98
ZUR ÙBERLIEFERUNG ÙBER DIE ERSTEN DREI DYNASTIEN
wenigcr an ihrem goringen Alter. Man ist gegenwârtig geneigt anzunehmen, erst
die XIX. Dynastie habe don Kônigskanon gesammelt und fertiggestellt, noch in der
XVIII. Dynastie habe man wenig sich um die altère Geschichte gekùmmert. Der That-
bestand, dafî die erhaltenen Listen aile etwa derselben Zeit entstammen und die
âlteste Liste, die von Karnak, jeder Ordnung ermangelt, scheint dièse Logik zufordern.
Aber ichkann mich derselben doch nicht anschlieBen. Die wirre Ordnung der Liste von
Karnak scheint mir doch nur ein Produkt individueller Faulheit eines Hierogram-
maten, vielleicht begùnstigt cladurch, daB in Karnak wenig antiquarisches Interesse
existierte wegen der durchgângig neuen Bauten. In Abydos oder Memphis wâre,
meine ich, eine solche Nachlàssigkeit nicht so leicht vorgekommen. Man vergesse
nicht, daB die Listen in beiden Stàdten nicht eine bloBe gelehrte Spielerei sind, sondern
daher rùhren, daB die benachbarte Nekrdpole Grâber und Denkmâler zahlreicher uralter
Kônige aufwies. Wenn dieTempel von Abydos nicht zufâllig aile aus der XIX. Dynastie
stammten und wir noch die damais abgerissenen Bauten der XVIII. Dynastie besâJBen,
so wùrden wir gewiB auch den Kult der alten Dynastien dort finden. Man beachte dann,
daB dieTafel von Sakkarah durch die darùber stehende Gôtterliste (vgl. Mar., Mon. div.,
58; E. de Rougé, Album de Phot., 143) deutlich verrat, daB sie aus einem Schulbuch
stammt. Bevor derartige historische Forschungen aus der Studierstube in die Schule
dringen undGemeingut Averden,vergeht immer einige Zeit. Den besten Beweis dafùr, daB
die historische Forschung in und vor der XVIII. Dynastie gentigend thàtig war und wir
kein Recht haben, die Unwissenheit oder eher Faulheit des Schreibers von Karnak auf
seineganze Zeit auszudehnen, liefert aber der Papyrus Westcar. Man wirdgewiB nicht
annehmen dûrfen, daB der Mârchenerzâhler sich seine alten Namen aus der Nekropole
und den Tempeln erst zusammengestellt hat und dies sogar richtig. Derartige Leute
machen keine antiquarischen Forschungen, sondern greifen nach den bequemsten
Hilfsmitteln. Die zwei Reihen Kônigsnamen aus Dynastie 3 und 5 stammen also aus
einer Kônigsliste, die dem Verfasser gleich zur Hand war, ebenso wie den Hierogram-
maten von Sakkarah und Abydos ihre Vorlagen. Ich habe nun schon wiederholtbetont,
daB die Westcargeschichten weit âlter sind als die erhaltene Abschrift aus dem Anfang
der XVIII. Dynastie, daB sie uns also bis ans Ende des mittleren Reiches zurùckfùhren.
Von vorne herein ware es Avahrscheinlich, daB die klassische Zeit àgyptischer Litte-
ratur, die XII. Dynastie, den Spâteren auch in diesem Zweig der Wissenschaft das
Vorbild lieferte. Besonders A. Wiedemann hat neuerdings1 auf das lebhafte archàolo-
gische Interesse des mittleren Reiches hingewiesen. Die Zeit, welche die alten Kônige
bewunderte, durch Statuen und Opfer ehrte, ihnen litterarische Werke zuschrieb
u. s. w., wird nun gewiB auch sich mit ihrer Zeit und Reihenfolge einigermaBen
beschâftigt haben. Thatsâchlich scheinen ja die âltesten Fehler der Uberlieferung auf
Verlesungen aus dem Hieratischen zu beruhen; wir stoBen also auf litterarische, nicht
monumentale, Uberlieferung. Die Versehen dieser Uberlieferuug fùhren nun aber auf
das Hieratisch des mittleren Reiches. Hatte man nach 1600 erst geschichtliche Listen
1. Or. Lit. Zeftung, 1, 272.
ZUR ÙBERLIEFERUNG ÙBER DIE ERSTEN DREI DYNASTIEN
wenigcr an ihrem goringen Alter. Man ist gegenwârtig geneigt anzunehmen, erst
die XIX. Dynastie habe don Kônigskanon gesammelt und fertiggestellt, noch in der
XVIII. Dynastie habe man wenig sich um die altère Geschichte gekùmmert. Der That-
bestand, dafî die erhaltenen Listen aile etwa derselben Zeit entstammen und die
âlteste Liste, die von Karnak, jeder Ordnung ermangelt, scheint dièse Logik zufordern.
Aber ichkann mich derselben doch nicht anschlieBen. Die wirre Ordnung der Liste von
Karnak scheint mir doch nur ein Produkt individueller Faulheit eines Hierogram-
maten, vielleicht begùnstigt cladurch, daB in Karnak wenig antiquarisches Interesse
existierte wegen der durchgângig neuen Bauten. In Abydos oder Memphis wâre,
meine ich, eine solche Nachlàssigkeit nicht so leicht vorgekommen. Man vergesse
nicht, daB die Listen in beiden Stàdten nicht eine bloBe gelehrte Spielerei sind, sondern
daher rùhren, daB die benachbarte Nekrdpole Grâber und Denkmâler zahlreicher uralter
Kônige aufwies. Wenn dieTempel von Abydos nicht zufâllig aile aus der XIX. Dynastie
stammten und wir noch die damais abgerissenen Bauten der XVIII. Dynastie besâJBen,
so wùrden wir gewiB auch den Kult der alten Dynastien dort finden. Man beachte dann,
daB dieTafel von Sakkarah durch die darùber stehende Gôtterliste (vgl. Mar., Mon. div.,
58; E. de Rougé, Album de Phot., 143) deutlich verrat, daB sie aus einem Schulbuch
stammt. Bevor derartige historische Forschungen aus der Studierstube in die Schule
dringen undGemeingut Averden,vergeht immer einige Zeit. Den besten Beweis dafùr, daB
die historische Forschung in und vor der XVIII. Dynastie gentigend thàtig war und wir
kein Recht haben, die Unwissenheit oder eher Faulheit des Schreibers von Karnak auf
seineganze Zeit auszudehnen, liefert aber der Papyrus Westcar. Man wirdgewiB nicht
annehmen dûrfen, daB der Mârchenerzâhler sich seine alten Namen aus der Nekropole
und den Tempeln erst zusammengestellt hat und dies sogar richtig. Derartige Leute
machen keine antiquarischen Forschungen, sondern greifen nach den bequemsten
Hilfsmitteln. Die zwei Reihen Kônigsnamen aus Dynastie 3 und 5 stammen also aus
einer Kônigsliste, die dem Verfasser gleich zur Hand war, ebenso wie den Hierogram-
maten von Sakkarah und Abydos ihre Vorlagen. Ich habe nun schon wiederholtbetont,
daB die Westcargeschichten weit âlter sind als die erhaltene Abschrift aus dem Anfang
der XVIII. Dynastie, daB sie uns also bis ans Ende des mittleren Reiches zurùckfùhren.
Von vorne herein ware es Avahrscheinlich, daB die klassische Zeit àgyptischer Litte-
ratur, die XII. Dynastie, den Spâteren auch in diesem Zweig der Wissenschaft das
Vorbild lieferte. Besonders A. Wiedemann hat neuerdings1 auf das lebhafte archàolo-
gische Interesse des mittleren Reiches hingewiesen. Die Zeit, welche die alten Kônige
bewunderte, durch Statuen und Opfer ehrte, ihnen litterarische Werke zuschrieb
u. s. w., wird nun gewiB auch sich mit ihrer Zeit und Reihenfolge einigermaBen
beschâftigt haben. Thatsâchlich scheinen ja die âltesten Fehler der Uberlieferung auf
Verlesungen aus dem Hieratischen zu beruhen; wir stoBen also auf litterarische, nicht
monumentale, Uberlieferung. Die Versehen dieser Uberlieferuug fùhren nun aber auf
das Hieratisch des mittleren Reiches. Hatte man nach 1600 erst geschichtliche Listen
1. Or. Lit. Zeftung, 1, 272.