporträts in ſeinem
Schlafzimmer die Portraits der Koryphäen der Oper und
des Ballets aufhing und die antiken, ehrwürdigen Möbel
mit den modernen Erzeugniſſen der Induſtrie erſetzte —


Ausnahme nothwendig erſcheinen laſſen. Dem Reichs-


zu: Die Regierung zu erſuchen, die Durchführung
der Beſtimmungen der Gewerbeordnung, betr.

s

Beſtimmungen der Gewerbeordnung betr. den Schutz
der jugendlichen u. weiblichen Arbeiter,


anzuregen. „ 1
— Dem Seniorenkonvent des Reichstages wurde heute

8

— Die Freiſinnige Volkspartei hat im Reichstage unter


folgenden Nothgeſetzes eingebracht. Daſſelbe lautet


keitliche Erlaubniß Vereine 1 und ſich un-
bewaffnet in geſchloſſenen Räumen, ſowie in Privatgrund-
ſtücken, auch unter freiem Himmel zu verſammeln.
Auch ſind die Vereine berechtigt, mit anderen Vereinen zu
gemeinſamen Zwecken in Verbindung zu treten. Die Be-


ſetze, desgleichen die Beſtimmungen der Landesgeſetze über
die Ueberwachung von Zuſammenkünften bleiben unbe-
rückſichtigt.“ ' ;

Ausland.
Rom, 5. Dez. Der Papſt empfing geſtern
den Großherzog von Sachſen⸗Weimar.
Der Empfang, bei welchem dem Großherzog fürſtliche
Ehren erwieſen wurden, dauerte etwa eine halbe
Stunde. ; .
* Rom, 5. Dez. Dem püpſtlichen „Oſſervatore
Romano“ zufolge ſandte der Pape ſt nach Empfang

Ralph entſprach jetzt, ſo wie er ſich zeigte, weniger denn
je den Ideen, die ſich mein Vater von dem Erſtgeborenen
einer engliſchen Familie machte. 85

Was unſere Freunde und Gutsnachbarn betrifft, ſo
brauchten ſie nicht lange, um Ralph auf's Herzlichſte zu
verabſcheuen. Es war ſein feiner Spott, wodurch er ſie
zur Verzweiflung brachte, wenn er mit ſeiner ironiſch⸗ehr-
erbietigen Manier ihre alten, tief eingewurzelten Vorur-
theile und Anſichten über den Haufen warf und mit ſcho-
ae Bosheit ihre kleinen Fehler und Schwächen
aufdeckte. } 5

Am tollſten trieb es Ralph, als unſer Vater zu erken-
nen gab, daß er für ihn die Ehe als das einzige und letzte
Rettungsmittel betrachte, und als deshalb auf einmal alle
jungen Freundinnen und Bekannten meiner Schweſter mit
ihren Müttern zu einem mehrwöchentlichen Aufenthalte bei
uns eingeladen wurden. . . 1 '

Ralph hatte nie eine beſondere Vorliebe für die Unter-
haltung mit den Damen unſerer Bekanntſchaft gezeigt. Er
behauptete, daß die Töchter der engliſchen Ariſtokratie alle


graben und der natürliche Reiz der Jugend ſchon im
Keime erſtickt werde. Als er ſich bedroht ſah, einer ſol-
chen Zierpuppe, wie er ſich ausdrückte, ſeine Freigeit zum
Opfer bringen zu ſollen, vermehrte ſich ſein Widerwille
gegen die junge Damenwelt in ſo hohem Grade, daß er
ſich gar nicht mehr genirte, denſelben offen und frei an den
Tag zu legen. . } 7

Da man die Fruchtloſigkeit aller Verſuche, ihn zu feſ-
ſeln, ſeyr bald erkannte, fingen die enktäuſchten Mütter
allmählich an, ſeine Art zu walten unſchicklich und ſeine
Manieren roh und ungezogen zu finden. Man ſuchte die
jungen Ladies von ſeiner Nähe entfernt zu halten, ja zweit
oder drei ehrwürdige Matronen, die in ihrer Aengſtlichkeit
die Feigheit ſeines Benehmens für gefährlich hielten, ver-


Uebrigen gefolgt wären, wenn ihnen Ralph nicht das Ter-
rain überlaſſen hätte. N
(Fortſetzung folgt.)
 
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