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Pfälzer Bote für Stadt und Land (30) — 1895

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krſcheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ u. Feiertage
Reis vierteljährlich Mk. 1.20 ohne Trägerlohn u. Po
aufſchlag. Beſtellungen bei den Poſtanſtalten u. bei der
A Expedition Zwingerſtraße 7.
„Redakteur: 38


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Schutz der Sittlichkeit und Religion durch
die Staatsgewalt.


7. Febr. d. J. im Reichstage klar und beſtimmt das
grundſätzliche Ziel dargelegt, welches die Centrums-
fraktion bei Behandlung der „Umſturzvorlage“ ver-
folgt. Ihr Beſtreben dabei iſt, „die allgemeine
Staatsgeſetzgebung ſo zugeſtalten, daß
ſie den Geboten des chriſtlichen Sitten-
ge ſetzes, den Geboten der Sicherheitdes

Baterlandes, der Staats- und Geſell-
ſchaftsordnung und unſeres chriſtlich-
deutſchen Volks mehr entſpricht.“ Das
Centrum ſteht hier vor „Entschließungen von außer-
ordentlich tiefgreifender Bedeutung“, da es ſich „um
die Geltendmachung der Grundſätze des chriſtlichen
Sittengeſetzes, um die Erhaltung der Sicherheit des
Vaterlandes, um die Erhaltung der tiefſten Grund-
lagen unſerer Staats-, Wirthſchafts⸗ und Geſellſchafts-
ordnung handelt.“ 1 ; 7565

Daß das Centrum dieſes Ziel verfolgt, beweiſen
zur Genüge ſchon ſeine bisherigen Anträge zu § 111a.
Wenn der Radikalismus (Freiſinn und Sozialdemo-
kratie) in ſeinen mehr oder minder fortgeſchrittenen
Formen dagegen ſchreit und ankämpft, ſo iſt das voll-
ſtändig begreiflich; es iſt uns ein Beweis mehr,
daß das Centrum auf dem rechten Wege iſt. Wenn
in der Preſſe, auch in der befreundeten, ſach liche
Bedenken gegen Einzelbeſtimmungen und gegen die
Faſſung derſelben vorgebracht werden, ſo werden un-


genaue Prüfung derſelben eintreten. Doch dürfen wir
vertrauen, daß die Männer, welche das Centrum in
die Commiſſion entſandt hat, ſelbſt ſchon mit aller
Vorſicht vorgehen.

zeichnete Juriſten beſitzen, ſondern welche auch den
ganzen Kulturkampf mit durchgemacht und nicht ver-
geſſen haben, um mit dem Centrumsredner Gröber
in der Generaldebatte zu ſprechen, „was dienſteifrige
Polizeibehörden, Staatsanwälte und Richterkollegien
auch mit den Strafbeſtimmungen des gemeinen Rechts
leiſten können“; denn „das haben die Katholiken
Deutſchlands an ihrem Leibe in den 70er Jahren bös
erfahren müſſen“. Daß ſie Dank dieſes „ganzen


dauernde Geltung berechneten Beſtimmungen des Ent-
wurfs bei ihrer Dehnbarkeit unbedingt erfordern“,

Ber Erillantenſchmuck.

Ma Mathilde war eines der reizendſten und lebens luſtigſten
ei ädchen, und wie durch einen Irrthum des Geſchickes in
iner Beamtenfamilie geboren. Sie beſaß weder Mitgift,
deb Ansichten, noch irgend ein Mittel, bekannt verſtan-
en, geliebt, von einem reichen und vornehmen Manne ge-
beirathet zu werden; ſo ließ ſie ſich denn an einen ſubal-
einen Beamten des Unterrichtsminiſteriums verheirathen.
Die mußte ſich zu einem einfachen Leben beguemen, aber
ſie fühlte ſich dabei unglücklich, wie eine Erniedrigte; denn
unter den Frauen gibt es keine Klaſſe, keinen Rangunter-
ſchied, da ihr Reiz, ihr Zauber ihnen Geburt und Familie
erſetzen. Ihre angeborene Feinheit, ihre inſtinktive Ele-
ganz, ihr biegſamer Verſtand bilden ihre einzige Herrſchaft
und ſtellen das einfache Mädchen aus dem Volke in eine
Linie mit den größten Damen. Sie litt immerwährend, da
ſie ſich für alle Genüſſe und Bequemlichkeiten des Lebens
geboren glaubte. Sie litt unter der Aermlichkeit ihrer
ohnung, unter der Leerheit der Wände, der Häßlichkeit
des Möbelſtoffes All dieſe Dinge, die eine andere Frau
ihrer Klaſſe nicht bemerkt haben würde, quälten und peinig-
ten ſie. Der Anblick der bretoniſchen Magd, welche die
armſelige Wirthſchaft verſah, riefen in ihr troſtloſes Be-
Danern, verlorene Träume wach. Sie dachte an ſtille, tep-
pichbelegte Vorzimmer, die mit orjientaliſchen Tapeten be-
egt, durch Bronceluſtre erleuchtet ſein ſollten und an die
zwei großgewachſenen Bedienten, die, von der Wärme des
wächtigen Kamins, in den tiefen Fauteuils ſchlummern.
ie träumte von großen, mit Seidentapeten belegten
alons, von koſtbaren Möbeln, auf denen unſchätzbare
Nippes umherſtehen, und von kleinen koketten Bondoirs
doll füßer Parfums, wo man nach fünf Uhr mit intimen
eundinnen, den bekannteſten nad geſuchteſten Männern
flaudert, deren Aufmerkſamkeit alle f wünſchen und
Zerheiſehnen. Wenn ſie ſich zum Mittagsmahl an den
kunden Tiſch ſetzte, der mit einem ſchon drei Tage alten


er entzückt ausrief: „Es

Topf auf dem eigenen Herde! da dachte ſie an feine

Her doch nichts Beſſeres, als




; 5 e ber
ihre Eutſcheidungen treffen werden, wie Gröber an-


Wenn ſie es nicht ſchon aus Gewiſſenhaſtigkeit thäten,
ſo würde die politiſche Klugheit dazu nöthigen.


ung des Centrums laſſen wir die Darlegungen einer
Autorität erſten Ranges über das Recht und die
Pflicht der Staatsgewalt zum Schutze der Sittlichkeit
und Religion folgen. Es iſt dies der gelehrte Jeſu-
itenpater Cathrein, welcher in ſeiner Moralphiloſophie,
2. Theil Seite 457 alſo redet: ; 1 }

„Der hier vor Allem geltende Grundſatz lautet:
„Der von der Staatsgewalt zu gewährende
Rechtsſchutz dehnt ſich auf alle Rechte innerhalb
des Staates aus. Es gibt alſo kein Recht, ob groß,
ob klein, das ihr nicht heilig ſein und ſich ihres
Schutzes erfreuen ſollte. Eine Obrigkeit, die auch nur
in minder wichtigen Dingen die Rechte ihrer Unter-
thanen mißachtet oder mißachten läßt, untergräbt die
Grundlage, auf der ſie ruht. ;

Aus dieſem Grundſatze folgt, daß die Staatsge-
walt alle ungerechten Angriffe auf das Leben, die
Sicherheit, Ehre, Freiheit und das Eigenthum der
Unterthanen, wie Mord, Todtſchlag, muthwillige
Körperverletzung, Mißhandlung, Beraubung der Frei-
heit, Verleumdung und ſonſtige ungerechte Ehrenkränk-
ungen, Diebſtahl, Betrug, Wucher ue dergl., verbieten


alle dieſe Rechte von der Erhaltung des Ganzen und


dafür ſorgen: alſo Ungehorſam und Aufleh-
nung gegen die rechtmäßige Autorität, Aufreiz-
ungen zu ungerechten und gefährlichen Ruheſtör-
ungen beſtrafen. Auch darf ſie keine Verbind-
ungen dulden, welche die nothwendigen Grundlagen


Gehorſam gegen die rechtmäßige Autorität usw.


Bezüglich der Aufgaben der Staatsge-
walt in Bezug auf Sittlichkeit iſt zu unterſcheiden
zwiſchen direktem und indirektem Eingreifen derſelben.
Die Sittlichkeit, die Einhaltung der ſittlichen Ordnung
iſt nicht direct und unmittelbar der Staatsgewalt
unterſtellt. Dieſelbe beſteht hauptſächlich in der inne-
ren Geſinnung, hängt von der Freiheit des Willens
ab, iſt alſo inſoferne zunächſt Privatſache, welche der
Beaufſichtigung und Erzwingung durch eine äußere
Gewalt ſich entzieht. Niemand vermag Andere gegen
ihren Willen treu, wahrhaftig, keuſch, gerecht und

bunte Vögel und phantaſtiſche Wälder zu ſehen ſind, an
die exquiſiten Gerichte in wunderbaren Gefäßen beim
Geflüster von Schmeicheleien, die man mit einem geheim-
nißvollen Lächeln anhört, während man das roſige Fleiſch


Sie beſaß weder Toilette noch Schmuck, kurz, gar
nichts. Und doch liebte ſie nur das, glaubte ſich nur dafür
geſchaffen. Sie wünſchte ſo ſehr zu gefallen, beneidet und
geſucht zu ſein. Da trat ihr Mann eines Abends mit
ſiegesfreudigem Antlitz ein, ein Kouvert in der Hand hal-
tend. „Da iſt etwas für Dich!“ rief er.


„Der Unterrichtsminiſter und Madame Georges Ramponeau
bitten Herrn und Frau Loiſel, Ihnen die Ehre zu er-
weiſen und am Abend

Statt aber, wie ihr Mann es gehofft hatte, 2118 1 5
iſch un
murmelte: „Was ſoll ich denn damit beginnnen?“
„Aber, meine Theure, ich glaubte, Du würdeſt ſehr zu-
frieden ſein. Du gehſt nirgends hin und das iſt eine ſchöne
Gelegenheit. Ich hatte unendliche Mühe, die Einladung
85 erhalten. Alle Welt riß ſich darum und nur ſehr wenige
eamte bekamen ſie. Du wirſt da die ganze offizielle Welt
beiſammen ſehen.“ 1 5
Sie betrachtete ihn erregten Blickes und erklärte unge-
duldig: „Was ſoll ich denn anziehen, um hinzugehen?“
Daran hatte er nicht gedacht. Er ſtotterte: „Das


wenigſtens ſehr hübſch.“

Er ſchwieg verblüfft, außer ſich, als er ſah, daß
ſeine Frau weinte. Abel große Thränen rollten über
a e herab. Er rief: „Was iſt Dir denn ei-
gentli ;



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i 30. Jah
gottesfürchtig zu machen. Wenn alſo beiſpielsweiſe
der alte griechiſche Philoſoph Ariſtoteles und Andere
lehren, es ſei Aufgabe der Staatsgewalt, die Untera
thanen tugendhaft zu machen oder zur Tugend zu er-

Staatsgewalt befugt ſei, direkt den Unterthanen Vor-
ſchriften über ihr perſönliches, ſittliches Verhalten zun
geben, z. B. zu beſtimmen, wieviel und wann ſie
beten, faſten, Almoſen geben ſollen und dergleichen.
Wohl aber kaun und ſoll die Staatsgewalt Ein-
fluß üben auf das ſittliche Leben — indirect und
mittelbar. Das tugendhafte Leben der Einzelnen
iſt von der Umgebung und den allgemeinen Geſell.
ſchaftszuſtänden, in deren Mitte ſie ſich befinden, be-
dingt, und in Bezug auf dieſe Zuſtände kaun und
ſoll die Obrigkeit die Intereſſen der Sittlichkeit wahr-
nehmen. Das iſt die der Staatsgewalt zuſtehende
Sorge für die öffentliche Sittlichkeit.
Die Sittlichkeit iſt ein weſentliches Erforder nis
zur wahren irdiſchen Wohlfahrt der Menſchen: ein-
mal, weil ohne Treue, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit,
Liebe u. ſ. w. ein geordnetes Zuſammleben undenla
bar iſt; ſodann, weil die Einhaltung der ſittlichen
Ordnung für den Menſchen die nothwendige Vorbe-
dingung zur Erreichung ſeines ewigen Zieles iſt. Da
nun die Staatsgewalt für die Bedingungen zu ſor-
gen hat, die es allen Untergebenen ermöglichen und
erleichtern, ihr wahres irdiſches Glück zu erreichen,
ſo ſoll ſie das Böſe, das in die Oeffentlichkeit dringt
nach Kräften verhindern, das Gute dagegen ſchützen
und fördern. In einem Gemeinweſen, in welchem
das Laſter ohne Scheu ſich vordrängt und breit macht,

zu ſchwimmen. Sehr viele werden in ſich die Kraft
nicht finden, dem böſen Veiſpiel und der öffentlichen
Meinung widerſtehen und trotz allen Verlockungen
auf dem rauhen Pfade der Tugend zu verharren.
So werden die Grundlagen der Geſellſchaft unter-
graben, die ohne Keuſchheit, Treue, Mäßigkeit, Ge-
rechtigkeit nicht gedeihen kanns.
Die Staatsgewalt hat deshalb die Pflicht, das
Böſe, das in die Oeffentlichkeit dringt, nach
Kräften zu verhindern. Oeffentliche Auf-
forderungen und Anreizungen zum Laſter oder
Begünſtigungen desſelben darf ſie nicht dulden. s
iſt alſo unrecht, wenn die Staatsgewalt öffentliche
Schandhäuſer ungeſtört überhand nehmen läßt, oder
Kuppelei, Ausſtellung ſchamloſer Bilder, Aufführung
unzüchtiger Theaterſtücke, Verbreitung unſittlichert
Schriften (Romane) nicht nach Möglichkeit verhindert



Gar nichts Nur habe ich keine Toilette, und kann alſo
das Feſt nicht beſuchen. Gib die Karte einem Kollegen,
deſſen Frau beſſer ausgeſtattet iſt als ich.“ Aa N
Er war troſtlos und begann wieder: „Laß doch
ſehen, Mathilde, wie viel brauchteſt Du denn zu einer an-
nehmbaren Toilette, die man auch bei anderen Gelegen-
heiten noch benutzen könnte, zu Etwas ſehr Einfachem??; .
Sie überlegte einige Minuten, machte raſch einen
Ueberſchlag und fragte ſich ſelbſt, wie viel ſie wohl ver-
langen könnte, ohne ſich einer abſchlägigen Antwort auszu-
ſetzen. Dann ſagte ſie mit zögernder Stimme: „Ganz genau .
kann ich es nicht angeben, doch ich glaube, daß ich mit
400 Frcs. ſchon auskommen werde.“ 1 5
Er war ein wenig bleich geworden, denn er hatte ſich
gerade dieſe Summe bei Seite gelegt, um ſich ein Jagd-

einigen Freunden auf der Ebene von Nanterre jeden
Sonntag jagen wollte. Doch ſagte er: „Es ſei, ich gebe

erhältſt.“ . .

Der Tag des Feſtes nahte, und Madamne Loifel ſchien
traurig, unruhig, ängſtlich. Ihre Toilette war aber voll“
ſtändig fertig. Da ſagte ihr Mann eines Abends: „Was
fehlt Dir denn wieder? Seit drei Tagen biſt Du ſo
eigenthümlich.“ 3 „„

Sie antwortete: „Es ärgert mich, daß ich keinen

Schmuck, kein Juwel anzulegen habe, Ich werde ſo arm;
ſelig ausſehen. Da wäre es mir faſt lieber, gar nicht auf
die Soiree zu gehen.“ ;

Er meinte: „Du wirſt natürlich Blumen nehmen. Das
iſt in dieſer e ſehr modern, für zehn Fres. erhältſt
Du zwei herrliche Roſe n 8
Sie war nicht überzeugt. „Nein .. es gibt nichts
Erniedrigenderes, als unter reichen Frauen armſelig zu

erſcheinen “ 75 5 ; I Di bif _

Aber ihr Mann rief: „Wie närri u biſt! Suche
doch Deine Freundin Madame Foreſtier auf und but fie ;
Dir einen chmuck zu leihen. Du ſtehſt in genügend
 
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