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Pfälzner, Peter
Haus und Haushalt: Wohnformen des dritten Jahrtausends vor Christus in Nordmesopotamien — Mainz am Rhein, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.29472#0360

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Es wurde bei einer Gassenfrontbreite von 8 m zunächst
mit einem mittelgroßen, längsrechteckigen Kernraum
und seitlichem Eingangskorridor angelegt. In einer spä-
teren Phase wurde der Kernraum in einen kleineren,
quadratischen Raum umgewandelt.

Die beiden Typen der Parzellenhäuser haben zumin-
dest in einem Abschnitt ihrer Nutzung gleichzeitig be-
standen. Dennoch sprechen einige Indizien dafür, daß
die Parzellenhäuser mit 8 m Frontbreite tendenziell spä-
ter entstanden sind als die anderen Parzellenhäuser:
Sämtliche Beispiele der kleineren Ausführung liegen im
Randbereich der Oberstadtsiedlung, während die 9 und
15 m breiten Häuser näher zum Stadtzentrum hin pla-
ziert sind; einige Beispiele der 8 m breiten Parzellenhäu-
ser (z. B. Haus H VII) bzw. Parzellengrundstücke (H X
bis H XII) sind vor allem in der jüngeren Schicht 1 nach-
weisbar; die Bauentwicklung des Hauses H VIII weist
den Typ des kleineren, quadratischen Kernraumes, der
für die 8 m breiten Parzellenhäuser charakteristisch ist,
als jüngere Entwicklung aus.

Unabhängig von der spezifischen Form und Breite der
Parzellenhäuser deutet ihre durch die funktionale Ana-
lyse rekonstruierbare räumliche Organisation darauf
hin, daß sie jeweils als Wohnstätte für einen geschlosse-
nen, familiär nicht in mehrere Einheiten untergliederten
Haushalt konzipiert waren und benutzt wurden. Eine
soziale Aufgliederung des Haushaltes und folgende Her-
ausbildung von zwei Untereinheiten im Lauf des Ent-
wicklungszyklus einer Bewohnergruppe ist nur in Haus
H III und möglicherweise in Haus H VIII festzustellen.

Die an anderen Häusern zu beobachtende Vergröße-
rung der Raumzahl und Erweiterung der Grundstücks-
fläche durch die Übernahme von Räumen benachbarter
Häuser ist als Ausdruck einer progressiven wirtschaft-
lichen Entwicklung der betreffenden Haushalte zu ver-
stehen. Die Haushalte HI und HIII liefern dafür die an-
schaulichsten Beispiele. Diese beiden Haushalte schei-
nen die wohlhabendsten im ausgegrabenen Teil des
Siedlungsviertels gewesen zu sein. Sie bewohnten ein 9
bzw. 15 m breites Parzellenhaus. Ihre hervorgehobene
ökonomische Situation könnte unter anderem auf eine
lange Wohntradition in den betreffenden Häusern zu-
rückzuführen sein.

Der Haushalt H II hingegen, der auf Grund seines
15 m breiten Parzellenhauses am Beginn seines lokalen
Entwicklungszyklus als wohlhabender Haushalt zu gel-
ten hat, zeigt eine regressive ökonomische Entwicklung,
die in der Verkleinerung der Grundstücksfläche durch
die Abtrennung von Räumen zum Ausdruck kommt.

Der Bereich K

(Grabungsstelle «Kleiner Antentempel»)

Das im Bereich der Grabungsstelle «Kleiner Antentem-
pel» freigelegte, eng bebaute Siedlungsviertel war durch
drei annähernd parallele, in Nord-Süd-Richtung verlau-
fende Verkehrswege gegliedert, die als Gassen A, C und
D bezeichnet werden 324) (Taf. 59 und 60).

Nahe dem Ostrand der Grabungsfläche verläuft eine
ca. 1,0-1,5 m breite Gasse, die im folgenden als
«Gasse A» bezeichnet wird 325). Im Abstand von 15 m
nach Westen ist eine zweite Gasse von ebenfalls 1,0-
1,5 m Breite zu rekonstruieren, die als «Gasse C» be-
zeichnet wird 326). Zwischen den Gassen A und C liegt
ein mit Wohnhäusern bebauter Streifen. In diesem
14-15 m breiten «Oststreifen» sind zwei annähernd
parallele Reihen von Häusern angeordnet, die mit ihren
Rücken aneinander stoßen und jeweils von einer Gas-
senseite aus erschlossen werden.

Im Abstand von 15,75 m von der Gasse C nach
Westen folgt ein weiterer nord-südlich verlaufender Ver-
kehrsweg, der in seinem ursprünglichen Zustand eine
Breite von 5,2 m besessen haben dürfte. Er wird als
«Gasse D» bezeichnet 327). Durch verschiedene, unregel-
mäßig angelegte Vorbauten (Räume 67, 62, 66, 64) vor
den ursprünglichen Gassenfronten, insbesondere vor
dem Eingangsbereich der Häuser, ist diese breite Straße
offensichtlich schrittweise verengt worden, so daß sie im
ausgegrabenen Zustand der Schicht 4/5 stellenweise nur
noch eine Breite von 0,7 m aufwies (Moortgat - Moort-
gat-Correns 1978, Plan II. III). Außerdem endete sie -
wie die Gassen A und C - in ihrem nördlichen Teil vor
einer durchgehenden Mauer, so daß sie nicht als Durch-
gangsstraße dienen konnte. Dies hat ihre Verbauung mit
Räumen sicher gefördert.

Zwischen den Gassen C und D liegt ein weiterer
Häuserstreifen. Auch dieser ursprünglich 15-15,75 m
breite «Weststreifen» ist mit zwei parallelen Reihen von
Häusern bebaut, die mit ihren Rückseiten aneinander
stoßen und jeweils von einer Gasse aus zugänglich
waren.

324) Die später mit Räumen dicht bebaute Gasse D ist vermutlich
ursprünglich eine breite Straße gewesen. Diese Deutung folgt dem
Konzept der «Negativräume» in altorientalischen Siedlungen (vgl.
Schmidt 1964).

325) Die Bezeichnung Ost-«Straße» (Moortgat 1967, Plan IV) wird
wegen der geringen Breite des nur von Fußgängern zu benutzenden
Verkehrsweges vermieden.

326) Bei Moortgat (1967, Plan IV) unter der Bezeichnung «West-
Straße» geführt.

327) Bei Moortgat - Moortgat-Correns (1978, Plan III) in ihrem
nördlichen Teil als Hof 61 bezeichnet, in ihrem südlichen Teil unbe-
nannt.

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