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Pfälzer Bote für Stadt und Land (30) — 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.44154#0965
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deint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ u. Feiertage.
. %felä vierteljährl. Mk. 1.20 ohne Trägerlohn u Poſtauf-

' Nen Beſtellungen bei den Poſtanſtalten u. der Expedition.

Zwingerſtraße 7


füt Stadt



Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Weinheim, Schwetzin-
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten. Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Walldürn ꝛc. e

Druck von Gebr. Huber, Heidelberg, Zwingerſtr. 7


X

Die „Zuwachsſteuer“ in Frankreich,

kuf hinweiſen, daß dieſe Methode nicht neu iſt. 1848
fel zu den übrigen Steuern, welche die Ordensge-
alſchaften zu zahlen haben, wie Grund, Thür ⸗,
Aer. Kopfſteuer uſw., noch die Steuer der
wWodten Hand.“ Dieſe betrug für ſich allein 65
. der übrigen Steuern! Dieſes Steuergeſetz war
105 ſchon ein Aus nahmege ſe tz, das heute noch
Er damals fortbeſteht. 1880 wurde noch dazu die
Pre tragsſteuer des geſammten Vermögens zu 5
rz. auf die Ordensgemeinſchaften ausgedehnt. Der
Fabre wirn wird nicht etwa von den Beſteuerten
d bſt feſtgeſetzt, ſondern g anz willkürlich von
er Behörde. Beſonders wollte man die „ver-
eimlichten“ Beſitzthümer der Klöſter treffen. Seitdem
wurden die Klöſter alljährlich vom Keller bis zum
$ achboden, von der Hauskapelle bis zur Kirche
dauchſchnüffelt Alles wurde notirt, abgeſchätzt und
ann einfach der Ertrag beſtimmt. Nur Eines ließ
man ſtets bei dieſer Abschätzung außer Acht —
demlich die Schulden dieſer Klöſter. Dieſe wur-
158 nicht abgerechnet! Auch ſtörte man ſich gar
dich daran, daß z. B. die Werthſachen zum Gottes.
lenſt, die Kapellen, oder Kircheneinrichtung einen Er-
ag zicht lieferten. . ;
Die „Hiſtoriſch⸗politiſchen Blätter“ zeigen uns in
diuem eingehenden intereſſanten Artikel über dieſes
M ema an einem Beiſpiel, wie man in dieſer Weiſe
die klöſterliche Wohlthätigkeit belaſtete. Das St.
oſef⸗ Kranken haus in Paris, welches ge-

chweſtern aus den Krankenhäusern verbannte, hat noch
95 bedeutende Schulden la ſt. Im Jahre 1849
. urden darin 1800 Kranken umſonſt verpflegt.
d
A Ber Sonderling.
Roman von Philipp Laicus. ;
— za Sitdem Lebrecht dieſe und ſich jelbit als Männer cha-
Sie ite, hatte er ihnen ein Wort geſagt, das ihrem
deelbſtgefühle ſchmeichein mußte, und im Allgemeinen iſt
ker Arbeiter für nichts empfänglicher, als für erne Aner-
ſie nung ſeiner Perſon, und dies zwar gerad deßhalb, weil
\ 10 ihm in der Regel nicht zu Theil wird Dazu kam denn
5575 daß Lebrecht unumwunden die Berechtigung ihrer
er derung im Prinzipe gneckannt hatte, und damit hatte
. inſofern gewonnenes Spiel, als man von jeglicher wei-
ten Zerſtörung abließ und wiederum zu dem Wege der
uterhandlungen zurückkehrte. ;
„Wir haben aber dieſe Zulage nicht erhalten,“ fuhr
1 101 7 5 fort, der zuerſt das Wort an Lebrecht gerich-
hatte. ;

Nachdruck verboten)

Dei der Art und Weiſe,
öhe der Anſprüche }
Auf's Neue begann der Tumult ſich zu erheben.
ape Ruhig, Arbeiter! donnerte Lebrecht über die Ver-
. @a.mmlung. „Sprechen wir wie vernünftige Leute, nicht wie
finder, die ſich einander üßerſchreien.“ Dann flüſterte er
feinem Schwarzen einige Worte zu, der darauf zu Leopold
ding und mit dieſem ſprach. Er brachte ihm die Auffor-
derung Lebrechts, ſich zurückzuziehen und ihm die Sache
Au überlaſſen. 185 ;
; „Hört mich an, Ihr Männer,“ fuhr dann Lebrecht
8 „Es ſcheinen mir einige Mißperſtändniſſe vorzuliegen,
Sa aufgeklärt werden müſſen. Wir wollen einmal die
ache in aller Ruhe beſprechen.“ /

1 wie ſie gefordert wurde und der

los, und ſetzte ſich ganz behaglich auf eine Bank, die
beit drei Füße aus dem Tumulte gerettet hatte. Ein Ar-
ter ſprang eilig hinzu und erſetzte den verlorenen vier-

N iſchob Onkel Lebrecht dankte dem Manne mit einem
eundlichen Nicken des Kopfes, ſowie denn übertzaupt ſein








© AB EG NN }
Ausgaben betrugen 137,000 Fres., welche durch milde
Gaben gedeckt wurden. Von einem Ertrag konnte
gar keine Rede ſein, trotzdem betrug die Ertrag-
ſteuer 2250 Fres. neben der Todtenhandſteuer von
450 Fres., alſo zuſammen 2700 Frcs. mehr als
eine weltliche Privatkrankenanſtalt unter gleichen
Umſtänden! Wie viele Kranken hätte man für dieſe
Summe mehr verpflegen können! Wäre die Wohl-
thätigkeit in Frankreich nicht geradezu enorm. ſo hät-
ten unter dieſen Steuerverhältniſſen die Ordensge-
noſſeuſchaften ſchon läugſt Bankerott machen müſſen.

Als man ſah, daß dieſer Druck noch immer nicht
genügend ſei, um die Ordensthätigkeit ganz auszurot-
ten, ſah man ſich um ein neues Druckmittel um.
Dazu erfand man 1884 die ſogen. Zu wachsſteuer.
Die Sache iſt ſehr künſtlich. Bei jedem Todesfall


men, daß die anderen Ordensmitglieder ſich dadurch
bereicherten; dieſer „Zuwachs“ an Vermögen des Ein-
zelnen wird beſteuert. Beträgt die Hinterlaſſenſchaft
bis zu 20 Fres., dann müſſen 0,20 Fres. = 20
Centimes gezahlt werden. Iſt dieſelbe aber nur 21
Fres., dann beträgt die Steuer ſchon das Doppelte.


in die Hand, die Klöſter von Neuem zu plündern;
denn nicht die Obern haben die Nachlaſſenſchaft zu
beſtimmen, ſondern die Behörden. Bis zu dem vori-
gen Jahre (alſo 10 Jahre lang) wurde dieſe Steuer
noch nicht bezahlt, ſondern man ſtritt ſich an den
Gerichten herum. Anfangs erklärten die Gerichte
dieſe Steuer für unzuläſſig, da eine Doppel
ſteuer hier vothanden ſei; denn die .

er
im vorigen Jahre verurtheilte der Caſſationshof, die
oberſte Inſtanz, alle Geſellſchaften zur Nachzah-
lung der rückſtändigen Zuwachsſteuer. Dieſes Ur-


radezu den materiellen Ruin! Die ärmeren
Genoſſenſchaften werden mit der Vollſtreckung dieſes
Urtheils geradezu auf die Straße geſezt.

Um uns die Wirkung dieſes Geſetzes klar zu machen,
nur einige Beiſpiele. Ein Kloſter müßte für den Todesfall
einer einzigen Schweſter 2250 Francs Zuwachsſteuer zah-
len, obgleich die ganze Hinterlaſſenſchaft von der Behörde
ie Schweſtern von
Nevers ſollen jetzt ſeit den zehn Jahren zuſammen ſchon
25000 Francs Zuwachsſteuer zahlen, obgleich ihr ganzer
Beſitz von der Behörde nur auf 30000 Ir. taxirt iſt.
Wird das Urtheil an dieſem Kloſter vollſtreckt, dann müſſen
die Schweſtern Bankerott machen. .

Aber auch dieſe Steuerſchraube war den ſo frei-

zeigte wie Anfangs. Er ſaß vielmehr da mit ſeinem wei-
ßen Barte wie ein Patriarch unter ſeinen Söhuen, die eor-
furchtzvoll um ihn herum ſtanden. Freilich für alle Fälle
ſtand hinter ihm ſern herkuliſcher Schwarzer, das breite
Bowiemeſſer in der Hand und bereit, Jedem die Gurgel
abzuſchneiden, den ſein Herr ihm bezeichnete. Es hätte
deſſen aber nicht bedurft, denn es war merkwürdig, wie
dieſe wilden, eben noch ſo heftig tumultirenden Arbeiter
dem Einflaſſe Lebrecht's unterworfen waren. Und doch
war dies ſehr einfach. Sein Bruder hatte nur den richti-
gen Weg verfehlt. Er war als Herr aufgetreten in einer
Zeit, wo die Arbeiter nichts weniger als Sklaven find.
Er war ohne Zweifel ein ſehr milder Herr und hätte ge-
wiß für das Wohl ſeiner Arbeiter alles gethan, was in
ſeinen Kräften ſtand, aber er forderte dafür auch Unter-
werfung unter ſeine beſſere Einſicht, Beſcheidenheit und de-
mütbige Bitte, und das iſt heutzutage in dem Lohn für
die Arbeit nicht mitinbegriffen. Gibſt Du Dein Geld, ſo
gebe ich meine Arbeit. Das iſt der leitende Gedanke im
Verhältniß zwiſchen ee Glaubt der
Letztere dieſelbe Arbeit für weniger Geld zu erhalten, ſo
hat er damit noch nicht gezögert. Man betrachte nur die
vielen Schornſteine der Dampfmaſchinen, die alle keinen
anderen Zweck haben, als am Lohne des Arbeiters zu
ſparen. Wer will es da dem Arbeiter verübeln, wenn auch
er ſucht, für dieſelbe Arbeit mehr Lohn zu bekommen. Daß
er dabet immer richtig calculirt, das freilich dürfte ſchwer-
lich zu bejahen ſein. Aber ſein Recht, ſo zu calculiren,
kann ihm Niemand in Abrepe ſtellen. Und ob er dann
aus der Ausübung dieſes Rechtes Nutzen oder Schaden
zieht, das iſt ganz ſeine Sache, wie es Sache des Spucu-
lanten iſt, ob jeine Speculation glückt oder fehlſchlägt.
Nun war aber Leopold vollſtändig dieſem Gedanken-
gange fremd. Er ſchenkte ſeinen Arbeitern ſein Wohlwollen
Und geſtand ihnen kein Recht zu,

forderung, welche die Arbeiter auf ein ſelbſtſtändiges Recht

Despoten hatte er dann feine Leute mit ſeinem Grimme





Man wollte noch ſchneller den Orden den Hals zu-
drehen und deshalb verdreifachte man die
Steuer durch ein neues Geſetz am letzten
Charfreitag. Eine nette Oſtergabe!

Die Steuer iſt ſo, daß die reichſte Genoſſen-
ſchaft in kurzer Zeit aus geſaugt wird. Es kommt
alſo darauf an, ob man den ſchnellen gewaltſamen
Mord oder den langſamen Selbſtmord wählen will,
Um nun einen Zwiſt und
Uneinigkeit unter die Genoſſenſchaften zu tragen,
verſpricht — wir ſagen: verſpricht — man den


laß der Steuer)! Aber wird das Verſprechen ge-
halten? Und wie lange? Sie wären alſo auf
Gnade und Ungnade von einer heidniſch⸗ liberalen Re-


Wirkung, daß die Katholiken ſich einigen und ernſt


Kloſterſtürmer aufnehmen. (Nach einer jüngſten Mel-
dung ſollen die Orden beſchloſſen haben, ſich zu unter ⸗
werfen, und ſoll der Fiskus dagegen in der Stun-
dung der bedeutenden Rückſtände äußerſt nachſichtig
ſein. Das Unheil iſt damit nicht beſchworen.)

Deutſches Reich.
Berlin, 18. Oktober.


Hopfen ⸗Ausſtellung des Vereines „Verſuchs n.
Lehranſtalt für Brauereien in Berlin“ in Gegenwart des
Landwirtzſchafts Miniſters eröffnet. Profeſſor Delbrück
führte in ſeiner Anſprache aus, die Beſtrehn €
gen Vereins, der deutſchen Landwirthſchafts⸗Geſellſchaft


deutſche Brauin duſtrie in den Stand zu ſetzen,

Rohſtoffen anzuſpornen So werde hoffentlich bald das

Band der Intereſſenharmonie zwiſchen der heimiſchen
Landwirthſchaft und dem deutſchen Braugewerbe immer
feſter geknüpft und die gegeghſenge obwaltenden Werthbe-
ziehungen, die ſchon jetzt 300 Millionen Mark jähr-


* München, 18. Okt. Die „Münchener Poſt“ ſchreibt-
Beim Infanterieleibregtment kam ein hoher Militär (Re-
gierungskommiſſär 2) in die Küche und ließ ſtrengen Befehl
geben, daß 15 die Zukunft der Menage Speiſe⸗Anſtalt)
die allergrößte Aufmerkſamkeit zu ſchenken ſei. Man ſolle
nicht am falſchen Orte ſparen und ſpeziell den jetzt ein-
berufenen Rekruten genügen de Koſt verabreichen Wenn
die Leute Eſſen nachholen wollen, ſo ſoll man es ihnen
züchtigen wollen, und ſo kam die Revolte, gegen welche
kein anderes Mittel übrig blieb, als die Polizei. }
Lebrecht hatte in Amerika ein anderes Verfähren in
fiche Lage der Dinge kennen gelernt. Dort hertſcht eine
olche wohlwollende Bespotte nicht, und der einfache Ver-
trag regulirt auf dem Fuße vollſtändiger Gleichheit die
Verhältniſſe. Er verſuchte es daher bei den Arbeitern auf
dieſem Wege, und nachdem er ſich durch ſeinen Muth erſt
einmal Gehör verſchafft, hatte er durch ſeine unumwundene
Anerkennung ihrer Berechtigung ihr Vertrauen erworben,
und er konnte faſt ſagen, daß er durch dieſen plötzlichen
Wechſel der Dinge von den Arbeitern an die Spitze der
Bewegung geſtellt worden ſei. „
Man hatte indeß in den geſammten Fabrikräumlich-


nen daher in dem Saale auch di
Werkführer, welche ſich im Maſchinenhauſe poſtirt hatten,
und es war nun eigenthümlich, daß in den folgenden Un-
terhandlungen gerade diejenigen Arbeiter am entſchieden-
ſten für ihre Forderungen einkroten, welche ſich gegen die
Zerſtörung am heftigſten widerſetzt hatten, und Diejenigen,

welche mit der Schnapsflaſche in der Hand große Worte


ſich in die hinterſten Reihen zurück. }
„Nun denn, meinte Lebrecht, „ſo ſprecht einmal. Was
wolltet Ihr denn eigentlich?“ 5 .
„Wir haben ein Drittel Lohnerhöhung verlangt,
meinte einer der Arbeiter, „und wir können anders nicht
mehr beſtehen. Alle Bedürfniſſe ſind in die Höhe gegan ⸗
gen, und wenn daher unſere Einnahmen nicht ebenfalls
0 werden, ſo bleibt uns nichts anderes übrig, als zu
hungern.“ . „„ .
„Ei,“ meinte Lebrecht, „Ihr habt eigentlich nicht nö:
tig, mir die Gründe Eurer Lohnerhöhung auseinander zu
ſetzen. Ihr ſeid die Herren Eurer Arbeitskraft und könnt
daher für dieſelbe fordern, ſo viel Ihr wollt, und wer ſie
für Euren Preis nicht mag, der iſt ja nicht gezwungen,

fe nehm ft! g
| ‘ é H.ortſetzung folgt .
 
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