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Pfälzer Bote für Stadt und Land (30) — 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.44154#1101
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i täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ u. Feiertage.

n, A ierteljährl. Mk. 1.20 ohne Trägerlohn u. Poſtouf-
ae. Beſtellungen bei den Poftanſtalten u. der Expedition.
n und Verlag von Jus. Eremerius, Heidelberg. mit d. Unterhaltungsblatt,

Zwinger ſtraße?

für Stadt



Anzeige ⸗Blatt für die Amtsbezirke Heidelberg,
Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Weinheim, Schwetzin-
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen,

Adelsheim, Walldürn ꝛc. L

e



eee

N. Jh.

ihwirthſchaft im deutſchen Süd -Afrika.
In der neueſten Nummer der „Neuen Deutſchen
ndſchau“ (Verlag von S. Fiſcher, Berlin) veröffent-
Franz Gieſebrecht, der Verfaſſer der bekannten
hüllungen über den früheren Kanzler von Kamerun,
einen Aufſatz „Coloniale Spekulationen“ der
der darin enthaltenen ſchweren Beſchuldigungen
das „Syndikat für die ſüdweſtafrikaniſche Sie
j“ großes Auſſehen erregen dürfte. Die gegen
yndikat auftretenden Anſiedler, Lieutenant a. D.
rnap und Landwirth Schreiber, behaupten, vom
ikat um ihr Vermögen gebracht worden zu ſein
gaben deshalb außer der Anſtrengung eines Civil-
ſſes bei der Staatsauwaltſchaft gegen die da-
en Leiter des Syudikats Anzeige erſtattet. Das
ikat für die ſüdweſtafrikaniſche Siedelung iſt be-
lich 1892 von der deutſchen Colonialgeſellſchaft
eben gerufen worden, nachdem die Regierung ſich
erklärt hatte, ihm den Bezirk Klein⸗Windhoek
edelungszwecken unentgeltlich zu überlaſſen. Vor-
gender wurde Profeſſor v. Cuny, Geueralſekretär
Bokemever. Letzterer, der inzwiſchen verſtorben
atte die ganze geſchäftliche Leitung, während der
zende keine Bedeutung hatte. Das Syndikat
ü taft ohne Geldmittel, — ſein Vermögen betrug
300,000 Morgen Land, proviſoriſch überlaſſen;
efinitive Ueberlaſſung wurde von der förmlichen
tituirung der Geſellſchaft bis zum 1. Jau. 1896
ſaeagig gemacht. Gegen die Geſchäftsgebahrung



30
M

I8 mit ſo beſonderem Vertrauen angeſehenen Syn-
flats werden nun nach folgenden drei Richtungen
Vorwürfe erhoben:

tens wird ihm eine wenig auſtändige
lan zwirthſchaft nachgeſagt. Er habe mit

ubart und von den Auswanderern einen Profit
50 pCt. und mehr ſich zahlen laſſen. Zugleich

zerwaltung gegen 100,000 M. mehr als nöthig
usgabt worden. 5 .

Noch weit ſchwerer aber wiegt der zweite Vor-
daß das Syndikat die Anſiedler in eine für
rbau und intenſiv betriebene Viehzucht gleich un-
end geſandt habe. Zum Belege
für wird auf das Gutachten des Landwirths Herr-

© 5 Schluß.) ;
Eigenthümliche Waſſerpflanzen und ſeltene Muſcheln
en auf dieſen Sandbänken zu finden, und Viele, die
ch nicht fürchteten vor der Unſicherheit des Bodens, be-
ten dieſen Platz gern. . .
d Für die beiden Liebenden war die Einſamkeit reizend,
0 ſie achteten nicht auf die dahineilenden Stunden. Sie
en gehört, daß die Fluth zu ſteigen beginne, und daß
ehr unſicher ſei, länger auf den „Sandbänken zu
ben. Plötzlich bemerkte Iſabella, daß ihre Jußſtapfen
mit Waſſer füllten, und ſie ergriff Heinrichs Arm voll

amen nur mühſam vorwärts, denn de
Anı immer mehr mit Waſſer, und ſie ſanken bis an die
le ein. Endlich erblickten ſie die „Maikönigin und zu
rem Staunen und Schrecken ſahen ſie, daß dieſelbe in
ter Entfernung ſtill auf dem Meer lag. Desmond ſchrie
n zu: ; E 1 . 5
„Kommen Sie ſo ſchnell als möglich zurück! Sehen
Sie nicht das Steigen der Fluth? Eilen Sie, oder wir

verloren!“ ;
en „Das ſehe ich,“ rief der Mann im Schiffe, und ich
Sale mich darüber. Ich überlaſſe Sie Ihrem Schickſal.
dent jetzt ſind Sie noch zu beneiden, da Sie zuſammen
terhen, während ich einſam weiterleben muß. Ich habe
chworen, daß Diejenige, welche ich liehe, nie einen An-
ren heirathen ſoll — ich halte meinen Schwur.
N b*@r zog das Segel auf, der leichte Wind ergriff es,
den welligen Minuten flog die „Maikönigin“ dem Feſt-
zu. . . ‚
Desmond ſchloß Iſabella ſchweigend in die Arme. So
landen Sie zuſammen und ſahen die kalten, grauſamen





für Südweſtafrikaniſche Siedelung gehörigen Gebietes
um Groß⸗ und Klein⸗Windhoek ein Ackerbau an und
für ſich ausgeſchloſſen iſt, was der Leitung der Sie-
delungsgeſellſchaft unbedingt bekannt ſein mußte. Jede
Bodenkultur iſt dort nur mit Hülfe känſtlicher Wäſ-
ſerung möglich. Das in Groß⸗ und Klein⸗Windhoek
zur Verfügung ſtehende Waſſer reicht höchſtens dazu
aus, für die heute dort anſäſſige Einwohnerſchaft die
nothwendigen Küchengärten zu unterhalten. Auch in
Betreff der Viehzucht iſt ein ſelbſtſtändiges lanwirth-
ſchaftliches Gewerbe, ;
unterhalt für die Familie des Unternehmers und ſein
Geſinde zu beſchaffen hat, ſondern auch noch einen


Das Gutachten ſtellt zugleich die Anſchauungen über
die zur Beſiedelung erforderlichen Kapitalien wie folgt
„Um in Deutſchſüdweſtafrika ein ſelbſiſtän-

nen, ſind auch in den beſten Lagen mindeſtens 10,000
Hektare = 40,000 preuß. Morgen nothwendig. Die-
ſes Unternehmen würde auch dann nur einem klein-
bäuerlichen Betriebe in Deutſchland entſprechen, aber
doch ein Anlegekapital von mindeſtens 20,000 M.
erfordern, wobei vorausgeſetzt wird, daß die Läude-
reien, wie es billig iſt, dem Anſiedler unentgeltlich zur
Verfügung geſtellt werden“ ; D
Die dritte Beſchuldigung gegen das Syndikat
richtet ſich gegen die Art und Weiſe, wie dieſes die
Anſiedler in die Colonie „hin ausgelockt“ habe.
Eine Broſchüre „Notizen für Anſiedler in Deutſch-
Südweſtafrika“ ſoll falſche Vorſpiegelungen
und ein gewiſſenloſes Machwerk ſein. Sie bildet


geſtrengten Civilprozeſſe. Es wird an dieſen „Noti-
zen“, die viele Auſiedler als Norm genommen haben,
im Einzelnen ausgeſtellt, daß darin eine große Menge
ganz überflüſſiger Ausrüſtungsgegenſtände empfohlen
wurden, die 5 — 6000 M. Kapital abſorbiren, während
es für die Anſiedler gerade darauf ankommt, ihre
Geldmittel für die Bewirthſchaftung ſelbſt, für Ankauf
von Vieh uſw. verfügbar zu halten. Die klagenden
Anſiedler behaupten direkt, die Aufhalſung unbrauch-
barer Sachen ſei erfolgt, um große Frachtſpeſen
So ſei die anempfohlene
Mitnahme von Ackergeräthen, Fenſterrahmen, Ochſen-
wagen völlig überflüſſig; dem Landwirth Schreiber


werde gewöhnlich nicht eingehalten, überhaupt exiſtirten
im Landungsorte Swakopmund gar keine Baulich-

Wogen höher und höher ſteigen, dieſe Wogen, in denen ſie

ſie wußten es. Sie konnten nur noch auf eine halbe Stunde
hoffen. Der einzige Troſt war, zuſammen zu ſterben .

Mit ſcharfen Blicken überſah Desmond das Waſſer
nach jeder Richtung, doch nicht ein Segel, nicht ein dunk-
ler Punkt unterbrach die glitzernde Fläche. Er wunderte
ſich nicht, denn die „Sandbänke“ lagen weit außer der re-
gelmäßigen Fahrlinie der kleinen Dampfer. Desmond war
ein tüchtiger Schwimmer, und er hätte ohne Zweifel bis
zum Feſtlande ſchwimmen können, aber es war unmöglich,
auch Iſabella zu retten. Sie bat, ſie beſchwor ihn, er ſolle
ſich retten und ſie ihrem Schickſale überlaſſen — ſeine einzige
Ich war, daß er ſie nur um ſo ſeſter in ſeine Arme

oß. ‘
Laugſam und ſicher ſtieg das Waſſer! Es war jeßt
acht bis zehn Zoll tief und der Sand ſank mit jeder Mi-
nute fühlbar unter den Füßen. Iſabella ſah in das muthige,
junge Antlitz itres Geliebten, ſie fühlte, wie ſchwer es ſei,
nend rief ſte:
keine Hoffnung? Hat Gott kein Erbarmen mit uns?“
Mein Liebling, wir müſſen uns in das Unvermeid-
liche chicken. Der Tod iſt nicht lang — und wir ſind dann
auf ewig vereint.“

Plötzlich tönte vom Waſſer herüber ein lauter Ruf,
und als ſie nach dem Lande blickten, ſahen ſie die „Mai-
königin“ in voller Eile auf die „Sandbänke“ zuſteuern.
Martin ſtand aufrecht mit bloßem Kopfe: ſein langes,
ſchwarzes Haar flatterte im Winde, und ſein Geſicht war
todtenbleich. } - 8

„Muth, Muth!“ rief er, „noch einen Augenblick und
Sie find gerettet!“ . ;
Sie hielten ſich feſt umſchlungen und gingen vorſich-
tig bis zur Spitze der „Sandbänke“, das Boot erwartend.
Martin ſtreckte ſeine kalten Hände aus und zog ſie herein.
Dann legte er die Segel um, drehte das Steuerruder,

und ſie flogen dem Lande zu. Er verſchränkte die Arme






Vor Allem aber ſeien die gemackten Verpflichtungen
im vollen Widerſpruch mit der Wirklichkeit.
Zur Illuſtratian werden die Schickſale von 40

in Widerſpruch genommen haben, mitgetheilt. Sie
ſind überaus traurig. Im günſtigſten Falle kommen
ſie nicht vorwärts, nachdem ſie ihr ganzes Geld bein
Syndikat eingebüßt haben, ein Theil hat Scham wi '
ſchaften aufgemacht, die übrigen beſinden ſich in
elendeſter La ge und ſind zum Theil wirth-

ſchaftlich wie moraliſch verkommen. Wir
geben die prägnanteſten der von Gieſebrecht geſchil-
derten Fälle wieder. Lieutenant a. D. Stoß, der 1892


furchtbarſten Elend. Er hat ſein kleines Vermögen
dem Syndikat aushändigen müſſen und kaun jetzt,
trotz einmaliger Unterſtützung durch das Syndikat,
ſich nicht mehr emporbarbeiten. — Schloſſer Unglaube
lebt in Swakopmund in einer Erdhöhle. — Goltferied
Schurz blieb an der Küſte liegen und lebte dort mit
ſeiner Familie von den Abfällen, welche die Schutz-
truppe ihnen vor die Füße warf. Er iſt vor
Noth u. Kummer wahnſinnig geworden.
— v. Hagen, Landwirth, früher activer Offtzier,
wurde in Windhoek Kellner und bediente die Mann-
ſchaften der Schutztruppe. i }
Nur einigen Wenigen iſt es gelungen, wieder zu:
rückzukommen. Zu ihnen gehören die beiden jetzt
gegen das Syndikat klagbaren Anſiedler Lieutenar
a. D. v. Carnap und Landwirth Schreiber. Erſterer
hatte 15000 M. mitgenommen und kehrte nach ver-
geblichen Bemühungen, die vom Syndikat gekaufte
Farm angewieſen zu erhalten, nach Deutſchland zu-
rück. Landwirth Schreiber war ſo vorſichtig, erſt von
Walfiſchbai Orientirungsreiſen durch die Windhoeker
Gegend zu machen und verzichtete dann freiwillig auf
die Uebernahme einer Farm, für die er bereits 500
M. angezahlt hatte. Er kehrte mit ſeiner Familie
nach Deutſchland zurück und hat gegen das Syndi-
kat eine Klage auf Schadenerſatz eingeleitet. Sein
Verluſt beziffert ſich auf ca. 25,000 Mark. ‘
Das Syndikat wird nicht umhin können, ſich gegen
dieſe ſchweren Beſchuldigungen zu verantworten, und
auch im Reichstag wird ſicherlich die Thätigkeit der
von Reichswegen geförderten Geſellſchaft eine Beſpre-
chung erfahren. Herr Gieſebrecht beruft ſich u. A.

Leutwein und verſchiedener Beamten der Colonie, die
alle das Gebahren des Syndikats verurtheilen.

und ſah Iſabella an, die bleich und ſtill an ihres Gelieb-
ten Bruſt lag. . . D
„Ich habe nicht bereut, ſagte Martin langſam, und
ſeine ſchwarzen Augen blitzten voll Haß unter den dunklen
Brauen, „es iſt nicht in meiner Natur zu bereuen. Doch
es 5 1 f 97 0 1 91 1 05 Ale 5 mich
zu laden. Ha! ich ſehe ſie! re weiße Hand winkt aus
den Wellen: Meine Mutter! O, meine Mutter!“ .
Er lehnte ſich hinab und ſah in das ſchäumende Waſ-
ſer, als ob er wirklich das Antlitz derjenigen, die er ſo
ſehr geliebt hatte ſähe: ſeine Mutter, die vor drei Mona-
ten zur ewigen Ruhe gebettet ward. 885
„Ich ſteuerte dem Lande zu,“ fuhr Martin in demſel-
ben unnatürlichen Tone fort, „als ſie aus den Wellen
ſtieg. Sie hob ihre gerungenen Hände nach mir auf und
befahl mir, umzukehren und meine Seele nicht mit einem
Mord zu beflecken. Ihr Fluch würde mich verfolgen, ſagte
ſie, durch Zeit und Ewigkeit, wenn ich ihr nicht gehorchte.
Und ich wagte nicht, zu widerſtreben. Der Teufel ſelbſt
hätte mich nicht von meinem Entſchluß abbringen können.
Ihr gelang es ſogleich. Segnet ihr Andenken, ſie hat Euch
gerettet! Verflucht, wenn Ihr wollt, den Mann, dem we-
der Fluch noch Segen mehr ſchadet. 2
Und ehe Desmond ſich rühren konnte, hatte Martin
ſich in die bewegte See geſtürzt und war verſchwunden.

ſinnigen — denn Martin Brand war in der That wahn-
11 — zu retten; aber vergebens. Niemand ſah ihn
wieder. )
Noch nach langen Jahren, als Iſabellas Kinder ſich

auf des Vaters Schooße die Geſchichte von den Sandbän-
ken erzählen ließen, ſagten die Schiffer, daß ſie oft von
drüben die kohe Geſtalt Martin Brands herüberwinken
ſähen, und daß man in wilden, dunklen Sturmnächten ſeine
Geiſterſtimme um Hilfe rufen hörte. R
Dioch Seeleute find immer abergläubig,
ihren Erzählungen nicht unbedingt glauben.

und man darf

——— p
 
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