Picent agi ch mit Ausnahme
Zwingerſtraße 7
für Stadt
Anzeige⸗Blatt für die . en Heidelberg,
Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Weinheim, Schwetzin-
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Walldürn ꝛc. 1
Druck von Gebr. Huber, Heidelberg, Zwingerſtr. 7.
E
Seidelberg, Montag, den 7. Ditober 1685
J. A.
; 9
Nr. 20
Confeſſtonelle Hetze
ſondern Gleichen treibt ſoeben wieder der „Evangel.
Zund“ auf ſeiner gegenwärtig in Zwickau (Sachſen)
nagenden Generalverſammlung. Man erſieht das aus
dem Berichte der gewiß unverdächtigen frei⸗conſerva-
liven „Poſt“. Nach der Feſt⸗Duverture über den
Choral „Eine feſte Burg“ nahm Oberbürgermei-
ter Streit das Wort. Er betonte die engen Be-
ziehungen, welche die Stadt Zwickau mit der Refor-
mation verbinde, und wies auf den confeſſionellen
Frieden hin, der in Sachſen herrſche. Aber von der
Aeberzeugung aus, daß die evangeliſche Kirche
in Sachſen nur gedeihen könne, wenn die Kirche in den
anden Ländern kräftig ſei; in Folge der In-
loleranz und Bekehrungswuth Roms
müſſe alles unterſtützt werden, was zur Abwehr von
Angriffen von Seiten Rom's diene. Darum werde
die Bürgerſchaft ſtets für den „Evangeliſchen
und“ eintreten, und darum heiße er im Namen der
Stadt alle herzlich willkommen.
11 Darauf erhob ſich Schul⸗Direktor Schil-
} b—‘_ng und führte etwa das Folgende aus: Eine ge-
Neihliche Entwickelung unſeres Volkes ſei nur dann
; “’%“ÖQIWI)‚ wenn es alles einſetze für die Verwirklichung
er Ideale des evangeliſchen Chriſtenthums u.
ſeiner Tugenden. Nicht Unfrieden wolle der Bund
ſtiften und kämpfen gegen katholiſche Mitbürger,
boundern ſeine Thätigkeit richte ſich gegen den va-
ticaniſchen Geiſt, der alle Confeſſionen
bverderbe. Wir erheben Proteſt gegen die, die den
kunnen unſeres Heiles und Lebens verſchütten wollen.
Duſch den Mund des Superintendenten
des Evangeliſchen Bundes ſeinen Gruß. Es iſt,
ſagte er, offerbar geworden, daß Rom, welches auf
ie Lauheit und Spaltung der Proteſtanten ſpekulirte,
falſch gerechnet hat. (Beifall.) Tauſende haben ſich
erhoben für das Erbe der Reformation. Mehr werden
noch kommen und zeigen: „Wir, als die von einem
Stamme, ehen auch für einen Mann“ (Beifall) für
hriſtus, in dem das Heil der Welt iſt und der
och in Rom immer der letzte geweſeniſt.
Cebhafte Zuſtimmung.) Wir in Sachſen ſtehen nicht
o im Feuer des Kampfes. Unſere Verfaſſung läßt
pärlich Spielraum für die ultramontanen Umtriebe.
Trotz alledem iſt der Geiſt und die Abſicht der ul-
tramontanen Führer an der Elbe derſelbe wie am
Rhein und an der Iſar. Bei uns hier fehlt es
nicht an leiſe ſchleichender Propaganda, welche ſich
%) Ber Sonderling.
Roman von Philipp Laie us.
j ‚ „Dora,“ entgegnete Lebrecht, „wenn Du mir nicht ver-
Deichſt daß dieſe Liebelei ein Ende nimmt, „ſo muß ich
Deine Eltern davon in Kenntniß ſetzen.“
10 Bei dieſen Worten richtete ſich Dora hoch auf. „Das
D e"äfl#b ſelbſt, Onkel,“ und damit wollte ſie ſein Zimmer
en.
einn „Dora, noch ein Wort, ſagte Lebrecht. „Wenn ich
nat ſterbe, wirſt Du reicher werden, als irgend Jemand
dieſer Stadt; wenn Du gegen meinen Willen heiratheſt,
vekommſt Du von mir keinen Pfennig.“ 5 .
Onkel,“ ſagte Dora kalt, „ich ſpeculire nicht auf Dei-
nen Tod.“ . ;
;g&un ſo geh.“
die Dora hatte kaum die Thüre hinter ſich geſchloſſen, als
9 Thüre zum Schlafcabinet ſich öffnele und Hephäſtos
uf der Schwelle derſelben erſchien. Das Geſicht des
debwarzen war ſehr ernſt und er ſchüttelte mißbilligend
en Hopf.
(Fegchdruck verboten)
M „O Herr,“ ſagte er, „das war nicht gut. Die arme
iß hat geweint, nein, das war nicht gut..
Tach Ja, Hephäſtos,“ meinte Lebrecht, die Hände in die
a Miſchen ſteckend, „das iſt etwas, was Du nicht verſtehſt.
. e kann ſie denn Jemanden heirathen wollen, wenn ſie
A 1291 für ihn alles zu opfern bereit iſt? Das muß ſich
eine 1 5 11 ſie ihn wirklich ſo gern hat, oder ob es nur
Laune iſt.“
pol „O Herr, das war zu hart! Wenn man alle Leute auf
keine zei e ſtellen wollte, es heiratheten auf hundert
e 1055 ;
für „Mag ſein, Hephäſtos, aber die zwei wären ein Muſter
; mbie anderen achtundneunzig. Nun,“ fuhr dann Lebrecht
okt, „wie iſt's mit Herrn Gläſer!““ Ür
W{%%emfi auf's Gerichtsgebäude gegangen, ſagte He-
DSi moge ich werde dann zu einem Advokaten gehen.“
ſchl. Damit ſteckte er ſich gemüthlich eine Cigarre an und
enderte dann in den Salon hinüber, woſelbſt inzwiſchen
{
*
gern an die Söhne des Adels drängt (Zurufe:
Aha !) welcher einſtens in den vorderſten Reihen
der Reformation ſtand. Der oberſte römiſche
Geiſtliche von Sach ſen, der Biſchof von Dres-
den, hat ſich „hinreißen laſſen“, vielleicht von auswärts
beſtimmt, zu verlangen, das Geſetz von 1870, betreffend
die Oberaufſicht des Staates über die römiſche Kirche,
welches den confeſſionellen Frieden regelt, zu beſeiti-
tigen — das Geſetz, zu dem er ſelbſt durch ſeine
literariſche Thätigkeit als Kaplan den Hauptanſtoß
gegeben hatte! (Große Heiterkeit.) Kurz, wir brauchen
den Evangeliſchen Bund auch, und es iſt uns eine
große Freude, daß er da iſt. Als Ausdruck unſerer
Freude hoffen wir, dem Central⸗Vorſtand 1000 bis
2000 M. für den Fonds zur Abwehr römi-
ſcher Tendenzen überweiſen zu können. (Leb-
hafter Beifall.)
Der Vorſitzende Graf v. Wintzingerode-
Bodenſtein antwortete im weiteren Verlaufe des Abends
dankend den einzelnen Rednern und ſprach über die
Aufgaben des Eoangeliſchen Bundes. Laut der Poſt
ſagte er u. a.: Als vor acht Jahren der Bund ge-
gründet wurde und ich dazu gezogen wurde, habe ich
mit einem gewiſſen Kleinmuth zugeſagt. Aber außer
dem Gottvertrauen und dem Vertrauen auf die „gute
Sache“ wird man bei allem Widrigen durch den
Widerhall belohnt, den die Sache im Volke (?) finde.
Ueberall wurden wir, wohin ivir auch kamen, herzlich
aufgenommen, ſogar in Bochum, einer confeſſionell
Herzen geöffnet. Wir nehmen den Kampf
aus den Tagen der Reformation wieder
auf. Einleitung zu der diesjährigen nationalen
Jubelfeier ſei der 9. December 1894, der Tag der
Guſtab⸗Adofph⸗Feier geweſen. „Was wäre aus dem
evangeliſchen Deutſchland geworden, wenn Sedan
nicht geweſen wäre und das franzöſiſch⸗ katholiſche
Weſen auch bei uns eingezogen wäre? Sedan war
die Antwort auf das Vaticanum (Concil).“
Prof. Dr. Nippold (Jena) verbreitete ſich
über die „internationale Seite der päpſtlichen Politik
und die Mittel ihrer Abwehr“. In ſeiner Rede
führte er die Erfolge an, welche Leo XIII., „der kluge
Diplomat“, zu verzeichnen habe; ſodann brachte er
aus der Geſchichte Beiſpiele bei, welche die Mittel u.
Grundſätze darthun ſollen, mit denen die päpſtliche
Politik gearbeitet hat. Mit dem Hinweis auf Goethe's
Wort: „Vor dem Vatican ſieht man die Länder zu
den Füßen liegen“, dem der Redner das Wort Chriſti
entgegenſtellte: „Hebe dich weg von mir, Sa-
ein Familienſturm, und zwar kein kleiner, ausgebrochen war.
Als Lebrecht hinüber kam, ging ſein Bruder mit höchſt
erzürntem Geſichte, die Hände auf den Rücken gelegt, mit
langen Schritten auf und ab. Dora ſtand am Tiſche, die
eine Hand auf denſelben geſtützt, todtenbleich, während eine
Thräne um die andere über ihre Wangen herabrollte. Ihre
Mutter ſaß auf dem Sopha, völlig conſternirt und wie in
halbem Traume befangen, die Falten ihres Kleides glättend.
„Es iſt ein Unſinn, ein wahrer Skandal,“ rief Leo-
pold, mit den Händen herumfahrend.
„Eine veritable Mesaliance!“ ſtöhnte Frau Bernau.
„Ganz unbegreiflich!“ „
„Die Welt würde mich für verrückt halten, wenn ich
einer ſolchen Grille nachgeben wollte.“ 5
„Welchen Kummer uns das Mädchen bereitet! Wer
hätte das gedacht!“ .
„Nun,“ meinte Lebrecht, „ſie wird ja wohl noch Ver-
nunft annehmen!“ - .
„Du warſt ja bei dem fahrenden Künſtler“ rief Leo-
pold. „Sprich, was iſt er für ein Individuum?“
„Ja,“ meinte Lebrecht, „perſönlich hat er auf mich
einen ganz guten Eindruck gemacht, aber er hat nichts, als
einen verfehlten Beruf!“ 5
„Da hörſt Du's ſelbſt, Du einfältiges Dina! Der On-
kel iſt der nachſichtigſte Menſch gegen alle Deine Grillen.
Wenn der ſagt, er hat nichts, als einen verfehlten Beruf —“
„Er hat auch geſagt, daß er perſönlich den günſtigſten
Eindruck auf ihn gemacht,“ ſchluchzte Dora.
„Ach, das iſt Nebenſache, bemerkte Frau Berau. „Mei-
nen Sie nicht guch, Herr Schwager?“ ;
nde nun!“ meinte Lebrecht. . _
„„Da hat man dieſen Herrn Löblich ſo weit weggewor-
fen,“ bemerkte Fran Bernau. „Ich muß geſtehen, dieſem
Herrn Willbrand hätte Dora ihn dennoch vorziehen dürfen!“
„ „Dieſer Löblich, erklärte Leopold entſchieden, „war
ein Schwätzer, ein Windbeutel. Aber was hatte man gegen
dieſen Horatius Gläſer einzuwenden, der ein ſtiller, be-
ſcheidener Mann war und eine glänzende Lage anbieten
tan“, ſchloß Nippold ſeine Ausführungen. Auf Ver-
anlaſſung des Superintendenten Meyer beſchloß man,
den Vortrag zu drucken und ihn an Staatsmänner
und Leiter der Parlamente zu verſenden.
Kann man die confeſſionelle Hetze weiter
treiben? Und das geſchah in Sachſen, deſſen Für ſſt
Katholik und zwar ein ſeiner Kirche treuer Ka-
tholik iſt, und dem man das Zeugniß gibt, daß er
ein milder und gerechter Herrſcher ſei, unter welchem
die evangeliſche Kirche Sachſens allezeit Schutz und
Förderung gefunden habe? Wie klingt angeſichts der
oben mitgetheilten Ausbrüche fanatiſchen Haſſes gegen
ſicherung in dem Telegramm an den König von Sach-
ſen: „Wir kommen nicht, um in friedliche
Zuſtände Zwietracht hinein zu tragen!“ 1
Welch' ein Gegenſatz wieder zwiſchen dieſer Zwi-
ckauer General⸗Verſammlung des Evangeliſchen Bun-
des und der Münchener General⸗Ver ſam m⸗
lung der Katholiken Deutſchlands! Hier beſchränkt
man ſich auf die Berathung der eigenen Angelegen-
heiten, dort macht man ſich vorzugsweiſe im Hauſe
geliſche Bund ſo viel daheim zu thun. Sagt ja
Dr. Ackermann ausdrücklich: Wir leiden an ſchwe-
ren Schäden, der kirchlichen Lauheit und Gleich-
gültigkeit, die bange machen können. Der Ober⸗Con-
ſiſtorialrakch Dr. Ackermann wird doch wohl ein
competentes Urtheil haben. e ee e
Die Vorgänge auf der General⸗Verſammlung der
Bündler und gleiche Vorgänge ſelbſt auf dem neunten
deutſch. Schul⸗Congreß drängen wieder die Frage auf:
was würde aus den deutſchen Katholiken
werden, wenn ſie jemals die Nothwendigkeit energi-
ſcher Abwehr gegenüber dem immer auf's neue auf-
lodernden culturkämpferiſchen Fanatismus vergäßen
und insbeſondere die Centrums ⸗Fraktion des
geſammten Stellung im öffentlichen Leben Deutſchlands,
nicht ſtark und geſchloſſen erhielten? — G
Deutſches Reich.
/ * Berlin, 6. Oktober.
— Ueber den wegen anrüchiger Verbrechen flüch-
D
gewöhnlichen Menſchen, ſo haben auch ſeine Ver-
gehungen einen Zug ins Großartige.“ —
(Wenn das antiſ. Organ ſonſt nichts zu ſagen wußte,
den Verwicklungen, die aus ſeiner Abweiſung entſtehen,
werde herausarbeiten können.“ Fa
„Diejer Gläſer,“ meinte dagegen Frau Bernau, „iſt
ein Schafskopf und ſein Vater ein Schurke!“ ;
„Ereifert Euch doch nicht über vergangene Dinge,
ſagte Lebrecht. „Jetzt handelt es ſich ja um Herrn
Willbrand. Beſteht denn Dora immer noch darauf, ihn
heirathen zu wollen? ; 4 N
5 9 freilich,“ riefen beide Eltern wie aus einem
unde. ;
„Auch wenn Ihr Beide erklärt, daß Ihr dieſe Ehe
nicht billigen würdet?“ ;
„Nein!“ ſagte Dora. . „ /
„Nun, warum zankt Ihr denn eigentlich?“ fragte Leb-
recht erſtaunt. . . \
„Nein?“ rief Leopold. „Die ganze Zeit hat ſie be-
hauptet, ſie wolle ihn allerdings heirathen
„Aber nicht ohne Euere Einwilligung“ .
„So?“ meinte Leopold. „Endlich auf ſo vielen Unſinn
auch einmal ein vernünftiges Wort. Dieſe Einwilligun
bekommſt Du Dein Leben lang nicht.“ ‘
„Ich kann Euch dazu nicht zwingen,“ ſagte Dora,
eren Segen und wenn mir das Herz brechen würde, nein,
ich thäte es nicht.“ ; „
„Das iſt Necht, Dora,“ ſagte Frau Bernau, „ich hab
es mir gleich gedacht, daß Du nicht ſo entartet ſein könn-
teſt. Komme her, meine Tochter. Gib mir einen Kuß“
Während Dora dieſem mütterlichen Winke Folge leiſtete,
beſänftigte ſich auch Leopold ſehr rasch, nur Lebrecht zuckte
mit eiwas ſpöttiſcher Miene die Achſeln. Doch entging die
alle der beſcaſthet l Pente der mit der Sache
allzu ſehr beſchäftigten Perſonen. e
„Tröſte Du Dich nur über den Habenichts, meinte
inden „Es wird ſich eine beſſere Verſorgung für Dich
inden.“ 6 CM
v»„ Jawohl,“ verſicherte Frau Bernau, „Papa wird ſchon
ſuchen, und Du ſollſt mit uns zufrieden ſein.
112 7 } (Sortfegung folgt.)