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Pfälzer Bote für Stadt und Land (30) — 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.44154#0801
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lag. B
Redaktion und Verlag von Jof. Eremerius,







Anzeige ⸗Blatt für die Amtsbezirke Heidelberg,

Eberbach, Sinsheim, Eppingen,

gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Walldürn ꝛe. 5

Druck von Gebr. Huber, Heidelberg, Zwingerſtr. 7.


— Zwingerſtraße 7 ;
Nr. b.



90. Jahrg.

Nachklänge zum Katholikentage in
München.

(Eigenbericht des „Pfälzer Bote“).
H Starnberg, 29. Aug.

Die Tage raſtloſer Arbeit ſind zu Eude. Wie
nach dem Manöver die Kritik, folgte auf die abge-
haltene Verſammlurg eine meiſterhafte programm-
Albige Schlußrede für das Verhalten in der Zukunft.
an dem nun verlaſſenen Sammelplatz, wo zur ge-
altigen Heerſchau des kath. Volkes, zur imponiren-
don Kundgebung ihrer reiigiöſen Ueberzeugung aas
alles Gauen, „ſoweit die deutſche Zunze klingt“,
bundſende katholiſcher Männer ſich einfanden, werden
9 wieder die taktgemäßen wuchtigen Hammerſchläge
der Käfer auf die eiſernen Reifen der Fäſſer und Ton-
nen niederdröhnen und erinnern, daß die Feſthalle
eder die alte Faßhalle geworden. Die Feſtgenoſſen
. t#*ßreuen ſich vom Centralbahnhof nach allen Rich-
. Boden ; ſehr viele verbleiben in der Nähe Münchens.
de allem iſt der Starnberger See, auf den der
ünchner mit Fug und Recht ſo ſtolz iſt wie der
Heidelberger auf ſein Schloß, das große Faß u. den
duigſtuhl, der beliebteſte Ausflugspunkt. Ein ent-
zdiückendes Bild entrollt ſich vor unſeren Augen: Die
— Slißernde bisweilen wellengekräuſelte Fläche des See's,
gie majeſtätiſche Alpenkette im Hintergrunde vom
Sendelſtein bis zur Zugsſpitze; an den Ufern des
7 er s Laub⸗ und Tannenwälder abwechſelnd mit ſaf-
en Wieſen, aumuthigen Gärten, herrlichen Land-
keuſern auf janft auſteigen der Höhe.
ſichſte Wetter! — „Schloß Berg!“ Die Paſſagiere
Sonden unter Schweigen oder Flüſtern zu der dem
$ loßparke zugewandten Seite des Schiffes. Der
Feemde fragt natürlich nach der Stelle, wo König
gudwig II. ein ſo erſchütterndes Ende gefunden.
Gente Bayern glauben gar nicht an den offtziellen
kricht über des Königs tragiſches Geſchick. Sehr
S tereſſante Anſichten kann man hören über den König,
. yföm Irrenarzt Guden, die Regierung uſw. Eine
bümliche Legende hat ſich ſeit dem Unglückstaz ge-
duldet und ich hüte mich, es dem Papier anzuver-
frauen, wie in dieſem Stücke der Gebirgler ſeine An-
ſicht kundgibt. Beſonders gibt der ſich verzögernde
uſbau der Votivkirche an der Unglücksſtätte zu der-
en Geſprächen Veranlaſſung. „Z'erſcht muaß ob'n
. der Rottmannshöh der Biesmark ſon Denkmol
doe, dann erſcht kimmt d' Kirrch'n for'n Küni, aber
arte (ſiehſt du), do bring'ns holt d'liberolen Lakel

5 1 er Fond erlin g. (Rachbruck verboten.
Roman von Philipp Laieus.

} 5. Kapitel.
0 In demſelben Augenblicke, wo Herr Lebrecht Ber nau
Heſein Zimmer trat, krat auch Herr Gläſer, von ſeinem
schiene zurückkehrend, in das ſeinige, Beide mit ſehr ver-
Lnnedenen Gefühlen. Während Lebrecht ſich ganz bergnügt
3 G16 Eigarre anbrannte und Schreibzeug zurechtlegte, war
mniſer ärgerlich und mürriſch, ohne eigentlich irgend Je-
bei id einen Vormurf machen zu lönnen. Seine Aufnahme
gag Leopold machte ihn wüthend. Er konnte freilich nicht
} Lege“. daß irgend ein Verſtoß gegen die Höflichkeit oder
\ hegfiäl[teitanb vorgekommen; aber das konnte er ſich nicht
n,
] Nane verſchwägern will. Die verlegene Höflichkeit
beicht der

6 große Reſpekt, den der Kaufmann vor dem
derlde zu gaben pflegt. Dieſen Vorwurf konnte man aber
el Frau Bernau ſicherlich nicht machen, und ihre Höflich-
bil ieng keineswegs den Stempel der Verlegenheit, als
Bilmehr den einer vornehmen Herablaſſung, ſo daß jeder
nei ihm ſagte: eigenklich würde ich Dich lieber hinaus-
3 berſen, da ich Dich aber einmal dulden muß, ſollſt Du
dochioſtens fütlen, daß Du mir nicht ebenbürtig biſt. Und
Do ärgerte ſich Gläſer weniger über Henriette, als über
den dz, Da er ſelbſt nämlich die ganz gleichen Gefühle ge-
. 0 Bernau hegte, weil dieſer in ſeiner Hand war, ſo
Geſand er die Gefühle Henriettens zu würdigen, und das
5 mütz lachte ihm bei dem Gedanken, daß er an dieſem hoch-
5 Us digen Weibe keine gelungenere Rache nehmen könne,
9 wenn er ſie zwang, ihn als Schwager anzuerkennen.
Dos Uebrige, meinte er, mürde ſich ſchon finden. Gegen
bor a aber ſprudelte ſeine Wuth in hellen Flammen em-
Gli Dies einfältige Ding, ſchrie er, und ſtieß feinen
linder auf den Tiſch, datz der Filz zuſammenkrachte,
aateint mir ins Geſſcht darüber, daß ich ihr Sch
waer ſein werde! Warte! Warte!
warf mit Heftigkeit ſeine Handſchuhe in den Hut. „Sei





8 Geld niat zamm, wall's fein ihr Botriotismus niox
is, wonns hoaſt: zohlen. Riecht hob' ns ſcho a, walls
der Bismark niat amoll n' Kaas for d' Orwatter
(Arbeiter) geebn hot, wo's eam (ihm) dös füll Zaigs
hob'n einigſchofft.“ —

Natürlich wird bei einer ſolchen Rundfahrt um
den See Vieles geſprochen über den Katholikentag.
Der Nichtbayer oder Nichtmünchner hält ſich darüber
auf, daß ſelbſt während der Vorträge das bayeriſche
Moßerl nicht zur Ruhe kommt und hunderte in den
angrenzenden Nebenlokalen ſich wenig um die Reden
kümmern. Außer in Würzburg haben wir dies auf
keiner Katholikenverſammlung ſonſtwo getroffen. Doch


innern: „Zieh' ich ins Bayern naus, dort is das Bier
zu Haus!“ Jene, die in den Nebenräumen dem „Stoff“
zuſprachen, konnten wegen Ueberfüllung der Feſthalle
keine Billets mehr bekommen. Uebrigens ſtört den
Münchner ſolche bisweilen ungehörige Verquickung
durchaus nicht. ;

Der Verkehr auf dem Schffe ift ein ſehr zwang-
loſer. So kamen zwei Kunſtmaler aus Weſtpreußen
auf mich zu und drückten ihr Befremden aus, daß
kath. Münchner ihnen gegenüber über die General-
verſammlung arg geſchimpft hätten; wer bei ihnen im
Norden katholiſch ſei, der ſei von Herzen ka-
tholiſch und bekenne immer Farbe; Münchner Ka-
tholiken ſeien geradezu das Gegentheil, überhaupt gebe
es in Bayern keinen thatkräftigen Katholizismus. Das
konnte ich nur theilweiſe zugeben, denn ich habe eine
herrliche Manifeſtation kath. Levens in Regensburg
gelegentlich eines Beſuches in Niederbayern geſehen.
Das kath. Kaſino von Bamberg und Nürnberg machte
unter der Führung des Pfarrers Gütle aus Kersbach
und unter Aſſiſtenz anderer Geiſtlichen in einem Extra-
zuge eine Wallfahrt nach Altötting. In jedem Wagen
leitete ein Geiſtlicher Geſang und Gebet. Am Bahn-
hof in Regensburg ſtellten ſich die 400 Männer in
Proceſſion auf und zogen unter Abſingen des Liedes:
„Gegrüßet ſeiſt du Königin“, unter den Klängen einer
guten Muſik, begleitet von einer großen Menſchen-
menge in den Dom. Wie ich ſpäter in München
von den Wallfahrern ſelbſt hörte, haben alle ohne
Ausnahme die hl. Sakramente empfangen und durften
das Gnadenbild küſſen, das mit Genehmigung der
Regierung (11) von ſeinem Standorte herabgenom-
men wurde. Das iſt doch auch ein Zug echt katho-
liſchen Lebens unerſchrockener Männer aus der Soz-
zenſtadt Nürnberg und der Biſchofsſtadt Bamberg. —

Du mir nur erſt einmal hier im Hauſe, dann will ich Dir
die Zimperlichkeit ſchon austreiben. Und wenn Du Deine
1 0 10 5 zu 1 n licht echt 1 r 111
lich an ernſteren Gründen nicht fehlen! .. Horatius!
Schlingel! Wo biſt Du?“ ;

„Hier, Vater!“ flötete die ſanfte Stimme des jungen
Gläſer, und binter einem großen Stehpulte tauch'e lang-
ſam der Kopf, dann der Hals und endlich die Schultern
des ſchüchternen Menſchen hervor, der beim Eintritt ſeines
Vaters die Naſe ſo dicht auf das Papier gebeugt hatte,
daß man ihn nicht ſehen konnte. :

„Heute Mittag machſt Du bei Bernau's Beſuch! Daß
Du mir liebenswürdig biſt, Eſel, ſonſt reiße ich Dir die
langen Ohren aus!“

„Ja, Vater!“ }

„Hast Du die Zinsberechnung für den Möbelſchreiner
Kurtzmann gemacht!“

„Ja Vater IS 1

„Wie viel beträgt meine Forderung im Ganzen?“

„ Capital und Zinſen zweitausend dreihundert vierund-

vierzig Thaler.“ n !

Gläſer trat an's Fenſter und trommelte gegen die
Jenſterſcheiben, wie er zu thun pflegte, wenn er über etwas


zahlt.


te er dann, „es ſind jetzt beinahe e nich Tha-
e n



ſer gar raſch. Ans Land geſetzt machten wir in Ge-

ſellſchaft einiger Herren eine kleine Wallfahrt zu dem
idylliſch gelegenen Maria Eich bei Planeggeu iratem
die Heimreiſe an, allerdings mit gemiſchten Gefühlen:
Wäre ich noch wie ehemals ein naturaliſirter Bayer,
„wo die Donau brauſend geht.“

Deutſches Reich.

Berlin, 1. September.

— Die für den Sedantag geplanten 6 ſo zial-
demokratiſchen Verſammlungen werden wicht
ſtattffinden. Das Denkmal für die ſozlaliſtiſche Agitalorin
Fräulein Wabnitz wird nicht am Sedantage, sondern
eine Woche ſpäter eingeweiht werden.
doch für gut befunden, ſich wenigſtens etwas anſtän-
dig zurückzuhalten. Red.)

— Der Untergang des Torpedobootes
„S 41“ erregt, abgeſchen von der Theilnahme für
die unglücklichen Opfer, im größten Maße das Inte-
reſſe der Marinekreiſe. Es iſt das erſte Mal, daß
ein deutſches Torpedoboot auf offener See unterge-
gangen oder gekentert iſt. Anderen Marinen, nament-
lich der franzöſiſchen, iſt das oſt paſſirt. Man nahm
bisher an, daß die deutſchen Boote ſo ſtabil u. ſee-
tüchtig ſeien, daß ſie auch bei ſchwerem Unwetter jede
Reiſe zurückzulegen im Stande ſeien. Zahlreiche
Proben dafür liegen vor. Die ſelbſtverſtändlich ein-
zuleitende Unterſuchung wird erſt ergeben, ob wirklich
kein Fehler der Führung den Untergang des Schiffes
veranlaßt hat. Es gibt Marinetechniker, die das .
Kentern des Bootes ohne ſolchen Fehler für un mög-
lich erklären. . :

* Mainz, 31. Aug. Der Kaiſer hat den Groß-
herzog von Heſſen bei der Parade zum Gene-
rallieutenant ernannt.

Augsburg, 31. Aug. Geſtern wurde die 38.
Generalverſammlung des Allgemeinen deutſchen
Genoſſenſchafts verbandes geſchloſſen. An-
genommen wurde ein Antrag, dahin zu wirken, daß
die gegneriſchen Beſtrebungen im Reichstage bezüglich
der Konſumvereine hintangehalten werden,

durch Gründung von Handwerkergenofſenſchaften em
fiehlt. Hierbei ſollen die zu gründenden Handwerker-
genoſſenſchaften Deutſchlands thunlichſt von den be-
ſtehenden Genoſſenſchaften unterſtützt werden.
Friedrichsruh, 31. Aug. Etwa 40 a mer i⸗
kaniſche Veteranen mit 20 Damen kamen am
Donnerſtag um 11 Uhr aus Hamburg und nahmen.

hinaus! Und doch, ich muß über ſeine Verhältniſſe
in's Klare kommen!“ .

Damit ergriff er den Schellenzug und riß heftig daran.
Sein Bedienter trat ein.

„Peter,“ begann Gläſer, „geſtern war Bernau's Jean
bei Dir.“

„Ha, Herr Gläſer.“ .
5 5 hat er von ſeiner Herrſchaft geſagt?“
%% }
Statt jeder Bemerkung legte Gläſer einen Doppel-
thaler auf den Tiſch und deutete mit ſeinem Zeigefinger
auf denſelben. -

„Was hat er geſagt?“ }

„Fräulein Dora ſoll ſich verheirathen.“

„Das weiß ich.“ E

„Aber ſie und ihre Mutter will nicht.“

„Das weiß ich auch.“ .

„Und der Bruder des Herrn Bernau will auch nicht.“

„Dieſer Bruder iſt wohl ſehr reich?“ 8

„Es ſoll nicht ſo weit her ſcin.“ 5

„Nicht?“ fuhr Gläſer plötzlich auf, und ein Strahl
boshafter Freude zog über ſein Geſicht. -

„Eigenes Vermögen hätte er gar nicht.“
505 bewiß 5 mir da ſagſt?“ fragte Gläſer lauernd. „Iſt
as gewiß?“ D

„Ja, er hat nur eine Penſion von fünfundzwanzighun-
dert Dollars.“ * ;
»Und von wem hat er dieſe?“ 5
„Von einem Herrn, deſſen Vermögen er verwaltete“

Ei, ei, das iſt ja ſonderbar! Nimm den Doppeltha-
ler und geh... Ah, ah,“ fuhr er auf, als der Bediente
fort war, „jetzt habe ich Dich im Netze, und keine Macht
der Erde ſoll Dich mir entreißen!“ 1
e e e n eee
enden Gefühle hingab, wie er ſich ſü i Ver-
achtung, welche ihm die Geſellſchaft in allen nicht nationgl-


hatte ſich Herr Lebrecht

h Lebred 115 Entwerfung eines
an die Gläubiger ſeines

ruders zurecht geſetzt und bereits
 
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