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Pfälzer Bote für Stadt und Land (30) — 1895

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x

Bwingeritraße 7

für Stadt


Anzeige ⸗ Blatt für die Amtsbezirke Heidelberg,
Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Weinheim, Schwetzin-
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen,

| Adelsheim, Walldürn . Ü

Druck von Gebr. Huber, Heidelberg, Zwingerſtr. 7.

ieee


I Ian

Ar Zl

Allerheiligen.

Leichter ſchlägt das Herz in Wonne,
Blickt es auf zum heil'gen Zelt
Wo im Glanz der Gnadenſonne
Jubelnd ſingt der Geiſter Welt.

Welch ein Rauſchen, welch ein Wogen,
Welch ein Sang an Gottes Thron!
Sagt, wo kommt ihr hergezogen?
Wie kommt ihr zu ſolchem Lohn?

5 Möcht' ſo gerne zu Euch kommen,
Mit euch ſingen Gott, dem Herrn;
Ach, hier kann's mir nimmer frommen,
Wo erbleicht des Glückes Stern! |

Klage nicht, du wack'rer Streiter!
Denke, daß auch wir geweint!
Thränen ſind des Himmels Leiter,
Die nach Kämpfen uns vereint.

Keiner kommt zu dieſen Schaaren,
Der nicht kämpfet wie ein Held;
Buße, Leiden und Gefahren
Sind des Himmels Löſegeld.

Wenn im heißen Kampfgewühle
Dem Soldat der Muth entſinkt,
Wenn ihm bei des Tages Schwüle
Rings der Feind zum Tode winkt,

Blickt er auf zu ſeiner Fahne,

Die von vielen Siegen ſpricht,
Daß ſie ihn zur Pflicht ermahne,
Bios im Tod ſein Auge bricht.

Wend' auch du in ſchweren Stunden
Aufwärts deinen trüben Blick! .
Hier iſt Heil für alle Wunden,
Fern vom Kreuz und Mißgeſchick.


Deutſches Reich.
; * Berlin, 31. Oktober.

— Bei der Etatsberathung im Kolonialrath fand der
Antrag auf Abſetzung des Landeshauptmanns am
ganjikaſee keine Unterſtützung. Bei dem Etat für Ka-
merun wurde bei der Frage der Erhöhung der Einfuhr
Fon Spirituoſen auf Antrag Heſpers beſchloſſen, die
Aegierung zu erxſuchen, über die Einwirkung von
Spirituosen auf die Bevölkerung der Schutzgebiete unter
Peranziehung von Beamten und ſonſtigen Intereſſenten,
beſonders der Miſſion are eine Berichterſtattung

N 81) Her Jonderling. (Nachdruck verboten)

Roman von Philipp Laicus.
Herr Lebrecht verſprach auch mit dieſem zu ſprechen
und wollte ſich dann empfehlen. Der Pfarrer hielt ihn
och mit der Bemerkung zurück, daß er ja noch ein Ge-
chäft mit ihm habe wegen eines Herrn Henri Lßblich.
„Ach ja,“ ſagte Lebrecht, „die Sache hat indeſſen ſo
Ziemlich ihre Bedeutung verloren, und ſo dachte ich nicht
mehr daran.“ .
Der Pfarrer erzählte ihm, daß er an ſeinen Amts-
bruder dorten geschrieben, der ihm auch ſofort auf das Be-
Titwilligſte alle Au kunft ertheilt. Die Eltern des Herrn
Henri Löblich ſeien arme Flickſchneider, die ihren Blut-
kreuzer daran gehängt, ihren Sohn eine benachbarte Real-
ſchule beſuchen zu laſſen; dann ſei derſelbe zu einem Kauf ⸗


zeit beſtanden, habe dieſer ihm eine Stelle verſchafft, die
er aber bald wieder verlaſſen habe. Seitdem ſei er bald
da, bald dort, und was man vor ihm höre, mache den
Eindruck, als ob er ein großer Windbeutel geworden. Da-
ſiach ſeien ſeine Briefe abgefaßt, in welchen er über ſich
gelber mit prahlenden Worten spreche, ohne daß er indes
jemals daran gedacht, ſeinen dürftigen Eltern eine Unter-
dützung zukommen zu laſſen. Da er indeſſen gerade kein
schlechtes Herz beſitze, ſo meinten dieſe, es ſei nur Wind,
Was er ihnen über ſeine günſtigen Verhältniffe vor mache.
un Nachdem noch Lebrech! dem Pfarrer beſtens gedankt
und ihm verſichert daß dies Urtheil ganz mit ſeinen Muth-
15 ungen übereinſtimme, empfahl er ſich, um ſeinen Bru-
er für den Geſellenvereim zu gewinnen. .
wan Dort hatte er aber einen ſchweren Stand. Leopold
wollte ſich durchaus nicht auf ſolche ultramontane Dinge
einlaſſen. Er laſſe gern Jedem ſeine Religion, und achte
es ſogar, wenn Jemand eine relegröſe Ueberzeugung habel;
. Aer ihn ſolle man mit ſolchen Dingen in Ruße laſſen.
wi würde ihn das ebenſowohl in ſeinen geſellſchaftlichen
. 355 in ſeinen geſchäftlichen Beziehungen ſtören und ihm
dadurch zu Schaden gereichen. V
— „Du bijt hier in großem Irrthum“, ſagte ihm Leb-


des Gouverneurs und der Landeshauptleute herbeizuführen
und dieſe Berichte dem Kolonialrath zur Grundlage für
ſeine weiteren Berathungen vorzulegen. Nach Mittheilung
des Vorſitzenden ſind die Verhältniſſe in Süd weſtafrika
durchaus friedlich Die Kupferminen im Norden von Otowi
ſind ſehr ergiebig. Auf Antrag des Herzogs Johann Albrecht v.
Mecklenburg ſprach der Kolonialrath ſein Bedauern dar-
über aus, daß ihm der Entwurf eines Auswanderungs-
geſetzes nur zur Begutachtung vorgelegt worden ſei.
Zur Frage der Ueberführung Strafgefangener nach
den Kolonien wurde nicht Stellung genommen, weil die.
Meinungen hierüber noch zu ſehr auseinander gingen.
Alle Etats wurden genehmigt. 5

— Der Krimiagalpolizei gelang es, eine Falſchmün-
zerwerkſtätte aufzuheben, die Zweimarkſtücke herſtellte.
Der Arbeiter Kramer und zwei mit ihm arbeitende Frauen
ſind verhaftet worden Viele, theils recht gut gegoſſene,
falſche Stücke ſind vorgefunden. Die Falſifikate ſind vor-
ande 13 5 15 die Prägung und der Klang ſind echtem

elde ähnlich. .

— Die Reichsregierung beabſichtigt, dem Bundesrath
und dem Reichstage noch in der bevorſtehenden Seſſion
eine Vorlage betreffs den Bau der Bahnlinie Dar-
es Salaam —U ka mi (Oſtafrika) zu machen, da die
begründete Hof nung beſteht, daß der von dem Comitee
der deutſch⸗oſtafrikaniſchen Centralbahn nach Oſtafrika ab-
geſandte Ingenieur Bormann das Material zeitig genug
beſchaffen werde. 51 .

— Der „Reichsanzeiger“ enthält vom Kultus⸗ u.
Juſtizminiſter ſowie dem Miniſter des Innern erlaſ-
ſene Anweiſungen über die Aufnahme und Ent-
laſſung von Geiſteskranken, Idioten und Epi-

leptiſchen in und aus Privatirrenanſtalten, ſowie über

Anſtalten. ;

— Im Prozeß gegen die Soz.⸗Dem. Dierl und
Genoſſen mußte der als Zeuge vorgeladene Baurath
Schwechten zugestehen, daß die Kameel⸗In-
ſchrift in der Kaiſer⸗Wilhelm⸗Gedächtnißkirche auf
ſeine Anordnung angebracht worden iſt. Dergleichen
Scherze kämen in mittelalterlichen Kirchen häufig vor.
(Solche 1 dürften heute aber anders beur-

ed. / ‘

* Meg, 30. Okt. Dem Metz er Domba u⸗
verein iſt allerhöchſten Orts die Erlaubniß ertheilt
worden, für die zum Beſten des Metzer Dombaues
beabſichtigte zweite Geld lotter ie 1 Mill. 500.000
Looſe im ganzen Bereiche der preußiſchen Monarchie
zu vertreiben.

Aus Bayern, 29. Okt. „Juchsmühlerei! in
Neuendettelsau. Die „Südd. Landpoſt“ berichtet
von ähnlichen Zuſtänden, wie in Fuchsmühl, in der Ge-
meinde Neuendettelsau. Die dortige adelige Patronals-

geſchloſſen, nach welchem ſie (die Herrſchaft) vom Tage der

gerichtlichen Beſtätigung desſelben an ſich bereit erklärte,
für die Folgezeit zu allen vorkommenden Baulichkeiten bei

recht. „Man wird die Sache zuerſt verwunderlich finden,
und nachdem das eine Zeit lang geſchehen, wird man auf-
hören, davon zu ſprechen. Wo es Deine geſellſchaftlichen
Beziehungen ſtört, kannſt Du für dieſe Störung Gott
danken; denn ſolche Individuen, die daran Anſtoß nehmen,
ſinb keine Geſellſchaft für einen ordentlichen Mann, und
was die Geſchäftsbeziehungen anlangt, ſo glaube ich, ſind
wir darüber hinaus. Du verkaufſt Deine Wagre und nicht
Deine Ueberzeugung, und wenn die Einen deßhalb die Be-
ziehungen zu Dir abbrechen, ſo knüpfen die Anderen deß-
halb mit Dir an.“

„Aber das iſt ja gar nicht meine Ueberzeugung,“ ſagte
Leopold. „Ich bin allerdings auch katholiſch, aber
ſtarren Ultramontanismns theile ich durchaus nicht.“

„Das iſt Deine Sache,“ erwiederte Lebrecht, „obwohl
ich glaube, daß es am allerwenigſten einem Manne zu-
kommt, in ſolchen Dingen ſich von ganz verſchwommenen
Phantaſiegebilden leiten zu laſſen. Denn ſiehſt Du, wenn
Du ſagſt, ich bin auch katholiſch, aber nicht ultramontan,
ſo brauche ich Dich nur zu fragen, was Du denn eigent-
lich unter Deinem „katholiſch ſein“ verſtehſt, und Du wirſt
mir nur ſagen können, was Du nicht darunter verſtehſt.
Nämlich den Glauben an die Unfehlbarkeit, an die unbe-
fleckte Empfängniß und an dergleichen Dinge. Wenn Du
mir aber ſagen ſollſt, was Du denn eigentlich glaubſt, ſo
wirſt Du wenig zu erwiedern wiſſen.“ . ;

O, da biſt Du doch im Irrthum,“ meinte Leopold.
„Auch ich glaube an ein ewiges Weſen und an die Unſterb-
lichkeit unſerer Seele und. und

Schweige ſtill, Bruder, wir ſtocken ſchon; denn Du
glaubſt nicht einmal au den Sündenfall.“

„Ach laß doch ſolche Märchen für Kinder.“ |
Du glaubſt alſo auch nicht an die Erlöſung und a
die Gottheit Chriſti und an alle die Dinge, die daraus
folgen, und dabei ſchlägſt Du auf Deine Bruſt und ſagſt:
ich bin auch katholiſch. Bei Deinem Glauben könnteſt Du
ebenſogut 1 ich bin auch proteſtantiſch, ja es würde
Dir Niemand widerſprechen können, wenn Du Dich als
Anhänger Mohameds oder Zoroaſters erklärteſt; denn die




Kirche, Pfarr⸗ und Schulgebäuden zu Neuendettelsau das
nöthige Bauholz unentgeltlich verabfol gen
zu laſſen, weng von der Baubehörde die Nothwendigkeit
einer Reparatur oder eines Neubaues gehörig feſtgeſtellt
iſt. Trotz dieſes klaren Vertrages und der Thatſache, daß
die kal. Baubehörde die Bedürfnißfrage anerkannt hat,
proceſſirt die Gutsherrſchaft mit der Gemeinde, da ihr
Wald „ein Holzreichniß zu gemeindlichen Zwecken nicht
vertrage“ — weil in den letzten Jahren eben über alle
Gebühr Holz gehauen wurde. Wie in Fuchsmühl. ſo hat
auch hier das k. Bezirksamt ſich nicht auf die Seite des
klaren Recht es geſtellt und wollte gegen die Neuen-
dettelsauer noch ſtrafend vorgehen, was durch Berufung
an die kal. Regierung allerdings verhindert wurde.
Bereits zwei Termine der Gemeinde wurden in dieſer
Sache vertagt und ſchon verſchiedene Verſuche unternom-
men, die Angelegenheit in für die Gemeinde ungünſti-
gem Sinne zu erledigen. Hoffentlich wird auch dieſer Fall
in der (Laut neueren

Kammer zur Sprache gebracht.
Nachrichten hat der Miniſter des Innern nach Bekannt-
werden dieſer Vorgänge ſofort Erhebungen darüber an-
ſtellen laſſen. Red.) F „
* Andernach, 29. Okt. Die rheiniſche Provinzial ⸗
verwaltung iſt durch die weiteren Erklärungen des
Herrn Weber über die Verhältniſſe der Andernacher Ir-
renanſtalt veranlaßt worden, in eine neue Unterſuch-
ung der Angelegenheit einzutreten. (Herr Weber hat Ent-
hüllungen gemacht, welche denen von Mariaberg in nichts
nachſtehen. Red.) e „„
Hannover, 30, Okt. Eine Verſammlung von Ver-
tretern maßgebender Korporationen und Vereine beſchloß,
1889 hier eine Provinzial Gewerbe ⸗ u. Induſtrie-
Ausſtellung zu veranſtalten. | ; 1

. Ausland.
Wien, 29. Okt. Nach Mittheilungen, welche
der „Neuen Freien Preſſe“ aus Peters burg zu-
gegangen ſind, iſt die Meldung der „Times“ über die
mandſchuriſche Eiſenbahn (durch chin e ſi-
ſches Gebiet) richtig. Die Meldung, daß China
Rußland geſtattet habe, ſeine Kriegsſchiffe in Port
Arthur ankern zu laſſen, erſcheint unrichtig. Ruß⸗ ;

land hat eine derartige Forderung geſtellt, welcher
China jedoch nicht ſtattgegeben habe. (Siehe da-
gegen unter Hongkong.) ©
Wien, 30. Okt. Die Wahl Dr. Luegers
zum Bürgermeiſter von Wien wurde von der
Majorität mit ſtürmiſchem Beifall aufgenommen. Dr.
Lueger erklärte, die Wahl anzunehmen, falls er die
kaiſerliche Beſtätigung erhalte; die Nichtannahme wäre
eine politiſche Feigheit und eine Undankbarkeit gegen
das chriſtliche Volk ſeiner Vaterſtadt. Das neue Re-
giment ſolle ein Volksregiment, kein Regiment der
Rache ſein; der Minderheit ſolle ein entſprechender
Antheil an der Verwaltung eingeräumt werden. Das
Volk von Wien wolle nicht den internationalen Schwin-

\
— MO

glauben auch an ein höheres Weſen und die Unſterblich-
keit der Seele. Siehſt Du, Bruder, das iſt dummes Zeug.
Aber davon handelt es ſich ja gar nicht. Das überlaſſe
ich Deinem Nachdenken und der göttlichen Gnade, welche
Dich finden wird, wie ſie mich gefunden hat. Es handelt
ſich um den Geſellenverein. Ich weiß nicht, inwiefern die-
ſer Deiner Ueberzeugung widerſprechen ſollte. }
„Wie kann ich als Gegner des Ultramontanismus ei-
nen ultramontanen Verein begünſtigen?“ 1 ;
Wer hat Dir denn den Floh in's Ohr geſetzt, das
die Geſellenvereine ultramontane Vereine wären? Sie
dienen ſocialen Intereſſen und ſind Mitgliedern aller re-
ligiöſer Anſichten zugänglich. Sie pflegen nur das religiöſe
Gefühl inſofern, als die Religion nicht blos der beſte,
ſondern geradezu der einzige Kitt einer vernünftigen Ge-
ſellſchaft 1 5 ; „

„Oho

. „Ja, von zwei Dingen eins: Entweder herrſcht Gott
in einem Volke oder der Teufel, Religion oder Gewalt.
Es gibt kein Mittelding, ſondern höchſtens ein Uebergang
ſtadium aus einem Zuſtand in den anderen. Und da Du
nun ſelbſt Religion haſt, — Du ſagſt ja, daß Dn auch
katholiſch ſeiſt, — wie kann es da Deiner Anſicht wider-
ſprechen, einen Verein zu begünſtigen, welcher die Religion
pflegt? Nicht dieſes oder jenes Bekenntniß, ſondern das
religibſe Gefühl, das in jeder Menſchenbruſt ſchlummert,
das nur geweckt werden muß, damit es ihn dränge, ſich
demjenigen Bekenntniß anzuſchließen, das ſeine Vernunft
ihm als dasswahre zeigt.“ | Ö N

.So, bemerkte Leopold dagegen, „und darum werden
die Geſellenvereine von den Würdenträgern der katho-
liſchen Kirche empfohlen, gegründet und mit Leitern ver-
ſehen, damit ſich einer das Bekenntniß wählt,
Vernunft als das glaubwürdigſte erſcheint und
ſich demnach am beſten anvertrauen kaun? e doch,
Lebrecht, und laß Dir von dem katholiſchen Pfarrer
a der Glaube die Vernunft in Banden ſchlagen
muß!“ / ;

5 Gortſetzung folgt.)
 
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