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Pfälzer Bote für Stadt und Land (30) — 1895

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edaktion und Verlag von Jol. Cremer tus,
ZWingerſtraße 7.


für Stadt



Anzelge⸗Slatt für die Amtsbezirke Heidelberg
Eberbach, Sinsheim Eppingen, Weinheim, Schwegine
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen.
Tauberbiſchofsheim, Walldürn ꝛc. .
Dru von Gebr. Auer, Heidelberg, Zwinger 7.




beheben, Szeitag, dr 23. Auluſ 100

0 Jabtz

K

Die kriegeriſchen Erinnerungsfeſte

an die heißen Schlachttage von 1870 haben ſich in
den letzten Tagen ſo gehäuft, daß die Zeitungen ſich
Außer Stande ſehen, dieſelben auch nur alle zu erwähnen,
beſchweige denn ausführlich über ſie zu berichten.
Aber was dieſe Gedenkfeſte von Anfarg an ausge-
zeichnet hat, das gilt auch noch jetzt: man hält ſich
ftei von Chauvinismus, Herausforderung des beſiegten
Gegners und billiger Großſprecherei. Man behandelt
den Gegner mit Achtung und ſchwelgt nicht in Er-
anerung an die Ströme vergoſſenen Blutes, ſondern
ſkeut ſich der durch die kriegeriſchen Großthaten er-
kungenen Einigung und Kraft des Vaterlandes.

„In Frankreich ſcheint man unſere Beſonnen-
heit vielfach unangenehm zu empfinden; man hätte
Iſſenbar gern einen Anlaß, um über die Rohheit des

gbarbariſchen⸗ Sieges klagen zu können. Das beweiſt
zer Verdruß, den ein Theil der franzöſiſchen Preſſe
über die Feſte verräth; da es cn Grund, ſich be-
leidigt zu fühlen, fehlt, ſtempelt man die Feſte ſelbſt

u Beleidigungen und Herausforderungen. Als wenn
„ „höflichen“ Franzoſen überhaupt nur fähig ge-
weſen wären, als Sieger die Gedenkfeier mit unſerer
äßigung zu begehen! Der Figaro beſchimpft die
durch, indem er behauptet, ſie hätten 1870 Erpreſ-
Men, Diebſtähle, Plünderungen, Brandſtiftung und
Ford begangen. Man weiß noch zu gut, wie die
Franzoſen früher in Feindesland gehauſt haben, um
überzeugt zu ſein, daß ſie 1870 zum guten Theil das,
5 der Figaro zu Unrecht den Deutſchen vorwirft,
gangen haben würdev, wenn ſie nur gekonnt hätten.
ipudeß, wenn es den Franzoſen ein Troſt bei der Er-
mnerung von 1870 iſt, die Deutſchen zu verleumden,
werden wir ſagen: habeant sibi, wir bleiben bei
unſerer Ruhe und Maßhaltung.

e Kaiſer iſt darm allen mit gutem Beiſpiel
; f"“_mqmangen. Niemand hat zu den Gedenkfeiern häufiger
; nc.b“ffllda und mündlich das Wort ergriffen als er, und
ſſchnds hat er was geäußert, worüber die Franzoſen
; ich beklagen könnten. Der Kern iſt immer, was er am
iezontag auf dem Tempelhofer Felde ſagte: „Ohne
Jedes Gefühl der Selbſtüberhebung, in voller Aner-
FCanung der Tapferkeit und Ausdauer, mit der unſer
dener ſich ſchlug, ſind wir ſtolz darauf, daß durch
W. Sieg unſer Vaterland wieder geeinigt worden iſt.“

Ftied er weiter immer wieder unſere entſchloſſene
4 cheidensliebe betont, ſo könnte das überflüſſig er-
Auch en, da kein Unbefangener hieran zweifeln kann.
8 die Franzoſen zweifeln ſicher nicht daran, da

22

Roman von Philipp Laicus.
dem. Sage einmal, Lebrecht,“ begann ſein Bruder, „nach
zer + 008 ich über die Freiheiten, die ſich Dein Schwar-
gen herausnimmt, gehört, muß ich Dich in der That fra-
laſtn 15 ich 115 ibn ein Coubert bei Tiſche ſoll auflegen
er nicht“ .
{} r%t‚ßbqe das ganz nach Deinem Belieben,“ ſagte Leb-
mich Aeichgiltig den Dampf ſeiner Cigarre hinausblaſend,
Du c genirt es nicht, wenn es Dich nicht genirt. Willſt
auch 9. aber mit der Dienerſchaft eſſen laſſen, ſo habe ich
was ſichts dagegen und
ich ihm ſage.“
; tEnr"ßcfi habe mir ſagen laſſen, er greife in Deine Cigar-
ie und rauche in Deiner Gegenwart Deine Cigarren.“
ſogat Ja, ſagte Lebrecht, „er thut das öfters und unterläßt
del manchmal „Mit Erlaubniz“ zu ſagen.“
»So?“ meinte Leopold. „Das iſt aber ſonderbar.“
Bedi m,“ erwiederte Lebrecht, „meinſt Du denn, Dein
die (enter greife nicht in Deine Cigarrentaſche? Er raucht
zige igarren nur in Deiner Abweſenheit, das iſt der ein-
Aleihnierſchied, der für Dich dabei herauskommt, Dabei
zum der meinige ein ehrlicher Mann und der Deine wird
} pitzbuben.“ ; 5 .
éi@üm'ém%% dabei bleibe ich ſein Herr und Du wirſt ſein
Herr Ei, meint Du? Ich glaube vielmehr, daß ich der
Ram meines Dieners bin, während er ſich freut, mein
dienterad an ſein, und daß Du der Bediente Deines Be-
ö uten biſt, während Du Dich freuſt, ſein Herr zu ſein.“

„Jarocke Ideen!“ 1390 }
du „Jawohl, Leopold, barocke Ideen! Bücklinge kannſt
Du von dieſem Volke bekommen, ſo lang, ſo tief, ſo viele
Seele mer willſt denn wenn irgendwo, ſo hat hier die
0 5 den Körper gebildet, es ſind die eigentlichen Kaut-
ückanänner, nicht blos Kautſchuckſeelen, ſondern ſelbſt
mit Kat und Nacken von Kautſchuck. Aber das wollte ich
; Bir wetten, wenn Du zwei
gute und eine ſchlechte Du bekämſt von der guten

SE





ſie ganz gut wiſſen, daß uns ein Krieg nichts bringen
kann, was wir nicht ſchon hätten. Dennoch iſt die
Betonung der Friedensliebe ganz gut gegenüber der
böswilligen Anzweiflung, und weil ſie zugleich eine
Warnung iſt, denn es liegt in ihr zugleich der am
Sonntag vom Kaiſer eitirte Spruch Moltke's: „Wir
ſind nicht nur ſtark genug, den Frieden Europa's zu


Beſondere Beachtung verdient, daß der Kaiſer auf
dem Tempelhofer Felde abermals die Pflege der
Religion empfahl und vor Umſturz⸗Teudenzen
Schon vorher hatte er in Anknüpfung an die
Rede des katholiſchen Militär⸗Oberpfarrers Vollmar
zu dieſem geäußert, daß nach ſeiner Anſicht die vom
Redner betonte Pflichttreue das einzige Mittel ſei, um
die Sozial⸗Demokraten zurückzuweiſen, u. daß nament-
lich in der Schule darauf gedrungen werden müſſe,
daß die Kinder nicht allein mit dem Verſtande lernen,
ſondern daß auch das Herz gebildet werde. Ohne
Religion iſt aber ſowohl Pflichttreue wie Herzeus-
bildung unmöglich. Wenn ſonſt ein Monarch auch
nur den leiſeſten Wunſch äußert, ſo ſind alsbald
Dutzende dienſteifriger Leute bereit, denſelben zu er-


tet oft Unheil an. Wie kommt es aber, daß der
Monarch gerade dann ſo läſſige Diener findet, wenn
er von der Notgwendigkeit ſpricht, dem Volke die Re-
ligion zu erhalten? Wir wollen hier jetzt nicht von
Culturkampf, Jeſuiten, Volksſchulgeſetz uſw. reden,
aber wünſchenswerth wäre es doch, wenn die Rath-
geber und Diener der Krone nicht allein Eifer und
Thatkraſt entwickelten, wenn dieſe eine Verſtärkung
der Armee und Marine für nothwendig hält, ſondern
auch dann, wenn ſie von der Verſtärkung des religi-
öſen Fonds im Volk redet. Wir haben zwar das
Wort, daß die Regierung bei allem, was ſie thue,
ſich die Frage gegenwärtig halte: wie wirkt das auf
die Sozialdemokratie. Gut wäre es, wenn man ſich
dieſelbe auch einmal ernſtlich vorlegte bei dem, was
man nicht thut.

* Unſere Handelsverträge
mit den auswärtigen Staaten ſind vielen Leuten ein
Dorn im Auge, weil ſie glauben, alles Unglück, das
der Landwirthſchaft zuſtößt, käme nur von ihnen her.
Ihr Feldgeſchrei iſt deshalb: Fort mit den Handels-
verträgen! Sehr leicht iſt es, dem kranken Körper
unſeres Volksleben eine ſolche Kur ä la Doktor Eiſen-
barth zu empfehlen, aber die Folgen davon würden
noch ärger ſein als das Uebel iſt, das man be-

} und zwar auf
{ mit der demüthigſten
Miene, und der achtungsvollſten Haltung; die gute Flaſche
aber ſöffe er ſelber! Verlaſſe Dich darauf! Das mag barock
ſein, aber es iſt ſo!“ i '

Ich ſchenkte Hephäſtos ein Glas von der guten ein,
damit er es auf meine Geſundheit tränke, und das übrige
käme mir zu ſtatten Aber Du! Du bekämſt mit all Deiner
Herrlichkeit keinen Tropfen davon zu Geſicht.“

„Soll ich alſo für den Schwarzen ein Gedeck auflegen

Mir ist's einerlei, aber ich glaube, daß er lieber mit
der Dienerſchaft ißt.“ ;
} dE„@v? Mir iſt das auch lieber!“ bemerkte Leopold
rocken.
„Die paar Tage, die wir hier zubringen werden —“
„Willſt Du wiede, fort?“ fragte Leopold betroffen.
„Nun,, meinte Lebrecht, „ich will mir eine eigene
Wohnung ſuchen.“
„Hat Dir etwas gemangelt?“ ü
„Nicht das Geringſte. Ich bin Dir dankbar für Deine
freundliche Aufnahme, aber ſieh, ich bin ein eigner Kauz.
kann Dir nicht zumuthen, daß Du die Gewohnheiten
Deines Hauses nach mir richteſt, und
muthe ich mir dergleichen zu, weil ich in Allem mein ei-
gener Herr bleiben will. Wenn ich aber ein Häuschen in
der Nähe bekommen khunte, ſo wäre mir das angenehm.
Wir wären dann vereiniat und Jeder könnte doch ſein


„Es wird ſich das wohl machen laſſen,“ bemerkte Leo-
polb, und ging dann, um die nöthigen Vorbereitungen
zur Tafel zu treffen. | } ;

„ Heber Tiſch wußte Leopold mit großer Gewandtheit
die Vermögensverhältniſſe ſeines Bru-
ders zu lenken. Es ſchien ihm zwar ſo viel klar, das ſein


0 e in der Lage ſei, ihm mit ſo großen
Opfern beizuſpringen, als er ſie bedurfte, darüber hatte





kämpfen will. Die Sachlage iſt nämlich die, daß die


gen zeitweilig für gewiſſe Stände zum Nachtheil


ſchildert ein hervorragendes Mitglied der Centrums ⸗
partei die Zuſtände, welche eintreten würden, wenn
die Handelsverträge ſämmtlich aufgehoben wären. “r
ſchreibt darüber: „Nur Tarifverträge verbürgen, 0
wie heute die Verhältniſſe liegen, eine einigermaßen
ruhige und ſtetige Entwickelung unſerer ge-
ſammten Volkswirthſchaft, worauf es doch
vor Allem ankommt, wenn die hohe Spannung un⸗ 5
ſerer ſozialen Verhältniſſe allmählich zu einem verſüh-
nenden Abſchluß aufgelöſt werden ſoll. Schließt man
keine Tarifverträge, ſondern treibt „autonome Zoll-
politik“, d. h. behält man ſich das Recht vor, von
Fall zu Fall den internationalen Verkehr nach den
eigenen nationalen Intereſſen durch Zölle zu be-
einfluſſen oder zu regeln, ſo behält man allerdings
die Möglichkeit in dringenden Fällen die eigenen In-
tereſſen beſonders kräftig zu wahren; man bleibt aber
auch dauernd der Gefahr ausgeſetzt, daß die uns
umgebenden Völker genau das ſelbe thun u.
uns dadurch großen Schaden zufügen, namentlich
unſere Entwickelung empfindlich ſtören. Kurz, die
autonome Zollpolitik iſt ein großes Riſiko, welches
ſehr leicht dazu führen kann, uns und unſere wirth-
ſchaftlichen Intereſſen auf Gnade und Ungnade den
Intereſſen der fremden Völker und ſogar deren Au s⸗
beutung zu überliefern. Die Tarifverträge ent»
halten allerdings auch ein Riſiko, aber im Allge-
meinen ein ſehr viel kleineres; ihr Princip ift,
für eine gewiſſe Zeit Ruhe und Stetigkeit der Ente
wicklung zu ſichern, während bei einer „autonomen
Zollpotitik“ auf eine längere dauernde Stetigkeit von
vornherein Verzicht geleiſtet wird. Dieſe Geſichts⸗ 5
punkte bleiben vielleicht auch dann noch richtig, wenn
die jetzigen Handelsverträge abgelaufen ſein werden.
Auch daun wird es aller Vorausſicht nach immer
noch das Beſſere ſein, neue Tarifverträge zu ſchlie-
ßen, wenn man noch gute haben kaun. Aber das
Gegentheil, daß dann alle und jede Handelsverträge,
auch gute, welche die landwirthſchaftlichen Intereſſen
genügend wahren, verderblich ſeiu werden, iſt noch
viel weniger ſicher. ;
Unter ſolchen Umſtänden bezeichnet es das Cen⸗ }
trumsmitglied als ganz verwirrend, wenn bei den
Wahlen die Parole ausgegegeben wird: „Für oder
gegen die Handelsvertragspolitik.“ Dieſe Parole eign


er noch keine Gewißheit. Unter gewöhnlichen Umſtänden
würde ihm das fern gelegen haben, allein der Antrag
Gläſers hatte die Sache auf die Spitze getrieben. Konnte
er auf ſeinen Bruder rechnen, ſo würde er jede Verbin-
dung von der Hand gewieſen haben; wenn nicht, ſo mußte
er wenigſtens temporiſiren, und halb und halb war er
dann entſchloſſen, äußerſten Falles ſeine Tochter ſeiner Ge-


im Beſitze einer völlig unabhängigen Stellung und in
einer glänzenden Lage ſich ſchließlich auch nicht unglück-
licher fühlen würde, als hundert andere. Dn
„Oh,“ ſagte Lebrecht, „ich bin in der beſten Lage. Nach-
dem ich mich mein Leben lang viel gexuält, habe ich mich
nun mit Penſion aus den Geſchäften zurückgezogen und
will meine übrigen Tage der Vorbereitung auf meinen
Tod widmen.“ ; ;

Ei Onkelchen, bemerkte Dora, „Du mußt mir nicht
von Deinem Tode reden, denn wir wollen noch recht lange
zuſammen leben.“ ; \ ) ;

Wie Gott will,“ entgegnete Lebrecht. „Wenn er darin
mir folgt, läßt er mich hundert Jahre alt werden; aber 1
das iſt gerade etwas, was er ſich ſelbſt vorbehalten ha;
wenn er ruft, muß ich kommen.“ f

„Mit Penſion 2“ fragte Leopold, der weniger auf die
Todesgedanken, als auf die Vermögensgedanken ſeines
ruders einging. „Wie ſoll ich das verſtehen, wer hat
Dich denn penſionirt.“ 1 5

„Nun, wer denn anders, als der Herr, deſſen Vermö-
gen ich verwaltete. Ich beziehe vierundzwanzighundert
Dollars per Jahr, und denke, daß ich das vor meinem
Gewiſſen verantworten kann; denn ich habe mich recht-
ſchaffen gequält und glaube ein treuer Verwalter geweſen

„Ich meinte,“ ſagte Leopold mit ſehr langem Geſichte.
Dich für Dich gequält.“ f E {
; das habe ich aba 15 Lebrecht ſchmunzelnd.
ENNON .
Gortſetzung folgt.)
 
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