Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Sander, Jochen; Holbein, Hans
Hans Holbein d. J.: Tafelmaler in Basel ; 1515 - 1532 — München, 2005

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.19342#0041

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3 üo\Ä*iNai

ÄS»

Maximilian I. (1573-1651) - ebenso erfolglos - ein Kaufangebot für die
im Baseler Rathaus aufbewahrten »Passionsflügel« {Tafel 42) unterbrei-
tete.20 Im Jahre 1650 interessierte sich auch Königin Christina von
Schweden (1626-89) für die Kunstwerke des Amerbach-Kabinetts und
entsandte sogar einen Vertrauten zur Besichtigung nach Basel.21 Als
schließlich ein nicht näher identifizierter Dr. Martin Bürren aus Amster-
dam ein Kaufangebot in Höhe von 9500 Reichstalern vorlegte, ergriff im
November 1661 der Rat der Stadt Basel die Initiative und erwarb das
Amerbach-Kabinett für die Summe von 9000 Talern. Abgesehen vom
Lokalstolz auf die Werke des berühmtesten Malers der Stadt dürfte sich
das Kaufinteresse des Rates vor allem auf die etwa zehntausend Bände
umfassende Bibliothek gerichtet haben, die man auf diese Weise für die
Universität der Stadt gewinnen konnte.22 Das Amerbach-Kabinett wurde
damit zur ersten Kunstsammlung nördlich der Alpen, die - als Frucht
bürgerlicher Sammeltätigkeit entstanden - von einem städtischen Ge-
meinwesen öffentlich zugänglich gemacht wurde. Die reichen Bestände
der Amerbachschen Sammlung wurden schließlich aber doch noch aus-
einandergerissen: Im Zuge der im 19. Jahrhundert einsetzenden Auf-
fächerung in einzelne Wissenschaftssparten sind sie heute auf die Uni-
versitätsbibliothek und die städtischen Museen Basels verteilt.23

Nicht nur Basilius Amerbachs Sammlungsschätze blieben so erhalten,
auch seine Inventarverzeichnisse werden bis heute in der Öffentlichen
Kunstsammlung Basel aufbewahrt. Das sogenannte »Inventar D« von
1585/87 enthält die ausführlichsten Angaben zu den Gemälden, darunter
auch den Werken der Brüder Holbein. Die Inventare und weitere Archiv-
unterlagen waren indes schon vor dem Verkauf des Amerbach-Kabinetts
an die Stadt Basel eine gesuchte Informationsquelle, wie Karel van Man-
ders Klage über Johann Ludwig Iselin (1559-1612), den Neffen des Basi-
lius Amerbach, in seiner Vita Hans Holbeins im »Schilder-Boek« belegt:
Da sich Iselin geweigert hatte, van Mander unentgeldlich Angaben zu
Leben und Werk des Malers zu liefern, mußte er sich in Verballhornung
seines Namens »Isely« als »Esely« verspotten lassen.24 Nachdem Charles
Patin im Jahre 1676 die Amerbach-Inventare seinem »Index Operum
Johannis Holbenii«, dem ersten gedruckten Werkverzeichnis des Malers,
zugrunde gelegt hatte, wurden die Angaben des großen Baseler Sammlers

aber weit über seine Vaterstadt hinaus bekannt und in der Folge unge- Baumstamm befestigte Inschrifttafel feiert in zwei lateinischen Distichen

prüft weiterverbreitet.25 den lebensvollen Wahrheitsgehalt der Darstellung und nennt ferner

Basilius Amerbach hat die Informationen in seinem 1585/87 aufge- Namen und Alter des Dargestellten, den ausführenden Künstler und das

stellten »Inventar D« etwa fünfundfünfzig Jahre nach Holbeins endgülti- Datum der Entstehung des Gemäldes. Wie den persönlichen Notizen im

gern Weggang aus Basel und rund fünfundvierzig Jahre nach dessen Tod schriftlichen Nachlaß Bonifacius Amerbachs in der Baseler Universitäts-

in London niedergeschrieben. Dennoch haben seine Angaben das Bild, bibliothek zu entnehmen ist, ist der Text der Disticha sein eigener Ent-

das sich Kunstkritik und später Kunstgeschichte vom Baseler Hans Hol- wurf, um dessen endgültige Formulierung er mehrfach abändernd

bein (und ebenso seines Bruders Ambrosius) gemacht haben, bis heute rang.28 Wie Christian Müller kürzlich zeigen konnte,29 wurde die In-

auf das Nachhaltigste geprägt. schrift auch während der Ausführung des Gemäldes nochmals korrigiert

{Abb.14). Zum einen verbessert diese letzte Veränderung das Versmaß

r, r • j t-> -i- a i i i a r i des Textes. Zum anderen akzentuiert sie die eingesetzten künstlerischen

ßomlacius und Basilius Amerbach als Auftraggeber ,

, _ . i . 1T Mittel anders: Stand das gemalte Gesicht dem lebendigen zunächst des-

und Sammler von Werken Hans Holbems d. J. , _ . . .......

halb nicht nach, wen es in richtigen »Farben« gestaltet worden war, so

schreibt die korrigierte Inschrift diese Wirkung nun dem Gebrauch der

Als Generationsgenosse Holbeins war Bonifacius Amerbach nicht nur richtigen »Linien« zu.30

ein Sammler von Werken des Künstlers, er war auch einer seiner ersten Außerdem konnte Ueli Dill jüngst zeigen, daß Amerbach zur gleichen

Auftraggeber. Auf den 14. Oktober 1519, d. h. auf seinen 24. Geburtstag,26 Zeit zumindest darüber nachgedacht haben muß, ein zweites Bildnis in

ist das gemalte Bildnis im Baseler Kunstmuseum datiert {Tafel 24).27 Es Auftrag zu geben, das ihn diesmal unbärtig zeigen sollte. Hierauf weist

zeigt in beinahe quadratischem Format das Brustbild des Rechtsgelehr- ein zweiter, gleichfalls in mehreren Varianten festgehaltener Inschriftent-

ten, im Dreiviertelprofil nach links gewandt, seitlich eines Baumes und wurf hin, der nun nicht allein die Konkurrenz zwischen Natur und

vor fernen schneebedeckten Bergen unter blauem Himmel. Eine am Kunst, sondern zusätzlich zwischen den beiden Bildnissen des bärtigen

14 Hans Holbein d.i., Inschrifttafel im Bildnis des Bonifacius Amerbach, Infrarot-Befund,
Basel, Kunstmuseum

Holbein und Amerbach. Ein Sammler definiert das Werk des Malers 37
 
Annotationen