Rjeinking 1966, S. 61-66, warf die Frage auf, ob das von den Isenheimer Antonitern in
Auftrag gegebene Altarbild angesichts der Zeitumstände und der Zurücklassung seiner
Malutensilien durch den älteren Hans überhaupt zum Abschluß kam.
Beutler/Thiem i960, S. 113.
In diesem Zusammenhang ist beispielsweise an die kürzlich von der Berliner Gemälde-
galerie erworbene »Madonna Böhler« zu erinnern, die üblicherweise in die zweite Hälfte
der 1510er Jahre gesetzt wird (vgl. Stange/Lieb 1970, S. 174, Kat.Nr.774; Wilhelm
H. Koehler, Holbein in der Berliner Gemäldegalerie. Zur Neuerwerbung eines Gemäl-
des von Hans Holbein d. Ä.; in: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz 29 [ 1992], S. 321-354;
Rasch 1999), oder an das ins Jahr 1522 datierte Bildnis des Augsburger Patriziers Martin
Weiss im Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt (vgl. Stange/Lieb 1970, S.177,
Kat. Nr.785a; Krause 2002, S. 265-269; Bodo Brinkmann, Stephan Kemperdick,
Deutsche Gemälde im Städel, 1500-1550 (Kataloge der Gemälde im Städelschen Kunst-
institut Frankfurt am Main, V), Mainz 2005 [im Druck]).
Vgl. Stange/Lieb 1970, S.174f, Kat.Nr.777; an der Heiden 1998, S. 118-123; Rasch
1999, S. 41-55; Krause 2002, S. 242-250. Zu der Überlieferung des Datums 1516 vgl.
Wilhelm Schmidt, Kleine Holbeinforschungen; in: Jahrbücher für Kunstwissenschaft 4
(1871), S. 232.
Gegen die Authentizität der Signatur - sofern sie denn in ihrer Schreibweise getreu über-
liefert ist - würde bereits die Schreibweise »Holbein« sprechen, signierte Hans Holbein
d.Ä. doch sonst durchwegs »Holbain«.
Ob der Sebastians-Altar mit einem archivalisch dokumentierten Auftrag für die neuer-
richtete, im November 1517 geweihte Kirche des Augsburger Dominikanerinnenkloster
zu identifizieren ist, ist höchst ungewiß, vgl. Rasch 1999, S. 41 f.
Vgl. Salm/Goldberg 1963, S. 103. Hans Holbein d.Ä. hat sein Selbstbildnis bis hin zu der
nur aus der Komposition des Heiligenflügels erklärlichen Kopfhaltung in einer Silber-
stiftzeichnung im Musee Conde in Chantilly vorbereitet; vgl. Bushart 1987, S. 21, 120.
Dennoch kam diese Zeichnung erst zum Einsatz, nachdem eine völlig anders gestaltete
Bettlerfigur auf der Elisabeth-Tafel bereits unterzeichnet worden war. An ihre Stelle trat
dann das Selbstbildnis des älteren Hans Holbein und die Gestalt des seine Schüssel vor-
weisenden Bettlers.
Vgl. AK Dürer Holbein Grünewald 1997/98, S.78-80, Kat. Nr. 8.11.
Vgl. jüngst ICrause 2002, S. 248. Für die Wiedergabe der Züge des jüngeren Hans in der
gemalten Figur des jungen Aussätzigen spricht (neben der grundsätzlichen physiogno-
mischen Übereinstimmung) auch der Umstand, daß diese ebenso wie das Selbstbildnis
Hans Holbeins d. A. erst nachträglich in die Darstellung aufgenommen worden ist (vgl.
Rasch 1999, S. 53f, Abb. lOf) - die beiden zunächst unterzeichneten Köpfe von Vater und
Sohn Holbein stimmen in ihrer physiognomischen Überspitzung, die fast karikaturhaft
wirkt, mit der Unterzeichnung der dritten Bettlerfigur vollkommen überein. Doch wäh-
rend diese dritte Figur in der Farbausführung den Vorgaben der Unterzeichnung präzise
folgt, sind die Köpfe des Aussätzigen (Hans Holbein d. J.) und des Vollbärtigen (Hans
Holbein d.Ä.) schon während des Unterzeichnungsprozesses vom Typen- zum Porträt-
haften korrigierend verändert worden. Dieser Vorgang fand dann in der Ausführung der
Malerei seine Fortsetzung.
Holbeins Entscheidung, seinen Sohn als aussätzig darzustellen, ist schwierig zu erklären,
galt doch Aussatz u. a. auch als Ausweis eines moralisch zweifelhaften Lebenswandels;
vgl. A.-H. Murken, G. Binding, G. Keil, Art. »Aussatz«; in: LexMA 1, 1980,
Sp. 1249-1257; Ruth Mellinkoff, Outcasts: Signs of otherness in Northern European
art of the late Middle Ages, Bd. 1, Berkeley u. a. O. 1993, S. 163-178. Möglicherweise spielt
hier die Erinnerung an eine der Wundertaten der Heiligen Elisabeth eine vermittelnde
Rolle, die einen Aussätzigen zur Pflege in ihr Ehebett legte, der sich später ihrem darob
erzürnten Gatten als Christus selbst zu erkennen gab (vgl. K. Hahn, F. Werner, Art. »Eli-
sabeth von Thüringen«; in: LCI 6, Sp. 138f, sowie das kürzlich von der Staatlichen Kunst-
halle Karlsruhe erworbene Elisabeth-Triptychon vom Meister der Gewandstudien [vgl.
AK Spätmittelalter am Oberrhein 2001/02, S. 279f, Kat. Nr. 156]), bzw. an ihre Kran-
kenfürsorge allgemein (vgl. Renate Kroos, Zu frühen Schrift- und Bildzeugnissen über
die heilige Elisabeth als Quellen zur Kunst- und Kulturgeschichte; in: AK Sankt Elisabeth.
Fürstin, Dienerin, Heilige. Aufsätze, Dokumentation, Katalog. Ausstellung zum 750.
Todestag der hl. Elisabeth, Marburg, Landgrafenschloß und Elisabethkirche, 1981/82,
S.184f).
Das Graphische Kabinett des Fogg Art Museum, Cambridge, Mass., bewahrt eine Hans
Holbein d. J. zugeschriebene Zeichnung eines jungen Aussätzigen, 1523 datiert (schwarze
und farbige Kreiden, aquarelliert und mit Feder übergangen, auf rötlich weißem Papier,
20,5x15,2 cm), in der Gisela Hopp in AK Köpfe der Lutherzeit, Hamburger Kunst-
halle 1983, S. 178, Kat. Nr. 75, versuchsweise ein Bildnis des Ambrosius Holbein sehen
wollte. Dies allerdings würde bedeuten, daß Ambrosius im Jahre 1523 noch am Leben
gewesen wäre, will man nicht die Möglichkeit eines posthumen Porträts erwägen. So
dürfte es sich wohl eher um eine zufällige physiognomische Ähnlichkeit handeln.
An der Heiden 1998, S. 118-123; vgl. auch Salm/Goldberg 1963, S. 103.
Zum Dominikaner-Altar siehe S. 78, Anm. 16.
Lieb/Stange i960, S.65, Kat. Nr. 23, hatten noch eine Geburt Christi in der Fürstenber-
gischen Gemäldesammlung in Donaueschingen als eine um 1500/04 entstandene Arbeit
Hans Holbeins d.A. betrachtet, die »...um 1514 (?) oder etwas später von Hans
Holbein d. J. teilweise übermalt (breite, farbige Fittiche der Engel, ursprünglich hohe,
spitz geschlossene Flügel) und vollendet...« worden sein sollte, da sie die (nachträgliche)
Bezeichnung »HANS HOLBAIN DER JVNG 19 JAR. A« und das Datum »1514« trägt;
vgl. hierzu aber korrigierend Grimm/Konrad 1990, S. 61-63, 164-166, Kat. Nr. 34;
Krause 2002, S. 25f.
44 Vgl. Ganz 1921b, S. 210-221; Krause 2002, S. 263-265.
45 Siehe S. 16, 80, Anm. 57.
40 Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, Inv. Nr.
102; Silberstift, weiß gehöht und mit Rotstift gehöht, 13,9x9,2 cm.
4' Pfeiffer 1966, S. 140-146. Ablehnend zu dieser Identifizierung Krause 2002, S. 263.
48 Vgl. Stange/Lieb 1970, S.174, Kat.Nr.776; Rasch 1999, S.70-83; Bushart 1985, S.89f,
Kat. Nr. 16.
Das Bild war noch von Ganz 1950, S. 199, Kat. Nr. 2, und von Lieb/Stange i960, S. 32, als
angeblich ins Jahr 1515 datiertes Jugendwerk Hans Holbeins d. J. betrachtet worden. Die
gesamte jüngere Forschung sieht es als Arbeit Hans Holbeins d. Ä. Die Lesung der Datie-
rung als »1519« statt »1515« wurde erstmals von Bushart 1985, S. 90, vorgeschlagen und
von Rasch 1999, S. 80, bestätigt.
Der Zustand der von Holz auf Leinwand übertragenen Malerei ist insbesondere im
Bereich der Figuren nach wie vor durch ausgedehnte lasierende Übermalungen beein-
trächtigt (vgl. Rasch 1999, S.76-80), die die jüngst von Rasch 1999, S. 71, vermerkte sti-
listische Fremdheit beider Köpfe im Werk Hans Holbeins d.Ä. erklären, zugleich aber
jeden Vergleich mit dessen übrigen Arbeiten außerordentlich erschweren. Krause 2002,
S. 9, bezeichnete das Gemälde als Fälschung.
49 Die Hintergrundarchitektur des Bildnisses in Norfolk steht teilweise, die der Ehrenpforte
auf dem Lissaboner Gemälde weitestgehend mit Hans Dauchers Reliefdarstellung der
Heiligen Familie von 1518 im Wiener Kunsthistorischen Museum (vgl. Eser 1996,
S. 80-91, Kat. Nr. 1) in Zusammenhang. Zur Frage der wechselseitigen Abhängigkeit
Holbeins und Dauchers oder ihrer gemeinsamen Bezugnahme auf eine auf Albrecht
Dürer zurückgehende Vorlage siehe S. 62, Anm. 38.
50 Vgl. Stange/Lieb 1970, S. 175, Kat. Nr. 778; Bushart 1977, S. 45-70; Didier Martens,
Entre l'Italie et les Flandres: la »Virgo inter virgines« de Hans Holbein l'Ancien et ses
sources; in: Revue de l'art 117 (1997), S. 36-47; Rasch 1999, S. 55-69, 80-83; AK Die
grossen Sammlungen VIII: Museu Nacional de Arte Antiga Lissabon, Bonn,
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, 1999, S. 118, Kat. Nr. 41;
Krause 2002, S. 95-99.
51 So etwa von Hans Reinhardt, Hans Holbein der Ältere; in: Bushart/Reinking/Reinhardt
1966, S. 102; Bushart 1977, S. 45, 64.
52 Vgl. Bachtler/Diemer/Erichsen 1980, S. 242f; Diemer 1980, S. 139f, 161.
53 W. Schmidt 1903, Sp. 493.
54 Bushart 1977, S. 45-70.
Es verdient in diesem Zusammenhang hervorgehoben zu werden, daß eine weitere Fas-
sung des Daucherschen Madonnenreliefs (siehe S. 62, Anm. 38), ins Jahr 1520 datiert und
heute in den Städtischen Kunstsammlungen in Augsburg verwahrt, durch das auf diesem
Stück angebrachte portugiesische Wappen mit der Heirat der Schwester Karls V, Eleo-
nore, mit Manuel von Portugal im Vorjahr in Verbindung zu bringen ist; vgl. Eser 1996,
S. 99-105, Kat. Nr. 4.
55 Isenheim als Entstehungsort des Lissaboner »Lebensbrunnens« vermuteten im Anschluß
an Glaser 1908, S. 10, 100-106, 157f, 160; ders. 1924a, S. 299f; ders. 1924b, S. 335, auch
Waetzoldt 1938, S.17; Pinder 1940, S. 228; Strieder 1947, S.nf; Reinhardt 1982, S. 257.
Reinhardt 1954/55, S.12, 16f, 18; ders. 1960b, S.21; H. Müller 1965, S.21, erwogen
wegen der Seelandschaft im Bildhintergrund die Entstehung des Gemäldes in Luzern.
Hatte es zuvor schon gelegentlich Zweifel an der Ursprünglichkeit von Landschaft und
Himmel gegeben, so glaubte Bushart 1977, S. 47, mit Anm. 17f, 57f, am Röntgenbefund
erkennen zu können, »... daß die Landschaft stellenweise sogar vor der Architektur aus-
geführt« worden sei, ferner »... daß die Landschaft anfänglich sogar über die seitlichen
Anbauten der Hintergrundarchitektur hinaus bis an die Außenkanten der beiden orna-
mentierten Pfeiler reichen sollte. Die Anbauten wurden in einem zweiten Arbeitsgang
darüber angelegt und nach erneuter Korrektur schließlich ausgeführt.« Allerdings kon-
zedierte Bushart die Existenz früher Retuschen im Bereich des Himmels. Doch auch
Holbein selbst könnte die seitlichen Anbauten erst nachträglich über die bereits ange-
legte, ursprüngliche Landschaft hinaus erweitert haben; die Röntgenaufnahmen lassen
hier letztlich keine Entscheidung zu. Andererseits spart der Himmel die äußeren Stre-
bepfeiler der Architektur aus, d.h. er setzt sie voraus. Diese Strebepfeiler geben sich
jedoch auf den Infrarot-Photographien ihrerseits als nachträgliche Ergänzung der
ursprünglichen Architektur zu erkennen. Es scheint also, als würde auch der gemälde-
technologische Befund gegen die Ursprünglichkeit der heutigen Landschafts- und Him-
melsgestaltung sprechen.
Stilistisch gesehen kann es sich bei der Landschaffsdarstellung nur um das Ergebnis einer
vollständigen Übermalung im fortgeschrittenen 16. Jahrhundert handeln; dem entspre-
chen auch motivische Details wie die manieristischen Ruinencapricci hinten rechts.
Angesichts der Tatsache, daß sich der Lissaboner »Lebensbrunnen« im frühen 17. Jahr-
Vater und Bruder: Vorbilder, Mitarbeiter, Konkurrenten? 79
Auftrag gegebene Altarbild angesichts der Zeitumstände und der Zurücklassung seiner
Malutensilien durch den älteren Hans überhaupt zum Abschluß kam.
Beutler/Thiem i960, S. 113.
In diesem Zusammenhang ist beispielsweise an die kürzlich von der Berliner Gemälde-
galerie erworbene »Madonna Böhler« zu erinnern, die üblicherweise in die zweite Hälfte
der 1510er Jahre gesetzt wird (vgl. Stange/Lieb 1970, S. 174, Kat.Nr.774; Wilhelm
H. Koehler, Holbein in der Berliner Gemäldegalerie. Zur Neuerwerbung eines Gemäl-
des von Hans Holbein d. Ä.; in: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz 29 [ 1992], S. 321-354;
Rasch 1999), oder an das ins Jahr 1522 datierte Bildnis des Augsburger Patriziers Martin
Weiss im Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt (vgl. Stange/Lieb 1970, S.177,
Kat. Nr.785a; Krause 2002, S. 265-269; Bodo Brinkmann, Stephan Kemperdick,
Deutsche Gemälde im Städel, 1500-1550 (Kataloge der Gemälde im Städelschen Kunst-
institut Frankfurt am Main, V), Mainz 2005 [im Druck]).
Vgl. Stange/Lieb 1970, S.174f, Kat.Nr.777; an der Heiden 1998, S. 118-123; Rasch
1999, S. 41-55; Krause 2002, S. 242-250. Zu der Überlieferung des Datums 1516 vgl.
Wilhelm Schmidt, Kleine Holbeinforschungen; in: Jahrbücher für Kunstwissenschaft 4
(1871), S. 232.
Gegen die Authentizität der Signatur - sofern sie denn in ihrer Schreibweise getreu über-
liefert ist - würde bereits die Schreibweise »Holbein« sprechen, signierte Hans Holbein
d.Ä. doch sonst durchwegs »Holbain«.
Ob der Sebastians-Altar mit einem archivalisch dokumentierten Auftrag für die neuer-
richtete, im November 1517 geweihte Kirche des Augsburger Dominikanerinnenkloster
zu identifizieren ist, ist höchst ungewiß, vgl. Rasch 1999, S. 41 f.
Vgl. Salm/Goldberg 1963, S. 103. Hans Holbein d.Ä. hat sein Selbstbildnis bis hin zu der
nur aus der Komposition des Heiligenflügels erklärlichen Kopfhaltung in einer Silber-
stiftzeichnung im Musee Conde in Chantilly vorbereitet; vgl. Bushart 1987, S. 21, 120.
Dennoch kam diese Zeichnung erst zum Einsatz, nachdem eine völlig anders gestaltete
Bettlerfigur auf der Elisabeth-Tafel bereits unterzeichnet worden war. An ihre Stelle trat
dann das Selbstbildnis des älteren Hans Holbein und die Gestalt des seine Schüssel vor-
weisenden Bettlers.
Vgl. AK Dürer Holbein Grünewald 1997/98, S.78-80, Kat. Nr. 8.11.
Vgl. jüngst ICrause 2002, S. 248. Für die Wiedergabe der Züge des jüngeren Hans in der
gemalten Figur des jungen Aussätzigen spricht (neben der grundsätzlichen physiogno-
mischen Übereinstimmung) auch der Umstand, daß diese ebenso wie das Selbstbildnis
Hans Holbeins d. A. erst nachträglich in die Darstellung aufgenommen worden ist (vgl.
Rasch 1999, S. 53f, Abb. lOf) - die beiden zunächst unterzeichneten Köpfe von Vater und
Sohn Holbein stimmen in ihrer physiognomischen Überspitzung, die fast karikaturhaft
wirkt, mit der Unterzeichnung der dritten Bettlerfigur vollkommen überein. Doch wäh-
rend diese dritte Figur in der Farbausführung den Vorgaben der Unterzeichnung präzise
folgt, sind die Köpfe des Aussätzigen (Hans Holbein d. J.) und des Vollbärtigen (Hans
Holbein d.Ä.) schon während des Unterzeichnungsprozesses vom Typen- zum Porträt-
haften korrigierend verändert worden. Dieser Vorgang fand dann in der Ausführung der
Malerei seine Fortsetzung.
Holbeins Entscheidung, seinen Sohn als aussätzig darzustellen, ist schwierig zu erklären,
galt doch Aussatz u. a. auch als Ausweis eines moralisch zweifelhaften Lebenswandels;
vgl. A.-H. Murken, G. Binding, G. Keil, Art. »Aussatz«; in: LexMA 1, 1980,
Sp. 1249-1257; Ruth Mellinkoff, Outcasts: Signs of otherness in Northern European
art of the late Middle Ages, Bd. 1, Berkeley u. a. O. 1993, S. 163-178. Möglicherweise spielt
hier die Erinnerung an eine der Wundertaten der Heiligen Elisabeth eine vermittelnde
Rolle, die einen Aussätzigen zur Pflege in ihr Ehebett legte, der sich später ihrem darob
erzürnten Gatten als Christus selbst zu erkennen gab (vgl. K. Hahn, F. Werner, Art. »Eli-
sabeth von Thüringen«; in: LCI 6, Sp. 138f, sowie das kürzlich von der Staatlichen Kunst-
halle Karlsruhe erworbene Elisabeth-Triptychon vom Meister der Gewandstudien [vgl.
AK Spätmittelalter am Oberrhein 2001/02, S. 279f, Kat. Nr. 156]), bzw. an ihre Kran-
kenfürsorge allgemein (vgl. Renate Kroos, Zu frühen Schrift- und Bildzeugnissen über
die heilige Elisabeth als Quellen zur Kunst- und Kulturgeschichte; in: AK Sankt Elisabeth.
Fürstin, Dienerin, Heilige. Aufsätze, Dokumentation, Katalog. Ausstellung zum 750.
Todestag der hl. Elisabeth, Marburg, Landgrafenschloß und Elisabethkirche, 1981/82,
S.184f).
Das Graphische Kabinett des Fogg Art Museum, Cambridge, Mass., bewahrt eine Hans
Holbein d. J. zugeschriebene Zeichnung eines jungen Aussätzigen, 1523 datiert (schwarze
und farbige Kreiden, aquarelliert und mit Feder übergangen, auf rötlich weißem Papier,
20,5x15,2 cm), in der Gisela Hopp in AK Köpfe der Lutherzeit, Hamburger Kunst-
halle 1983, S. 178, Kat. Nr. 75, versuchsweise ein Bildnis des Ambrosius Holbein sehen
wollte. Dies allerdings würde bedeuten, daß Ambrosius im Jahre 1523 noch am Leben
gewesen wäre, will man nicht die Möglichkeit eines posthumen Porträts erwägen. So
dürfte es sich wohl eher um eine zufällige physiognomische Ähnlichkeit handeln.
An der Heiden 1998, S. 118-123; vgl. auch Salm/Goldberg 1963, S. 103.
Zum Dominikaner-Altar siehe S. 78, Anm. 16.
Lieb/Stange i960, S.65, Kat. Nr. 23, hatten noch eine Geburt Christi in der Fürstenber-
gischen Gemäldesammlung in Donaueschingen als eine um 1500/04 entstandene Arbeit
Hans Holbeins d.A. betrachtet, die »...um 1514 (?) oder etwas später von Hans
Holbein d. J. teilweise übermalt (breite, farbige Fittiche der Engel, ursprünglich hohe,
spitz geschlossene Flügel) und vollendet...« worden sein sollte, da sie die (nachträgliche)
Bezeichnung »HANS HOLBAIN DER JVNG 19 JAR. A« und das Datum »1514« trägt;
vgl. hierzu aber korrigierend Grimm/Konrad 1990, S. 61-63, 164-166, Kat. Nr. 34;
Krause 2002, S. 25f.
44 Vgl. Ganz 1921b, S. 210-221; Krause 2002, S. 263-265.
45 Siehe S. 16, 80, Anm. 57.
40 Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, Inv. Nr.
102; Silberstift, weiß gehöht und mit Rotstift gehöht, 13,9x9,2 cm.
4' Pfeiffer 1966, S. 140-146. Ablehnend zu dieser Identifizierung Krause 2002, S. 263.
48 Vgl. Stange/Lieb 1970, S.174, Kat.Nr.776; Rasch 1999, S.70-83; Bushart 1985, S.89f,
Kat. Nr. 16.
Das Bild war noch von Ganz 1950, S. 199, Kat. Nr. 2, und von Lieb/Stange i960, S. 32, als
angeblich ins Jahr 1515 datiertes Jugendwerk Hans Holbeins d. J. betrachtet worden. Die
gesamte jüngere Forschung sieht es als Arbeit Hans Holbeins d. Ä. Die Lesung der Datie-
rung als »1519« statt »1515« wurde erstmals von Bushart 1985, S. 90, vorgeschlagen und
von Rasch 1999, S. 80, bestätigt.
Der Zustand der von Holz auf Leinwand übertragenen Malerei ist insbesondere im
Bereich der Figuren nach wie vor durch ausgedehnte lasierende Übermalungen beein-
trächtigt (vgl. Rasch 1999, S.76-80), die die jüngst von Rasch 1999, S. 71, vermerkte sti-
listische Fremdheit beider Köpfe im Werk Hans Holbeins d.Ä. erklären, zugleich aber
jeden Vergleich mit dessen übrigen Arbeiten außerordentlich erschweren. Krause 2002,
S. 9, bezeichnete das Gemälde als Fälschung.
49 Die Hintergrundarchitektur des Bildnisses in Norfolk steht teilweise, die der Ehrenpforte
auf dem Lissaboner Gemälde weitestgehend mit Hans Dauchers Reliefdarstellung der
Heiligen Familie von 1518 im Wiener Kunsthistorischen Museum (vgl. Eser 1996,
S. 80-91, Kat. Nr. 1) in Zusammenhang. Zur Frage der wechselseitigen Abhängigkeit
Holbeins und Dauchers oder ihrer gemeinsamen Bezugnahme auf eine auf Albrecht
Dürer zurückgehende Vorlage siehe S. 62, Anm. 38.
50 Vgl. Stange/Lieb 1970, S. 175, Kat. Nr. 778; Bushart 1977, S. 45-70; Didier Martens,
Entre l'Italie et les Flandres: la »Virgo inter virgines« de Hans Holbein l'Ancien et ses
sources; in: Revue de l'art 117 (1997), S. 36-47; Rasch 1999, S. 55-69, 80-83; AK Die
grossen Sammlungen VIII: Museu Nacional de Arte Antiga Lissabon, Bonn,
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, 1999, S. 118, Kat. Nr. 41;
Krause 2002, S. 95-99.
51 So etwa von Hans Reinhardt, Hans Holbein der Ältere; in: Bushart/Reinking/Reinhardt
1966, S. 102; Bushart 1977, S. 45, 64.
52 Vgl. Bachtler/Diemer/Erichsen 1980, S. 242f; Diemer 1980, S. 139f, 161.
53 W. Schmidt 1903, Sp. 493.
54 Bushart 1977, S. 45-70.
Es verdient in diesem Zusammenhang hervorgehoben zu werden, daß eine weitere Fas-
sung des Daucherschen Madonnenreliefs (siehe S. 62, Anm. 38), ins Jahr 1520 datiert und
heute in den Städtischen Kunstsammlungen in Augsburg verwahrt, durch das auf diesem
Stück angebrachte portugiesische Wappen mit der Heirat der Schwester Karls V, Eleo-
nore, mit Manuel von Portugal im Vorjahr in Verbindung zu bringen ist; vgl. Eser 1996,
S. 99-105, Kat. Nr. 4.
55 Isenheim als Entstehungsort des Lissaboner »Lebensbrunnens« vermuteten im Anschluß
an Glaser 1908, S. 10, 100-106, 157f, 160; ders. 1924a, S. 299f; ders. 1924b, S. 335, auch
Waetzoldt 1938, S.17; Pinder 1940, S. 228; Strieder 1947, S.nf; Reinhardt 1982, S. 257.
Reinhardt 1954/55, S.12, 16f, 18; ders. 1960b, S.21; H. Müller 1965, S.21, erwogen
wegen der Seelandschaft im Bildhintergrund die Entstehung des Gemäldes in Luzern.
Hatte es zuvor schon gelegentlich Zweifel an der Ursprünglichkeit von Landschaft und
Himmel gegeben, so glaubte Bushart 1977, S. 47, mit Anm. 17f, 57f, am Röntgenbefund
erkennen zu können, »... daß die Landschaft stellenweise sogar vor der Architektur aus-
geführt« worden sei, ferner »... daß die Landschaft anfänglich sogar über die seitlichen
Anbauten der Hintergrundarchitektur hinaus bis an die Außenkanten der beiden orna-
mentierten Pfeiler reichen sollte. Die Anbauten wurden in einem zweiten Arbeitsgang
darüber angelegt und nach erneuter Korrektur schließlich ausgeführt.« Allerdings kon-
zedierte Bushart die Existenz früher Retuschen im Bereich des Himmels. Doch auch
Holbein selbst könnte die seitlichen Anbauten erst nachträglich über die bereits ange-
legte, ursprüngliche Landschaft hinaus erweitert haben; die Röntgenaufnahmen lassen
hier letztlich keine Entscheidung zu. Andererseits spart der Himmel die äußeren Stre-
bepfeiler der Architektur aus, d.h. er setzt sie voraus. Diese Strebepfeiler geben sich
jedoch auf den Infrarot-Photographien ihrerseits als nachträgliche Ergänzung der
ursprünglichen Architektur zu erkennen. Es scheint also, als würde auch der gemälde-
technologische Befund gegen die Ursprünglichkeit der heutigen Landschafts- und Him-
melsgestaltung sprechen.
Stilistisch gesehen kann es sich bei der Landschaffsdarstellung nur um das Ergebnis einer
vollständigen Übermalung im fortgeschrittenen 16. Jahrhundert handeln; dem entspre-
chen auch motivische Details wie die manieristischen Ruinencapricci hinten rechts.
Angesichts der Tatsache, daß sich der Lissaboner »Lebensbrunnen« im frühen 17. Jahr-
Vater und Bruder: Vorbilder, Mitarbeiter, Konkurrenten? 79