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Pfälzer Bote für Stadt und Land (30) — 1895

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für Stadt


Anzeige ⸗Blatt für die Amtsbezirke Heidelberg,
Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Weinheim, Schwetzin-
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen,

3 Zwingerſtraße 7 ; Gratisbeilage. Druck von Gebr. Alber; Peldelberg. Zwingerſtr. 7.
— S E A B 8
; Nr. 6 2 Y } ’153 A {

; ___\_31‚ Meidelberg. Dienstag, den 6. Oktober 1895. 1

der Meineidsprozeß gegen die Kloſter-
brüder Heinrich und Zrenäus,
delcber in dieſen Tagen mit der Freiſprechung
35 Angeklagten endigte, bildet ein Nachſpiel zu dem
aurben Alexianerprozeß, der ſich im Sommer d. J.
Feeder Strafkammer zu Aachen abgeſpielt hat.
Heiſprechung iſt nicht etwa erfolgt, weil der zu einer
duzürtheikung erforderliche Nachweis der Schuld nicht
5 uergichend erbracht werden konnte, ſondern weil die
wünsch ul d der Angeklagten auf das klarſte erwieſen
| beben iſt. Der Staatèanwalt ſelber beantragte in
1 en Fällen die Freisprechung, die Geſchworenen
zachen dieſelbe nach kurzer Berathung aus, u. der
krichtshof legte der Staatskaſſe die geſammten Ko-
hen, auch die Koſten der Vertheidigung, zur Laſt.

a So hat ſich denn dieſer zweite Aachener Prozeß
4 einer vollſtändigen Ehrenrettung der ange-
1 Ordensleute, insbeſondere des Bruder Heinrich,
. altet. Auf das klarſte hat die Verhandlung vor
die Schwurgericht ergeben, daß das Bild, welches
ve Verhandlung im Prozeß Mellage von dieſem viel
kläſterten Manne entworfen hatte, ein Zerr bild
1 5 vor der Aachener Strafkammer ſtand er da als
daz verſchlagener Menſchenquäler, dem nun auch noch
. nut—.”B\‘t’mbtncx[ des Meineids aufgedrückt werden ſollte
it von vornherein aufgedrückt ſchien; in Wirklichkeit
a ein wahrheitsliebender, argloſer und gutmüthi-

A S

etwas geſchwätziger Mann, der die ſeiner Obhut
zidertrauten Icren durch Späſſe aufzumuntern ſuchte,
\ eteßflflerbingß nicht immer geiſtreich waren. Wenn
del eſchränkten Geiſtes iſt, ſo hat er das mit ſehr
7 m“‘e“ derjenigen gemein, welche über ihn den Mund,
beit möchte man am liebſten ſagen: das Maul am
iteſten aufgeriſſen haben.
pez un“ was hat erſt die „öffentliche Meinung“, ſo
Fin dieſelbe von liberalen und anti⸗katholiſchen In-
e beherrſcht wird, aus dieſem Bruder Heinrich
5 acht! So iſt ſeit Jahrzehnten kein Menſch ver-
. e n und verläſtert worden. „Bruder Heinrich“ wurde
u chimpfwort, welches die Gaſſenjungen und die
men Geſellſchaftskreiſe mit gleicher Befliſſenheit
} ündien, Eine förmliche Beſchimpfungs⸗Induſtrie
Jas auf dieſen Kloſterbruder gegründet: Broſchüren,
1 ſtkarten, Schnitzereien, Theaterſtücke.
bund dieſe durch den Prozeß Mellage erzeugte
Mare Atmoſphäße iſt jetzt die Verhandlung vor dem
bitter e wie 1 7 5 ein f 185 e 5 5 e⸗
»der hineingefahren. icht nur ſind die beiden

2 er S ond erling (Nachdruck verboten)
Roman von Philipp Laieus.

kund leise, aber entſchieden. „Ich will nur Herrn Will-
dh ſirathen.“
Ö 2n„ü&$}‚qmmft Du d un ſchon wieder auf dieſe Dummbeit

} ler di rief Leopold ärgerlicher als je, und ſeine Gattin
enen entrüſteten Blick zuwarf.

ı 0 8 . den ſie nicht will, nicht wahr, Dora?“
, ne 1725
fal Ale eine alte Jungfer werden, rief Leopold und
ü die Hände über dem Kopfe zuſammen.
and der, Anſicht iſt ſie jetzt allerdings, meinte Lebrecht,
das Stein hat ſie ein Recht. Es kommt mir das vor, wie
legte dtenerverweigerungsgeſetz der Stände Es iſt das
Aigen wozu das Volk eben das Recht hat, um ein
kbücändniß zu erlangen, von dem es glaubt, daß es ihm
Ihr ze. So verhält es ſich auch hier. Dora glaubt, daß
„Wailligen ſoltet, Sır thubs aber nicht.“
an.“ Las ich auch ganz natürlich finde,“ ſchaltete Leopold

e

meinte Lebrecht. „Sie macht von ihrem
t n der Steuerverweigerung Gebrauch, und es, wird
1 darauf ankommen, ob Ihr Beide oder ſie am
Alte In den furchtbaren Gedanken ertragen kann, eine
Jungfer zu werden. Z . 1
karsten ch wollte, Du behielteſt Deine Späſſe für Dich in
8 ngelegengeiten“ , An
ſer ch weiß gar nicht. was Du noch mit dem Ernſt
de Aagelezenbeit wiäſt. Die i
D *gfitägeht: Euere Einwilligung nicht; P
dat e arf einen langen, f

der ſich aber
unſerſcheiben trommelte.

k; Punktum
chmerzlichen Blick auf den








eines ſchweren Verbrechens angeklagten und von der
katholikenfeindlichen öffentlichen Meinung ſchon im
voraus verurtheilten Ordensbrüder glänzend freige-
ſprochen worden, ſondern es ſind auch grelle Schlag-
lichter auf die Verhandlung vor der Aachener Strafs
kammer und deren Hauptträger gefallen. Wir brauchen
das im einzelnen nicht näher auszuführen. Wie der
Bruder Heinrich auf der einen, ſo ſtehen heute auf
der andern Seite insbeſondere die Hauptgewährs-
männer des „Irrenbefreiers“ Mellage in einem ganz
andern Lichte da, als vor der Aachener Strafkammer.
Nicht draſtiſcher kann der Wechſel der Dinge beleuchtet
werden, als durch den Umſtand, daß derſelbe Bruder
Heinrich, welcher nach der Verhandlung vor der


digungen durch das Publikum geſchützt werden mußte,
jetzt vor dem Gerichtsgebäude der Gegenſtand einer
Ovation des Publikums war. Ob der Herr


empathiſch auf die „vox populi“

(Stimme des
Volkes) hinzuweiſen, wie

er es vor der Aachener

Der eben abgeſchloſſene Aachener Prozeß war
keine eigentliche Reviſion des frühern und konnte
es nicht ein, aber in gewiſſem Sinne war er es doch,
auch über die Perſönlichkeiten der beiden des Meineids
beſchuldigten Brüder hinaus. Die Kritik, welche an
der Leitung der Verhandlungen vor der Aachener
Strafkammer geübt worden iſt, hat in mehrern, keines-
wegs unweſentlichen Punkten eine Beſtätigung durch die
neue Verhandlung erfahren. Mit vollſtem Rechte er-
klärte insbeſondere Rechtsanwalt Gammersbach im
Hinblick auf die Strafkammer⸗Verhandlung: „Sie haben
gehört, wie der gegenwärtige Vorſitzend? den Bruder
Heinrich den Vorfall bis ins kleinſte Pünktchen hinein
ſchildern ließ. Das hätte auch damals geſchehen ſollen.
In einer derartigen wichtigen Sache kann man nicht
zum Zeugen ſagen: Sie müſſen antworten mit Ja
oder Nein, ſondern man hätte den Bruder Heinrich
aussprechen laſſen müſſen.“ Der Staatsanwalt
ſelbſt ſah ſich zu der Bemerkung veranlaßt: im Pro-
zeß Mellage ſei das letzte Wort uoch nicht geſprochen.
Mag nun der ſeitens der Alexianer eingelegten Re-
viſion in Leipzig ſtattgegeben werden oder nicht,
ſo viel ſteht heute ſchon feſt, daß die Verhandlung vor
der Aachener Strafkammer in Folge eines Zuſammen-
treff ens verſchiedener Umſtände auch von der Aachener
Alexianeranſtalt überhaupt ein mindeſtens ſehr ent-
ſtelltes Bild entworfen hat, womit wir natürlich in

In dieſem Augenblick trat der Bediente ein und brachte
die neueſte Poſt. Als Leopold die Briefe ſah, überwog
alsbald der Kaufmann wiederum den Vater, und er öff-
nete den erſten besten derſelben. Seine Miene wurde un-
gemein ernſt, als er ihn durchflog und er reichte ihn Leb-
recht. „Hier haſt Du das erſte Antwortſchreiben auf un-
ſer Circular,“ ſagte er bitter. „Cohn und Ramſer drohen
mit ſofortiger Klage. Ich wußte es, es war eine Dumm-
heit, daß ich Dir gefolgt bin.“

Onkel Lebrecht nahm, ohne ſich im Geringſten bewegt
zu zeigen, den Brief und flog ihn durch, dann gab er ihn
ſeinem Bruder wieder zurück. „Augenblicklich ſchickſt Du
dieſem kaufmänniſchen Einfaltspinſel ſein Geld und be-
merkſt izm dabei, daß Du höchlich bedauerteſt, Dich mit
einem Manne in Geſchäftsverbindungen eingelaſſen zu
haben, der noch nicht einmal zu beurtheilen verma;, wie
ein feſtes Haus nach einem faſt zweijährigen Kriege in
eine momentane Verlegenheit gerathen könne.“

„Schön,“ ſagte Leopold bitter, „Du ſprichſt wie ein
Cäſar an der Spitze der galliſchen und germoniſchen Legio-
nen. Du bedenkſt aber nicht, daß dadurch meine Kaſſe
bis auf einige hundert Thaler erſchöpft wird, und daß
25 en zweitauſend Thaler an Gläſer zu bezah-
en haben.“

„Mache doch ſo keine dummen Geſchichten, Leopold.
Du wirſt langweilig,“ meinte Lebrecht. „Du vergiſſeſt,
daß Du mir dieſe ganze Sach: überlaſſen haſt, und daß
irma Bernau ohne Einbuße

Ja, meinte Leopold, der inzwiſchen auch die übrigen


gen.“

„Siehst Du,“ erwiderte Lebrecht, „daß ich doch nicht ſo





die Nothwendigkeit einer gründlichen Reform der
Irrenpflege in dieſer Auſtalt ergeben habe. ;
Der Prozeß Mellage, in welchem der Bruder
Heinrich als die Haupkfigur und als der Typus
eines nichtswürdigen Menſchen erſchien, iſt der Aus-
gangspunkt einer tollen Hetze gegen das Aachener
Alexianerkloſter und das katholiſche Ordens-
weſen überhaupt geweſen und hat Veranlaſſung zu
tief eingreifenden Maßregeln gegeben, mit weſchen
auch die Organe der Staatsregierung ſehr raſch bei der
Hand waren. Schon vor der Verhandlung vor dem
Aachener Schwurgericht war an manchen Stellen ein
merklicher Umſchwung eingetreten. Ter Aus-
gang der neuen Aachener Verhandlung wird dieſen
Umſchwung fördern. Wir wollen nun zunächſt
ſehen, was diejenigen Kreiſe, welche ſich in der Ver-
höhnung und Verläſterung des Bruders Heinrich
nicht genug thun konnten, jetzt thun werden, um dem
verhöhnten und gequälten Ordensmann die Ehre
wiederzugeben. Das Erſte, was man erwarten muß,
iſt das vollſtändige Verſchwinden der Schand-
litter atur, welche auf Koſten der Wahrheit aller-
orten maſſenhaft verbreitet worden iſt. ;

Deutſches Reich.
* Berlin, 7. Oktober.
— Der Kaiſer genehmigte die Bildung eines


behufs Errichtung eines Denkmals des Prinzen
Friedrich Carl in Metz.

„,n einer Reihe engliſcher Blätter findet ſich eine
Mittheilung über eine Meinungs differenz zwiſch en
dem Kaiſer Wilhelm und ſeinem Bruder dem Prin-
zen Heinrich. Es wird hinzugefügt, daß dieſer Streit
die Urſache des Urlaubsgeſuches geweſen ſei. Einzelne
Blätter wiſſen auch von Verſöhnungsverſuchen zwiſchen den
beiden hohen Perſönlichkeiten zu erzählen und behaupten,
die Königin von England ſowohl wie die Kaiſerin Fried-
rich hätten in der Richtung ſich ſehr eifrig bemüht, ohne
aber bisher einen Erfolg zu erzielen. Ueber den Grund
des angeblichen Zwiſtes gehen die Mittheilungen ausein-
ander Während z. B. die Daily ſich berichten laſſen, ent-
ſcheidende Fragen der Flottenor ganiſation ſeien
der Ausgangspunkt der Differenz geweſen, wiſſen andere
Blätter ganz genaue Einzelheiten über den Disput zu ver-
lautbaren und ſtellen die Sache ſo dar, als ob der Nord-
Oſtſee Kanal und ſeine ſtrategiſche Benutzung im Ernſtfalle
das Objekt der Meinungsverſchiedenheiten der beiden Fürſt-
lichkeiten geweſen ſei. Inwieweit dieſe Mittheilungen be-
gründet ſind, entzieht ſich natürlich der Beurtheilung;
wahrſcheinlich hat man es mit Gerüchten zu thun, wie ſie
durch die ungewöhnlich lange Dauer des dem Prinzen
ervorgerufen werden konn-

Derſelbe erbrach das Schreiben und las es durch
Dann reichte er es ſeinem Bruder hin.

Als Leopold einen Blick in daſſelbe geworfen, wurde
er bleich, er zilterte und griff nach der Stuhllehne, um ſich
zu halten. Seine Gattin und Dora ſahen ihn erſchreckt
an; ſeine Bruſt arbeitete und er ſuchte vergebens Worte
hervorzubringen. Endlich ſchien er ſich mit Gewalt em-
porzuraffen. D
Bruder, Bruder, nenne mich einen Schurken, wenn
ich Bir jemals das vergeſſe!“ Der Brief entfiel ſeiner
Hand und er warf ſich in einer Aufregung, die ihm ſonſt
gänzlich fremd war, ſeinem Bruder an die Bruſt.

„Dummer Kerl,“ ſagte dieſer, „was machſt Du wegen

dieſer Lumperei für Aufhebens. Die Sa be iſt ja nicht
eines ſolchen Spektakels werth. Es iſt nur, um Dich für
eventuelle Fälle zu beruhigen.“
„ „Gerettet! gerettet!“ rief Leopold jubelnd. „Du haſt
ihn hinausgeworfen, hinaustreten hätteſt Du ihn ſollen
laſſen. Bruder, was bin ich für ein Eſel, daß ich es nicht
gleich gemerkt habe, wie Du ſich er ſtehen muß teſt!“

Inzwiſchen hatte Frau Bernau den ihrem Gatten
entfallenen Brief aufgenommen und las: ;

„Euer Wohlgeboren! ;
Beehren wir uns hiermit ergebenſt anzuzeigen, daß
wir unterm heutigen die uns überſandten ſechsprozentigen
Amerikaner zum Courſe von ſechsundneunzig dreiviertel
verkauft und der Betrag Ihnen nach Abzug unſerer Ge-
bühren in Summa von fünfzigtagſend vierhundert ſechs-
undvierzig Thalern dreizehn ein halber Silbergroſchen da-
Ihrem Wunſ tze gemäß haben wir unſeren

kauſend Thalern gegen Qaittung an Sie Jute ee
Daſſelbe Haus wird die von Ihnen auf unſer Inſtilut ge-
zogenen Wechſel bis zu obigem Betrage ſtets prompt dis-
| Mannheimer Bank.“
1 Kbe en ſtznden als Unterſprift zwei völlig un-
erliche Namen. D ‘
m SG 2 Fortfegung folgt.) !
 
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