15 Kopie nach Hans Holbein d.J., Erasmus von Rotterdam, Holzschnitt, verwendet in
Sebastian Münsters »Cosmographia Universalis«, Basel 1550
und des unbärtigen Bonifacius Amerbach thematisiert.31 Die Inschrift
dieses zweiten, wohl nie realisierten Porträts macht zugleich deutlich,
daß Amerbach die beiden Bildnisse als einander inhaltlich ergänzende
Gegenstücke verstanden wissen wollte, die unter Bezugnahme auf antike
Spruchweisheit seine Abwendung von äußerem Schein zugunsten seiner
Rückbesinnung auf das wahre Sein des Philosophen verdeutlichen sollte:
Ein Bart macht (noch) keinen Philosophen.32
Die ganz bildmäßig aufgefaßte, farbige Kreidezeichnung eines jungen,
unbärtigen Mannes mit Schlapphut im Kupferstichkabinett Basel
(Abb. 17) - traditionell als Bildnis des Paracelsus betrachtet -, wurde
jüngst von Christian Müller als weiteres Bildnis des Bonifacius Amerbach
vom Anfang des Jahres 1525 in Anspruch genommen. Sollte dies zutref-
fen, so würde die Zeichnung möglicherweise auf einen dritten Bildnis-
auftrag des Rechtsgelehrten an Hans Holbein hinweisen, der aber
anscheinend nicht über diese detaillierte Studie hinauskam.33
Doch Bonifacius Amerbach betätigte sich nicht nur als Auftraggeber
des jungen Hans Holbein, er erwarb auch weitere Werke des Künstlers.34
So kaufte er am 13. Mai 1542 von Holbeins Frau (zunächst für die Sti-
pendienstiftung des Erasmus, später für seine eigene Sammlung) das
Baseler Bildnis des schreibenden Gelehrten (Tafel 27).35 Schon Ende des
Jahres 1545 erbat Hans Jakob Fugger (1516-75) von Bonifacius dieses
Gemälde, um es in Augsburg kopieren zu lassen; während Holbeins Ori-
ginal schon Anfang 1546 wieder wohlbehalten nach Basel zurückkehrte,
ist über die damals vermutlich angefertigte Kopie nichts bekannt.36
Doch spätestens im Jahre 1549 muß Amerbach zumindest ein weiteres
Erasmus-Bildnis von Holbein besessen haben, wie aus seiner Rech-
nungsführung für den Erasmus-Fonds hervorgeht: Am 30. September
1549 zahlte er nämlich seinem Humanistenkollegen Sebastian Münster
(1488-1552) zweieinhalb Pfund, »... um 2 imagines Erasmi in die chro-
nick Munsteri contrafactur ze molen und ze schniden«.3' Tatsächlich gab
Münster seiner »Cosmographia Universalis« von 1550 zwei Erasmus-
Bildnisse in Holzschnitt bei.38 Das auf Seite 130 abgedruckte Porträt zeigt
16 Kopie nach Hans Holbein d.J., Bildnis des Erasmus von Rotterdam, New York, Metropo-
litan Museum of Art, Robert Lehman Collection
die nach rechts gewandte Büste des Gelehrten (Abb. 15), ähnlich dem
Bildnis in der Lehman Collection im Metropolitan Museum of Art in
New York (Abb.16) 39 mit der knappen Beischrift »Erasmi facies ad
uiuum expressa«. Der mit den Initialen des Hans Rudolf Manuel
Deutsch (1525-71) bezeichnete Holzschnitt auf Seite 407 hingegen zeigt
den nach links gewandten, schreibenden Erasmus (Abb. 18) in der Art des
Pariser Bildnisses (Tafel 28),40 allerdings im Bildausschnitt enger gefaßt
und ohne die Holzvertäfelung, wohl aber vor einem Brokatvorhang. Die
ausführliche Beischrift erläutert die Herkunft der Vorlage:
»sebastianus MUNSterus ad lectorem.
Qvu(m) eximius uir, memoratus dominus, Bonifacius Amerbachi(us)
Erasmi Roterodami nobis effigie(m) ä nobilissimo huius temporis pic-
tore Iohanne Holbeinio coloribus ad uiuu(m) bene feliciter expressam
co(m)municarit, exemplum inde utcunque desumptum, in gratiam sui
studiosoru(m) apponere libuit, ut ea(m) non solum aduersam & inte-
gram, qualem suprä in Holandi(a)e descriptione proposuimus, sed &
luscam, nempe altera duntaxat mala eminente, haberent.«41
Es ist zwar wahrscheinlich, aber letztlich nicht beweisbar, daß beide
von Münster reproduzierten Bildnisse des Erasmus von Rotterdam aus
dem Besitz des Bonifacius Amerbach stammten.43 Gänzlich ungelöst
bleibt aber die Frage nach der Identität der Vorlage des »Schreibenden
Erasmus« bei Münster: Gehen die Abweichungen des Holzschnitts vom
Baseler Bildnis des schreibenden Gelehrten auf das Konto des Holz-
schneiders oder gehörte Amerbach noch ein weiteres, heute verlorenes
Porträt, das den erhaltenen Gemälden in Basel und Paris ähnelte, aber
nicht mit ihnen identisch war?41
38 »Holbein-Bilder«. Entstehung und Kritik
Sebastian Münsters »Cosmographia Universalis«, Basel 1550
und des unbärtigen Bonifacius Amerbach thematisiert.31 Die Inschrift
dieses zweiten, wohl nie realisierten Porträts macht zugleich deutlich,
daß Amerbach die beiden Bildnisse als einander inhaltlich ergänzende
Gegenstücke verstanden wissen wollte, die unter Bezugnahme auf antike
Spruchweisheit seine Abwendung von äußerem Schein zugunsten seiner
Rückbesinnung auf das wahre Sein des Philosophen verdeutlichen sollte:
Ein Bart macht (noch) keinen Philosophen.32
Die ganz bildmäßig aufgefaßte, farbige Kreidezeichnung eines jungen,
unbärtigen Mannes mit Schlapphut im Kupferstichkabinett Basel
(Abb. 17) - traditionell als Bildnis des Paracelsus betrachtet -, wurde
jüngst von Christian Müller als weiteres Bildnis des Bonifacius Amerbach
vom Anfang des Jahres 1525 in Anspruch genommen. Sollte dies zutref-
fen, so würde die Zeichnung möglicherweise auf einen dritten Bildnis-
auftrag des Rechtsgelehrten an Hans Holbein hinweisen, der aber
anscheinend nicht über diese detaillierte Studie hinauskam.33
Doch Bonifacius Amerbach betätigte sich nicht nur als Auftraggeber
des jungen Hans Holbein, er erwarb auch weitere Werke des Künstlers.34
So kaufte er am 13. Mai 1542 von Holbeins Frau (zunächst für die Sti-
pendienstiftung des Erasmus, später für seine eigene Sammlung) das
Baseler Bildnis des schreibenden Gelehrten (Tafel 27).35 Schon Ende des
Jahres 1545 erbat Hans Jakob Fugger (1516-75) von Bonifacius dieses
Gemälde, um es in Augsburg kopieren zu lassen; während Holbeins Ori-
ginal schon Anfang 1546 wieder wohlbehalten nach Basel zurückkehrte,
ist über die damals vermutlich angefertigte Kopie nichts bekannt.36
Doch spätestens im Jahre 1549 muß Amerbach zumindest ein weiteres
Erasmus-Bildnis von Holbein besessen haben, wie aus seiner Rech-
nungsführung für den Erasmus-Fonds hervorgeht: Am 30. September
1549 zahlte er nämlich seinem Humanistenkollegen Sebastian Münster
(1488-1552) zweieinhalb Pfund, »... um 2 imagines Erasmi in die chro-
nick Munsteri contrafactur ze molen und ze schniden«.3' Tatsächlich gab
Münster seiner »Cosmographia Universalis« von 1550 zwei Erasmus-
Bildnisse in Holzschnitt bei.38 Das auf Seite 130 abgedruckte Porträt zeigt
16 Kopie nach Hans Holbein d.J., Bildnis des Erasmus von Rotterdam, New York, Metropo-
litan Museum of Art, Robert Lehman Collection
die nach rechts gewandte Büste des Gelehrten (Abb. 15), ähnlich dem
Bildnis in der Lehman Collection im Metropolitan Museum of Art in
New York (Abb.16) 39 mit der knappen Beischrift »Erasmi facies ad
uiuum expressa«. Der mit den Initialen des Hans Rudolf Manuel
Deutsch (1525-71) bezeichnete Holzschnitt auf Seite 407 hingegen zeigt
den nach links gewandten, schreibenden Erasmus (Abb. 18) in der Art des
Pariser Bildnisses (Tafel 28),40 allerdings im Bildausschnitt enger gefaßt
und ohne die Holzvertäfelung, wohl aber vor einem Brokatvorhang. Die
ausführliche Beischrift erläutert die Herkunft der Vorlage:
»sebastianus MUNSterus ad lectorem.
Qvu(m) eximius uir, memoratus dominus, Bonifacius Amerbachi(us)
Erasmi Roterodami nobis effigie(m) ä nobilissimo huius temporis pic-
tore Iohanne Holbeinio coloribus ad uiuu(m) bene feliciter expressam
co(m)municarit, exemplum inde utcunque desumptum, in gratiam sui
studiosoru(m) apponere libuit, ut ea(m) non solum aduersam & inte-
gram, qualem suprä in Holandi(a)e descriptione proposuimus, sed &
luscam, nempe altera duntaxat mala eminente, haberent.«41
Es ist zwar wahrscheinlich, aber letztlich nicht beweisbar, daß beide
von Münster reproduzierten Bildnisse des Erasmus von Rotterdam aus
dem Besitz des Bonifacius Amerbach stammten.43 Gänzlich ungelöst
bleibt aber die Frage nach der Identität der Vorlage des »Schreibenden
Erasmus« bei Münster: Gehen die Abweichungen des Holzschnitts vom
Baseler Bildnis des schreibenden Gelehrten auf das Konto des Holz-
schneiders oder gehörte Amerbach noch ein weiteres, heute verlorenes
Porträt, das den erhaltenen Gemälden in Basel und Paris ähnelte, aber
nicht mit ihnen identisch war?41
38 »Holbein-Bilder«. Entstehung und Kritik