Das Doppelbildnis des Jacob Meyer zum Hasen
und der Dorothea Kannengießer
Das früheste der erhaltenen Porträts, das Meyer-Kannengießer-Bildnis
aus dem Jahre 1516, ist als Diptychon gestaltet (Tafel 2J-22).8 Dement-
sprechend sind Jacob Meyer zum Hasen und seine Frau Dorothea Kan-
nengießer als Halbfiguren auf zwei 38,5 x 31 cm messende Lindenholzta-
feln gemalt. Vor bzw. unter einer antikischen Architekturkulisse, die von
ferne an einen Triumphbogen erinnert, erscheinen vor hellblauem
(Himmels-) Grund die beiden Eheleute. Jacob Meyers mächtiger Ober-
körper scheint das Bildformat der linken Tafel fast sprengen zu wollen;
seine schwarze Jacke wird jedenfalls beidseits vom Bildausschnitt über-
schnitten. Im Dreiviertelprofil nach links gewandt, hat er die Arme vor
dem Körper erhoben; während die Rechte weisend auf seine Frau gerich-
tet ist, geht sein Blick schräg nach rechts aus dem Bild heraus. In der
reichlich beringten Linken hält er eine Münze. Seine Frau auf dem rech-
ten Flügel ist demgegenüber in ihrer Dreiviertelwendung nach links ganz
auf ihren Gatten orientiert; aufmerksam blickt sie ihn an. Der linke Arm
ist horizontal vor den Körper genommen, als liege er auf einer Stuhl-
lehne; auf diese Weise ist die Rechte verborgen, die vermutlich im Schoß
ruhend gedacht ist.
Meyer trägt über einem plissierten, weiten Hemd mit goldfarbener
Zierstickerei am Saum des weiten Halsausschnitts eine schwarze Jacke,
die vor der Brust offensteht. Seine lockigen Haare bedeckt ein karminro-
tes Barett, das er sich schräg auf den Kopf gesetzt hat. Diesem eher infor-
mellen Aufzug, der in nichts zu erkennen gibt, daß es sich bei dem Dar-
gestellten um einen der einflußreichsten Bürger Basels (wenn nicht
bereits um den Bürgermeister der Stadt) handelt,9 kontrastiert auffällig
mit Dorothea Kannengießers festlichem Sonntagsstaat.10 Ihr karminro-
tes, mit breiten schwarzen Borten versehenes Kleid ist fast schulterfrei
geschnitten; im Ausschnitt wird ein reich plissiertes Hemd sichtbar, das
üppig mit goldfarbenen Zierborten, weißen, geflochtenen Bändern und
am Saum zusätzlich mit kleinen weißen Troddeln besetzt ist. Als verhei-
ratete Frau trägt Dorothea eine weiße Haube, an die eine gleichfalls weiße
Stoffbahn angesteckt ist, die dekorativ über ihre rechte Schulter herabfällt
und um den Oberarm geschlungen ist. Ein dünneres, mit goldfarbenen
geometrischen Mustern durchwirktes Tuch mit dünnem schwarzem
Saum ist über die Haube gelegt und tief in die Stirn gezogen. Zwei Ket-
ten, eine aus Golddraht geflochten, die andere aus Perlen und Goldku-
geln gebildet, verschwinden im Hemdausschnitt und betonen dadurch
wirkungsvoll das schöne Dekollete. Eine entsprechende Funktion haben
schließlich auch die goldfarbenen Metallbroschen mit stilisierten Blatt-
und Blütenranken, die dem Saum des Kleides angesteckt sind.
Nur ausschnitthaft wird die die Figuren einfassende bzw. hinterfan-
gende Architektur sichtbar: Ein schräg in den Bildraum gestellter massi-
ver Pfeiler ragt mittig hinter den Dargestellten auf. Seine Flanke wird
durch eine Rechtecknische gegliedert, in die vier Balustersäulchen einge-
stellt sind. Sie tragen ein umlaufendes Gesims, dessen Fries mit stilisier-
ten Blattranken geschmückt ist. An der Pfeilerstirn sind zwei Putten in
die Ranke eingefügt, die einen von einer Blattmaske überragten Schild
präsentieren, auf dem das Monogramm und die Datierung erscheinen:
»H H/1516«. Der auf diese Weise dekorierte Pfeiler dient gemeinsam mit
einer rückseitigen Pfeilervorlage als Auflager für Segmentbögen oder
auch stichkappenartige Gewölbeansätze, von denen zumindest der
Bogenlauf über Dorothea Kannengießer kassettiert ist. Es bleibt aller-
dings unklar, in welchem Verhältnis die beiden Balustersäulen auf hohen
Postamenten, die angeschnitten an den jeweiligen Außenseiten der bei-
den Diptychonflügel sichtbar werden, zu den Bogen- und Gewölbeab-
schnitten stehen - sie können jedenfalls nicht als deren Widerlager die-
nen. Die seitlichen Säulen und der Mittelpfeiler sind in warmem Grau
gehalten, die in den Pfeiler eingestellten Säulchen sind aus rotgeflamm-
tem Marmor gearbeitet. Die Farbgebung des Reliefs des Pfeilerfrieses, des
Kassettendekors des Segmentbogens sowie der stilisierten Blatt- und
Fruchtdekoration im Übergang vom Postament zum Baluster bei den
seitlichen Säulen soll wohl eine Vergoldung angeben, während der Grund
des Kassettenbogens dunkelblau gehalten ist.
Die Farbgestaltung des Doppelbildnisses insgesamt ist raffiniert-
schlicht: Schwarz, Karminrot, Weiß und Gold bestimmen die Farbe der
Kleidung bei Mann und Frau, wobei die hauptsächlichen Farbakzente,
Rot und Schwarz, gegeneinander verschränkt sind; das warme Grau, das
Braun und Gold der Architektur stehen hierzu und zum Hellblau des
Hintergrundes in höchst wirkungsvollem Kontrast. Während das Grau
der Pfeilerfront und das leuchtende Rot des Baretts, die Meyers Gesicht
einfassen, sein rötliches Inkarnat noch hervorheben, steigert das kühle
Blau des Hintergrundes die vornehme Blässe seiner Gattin. Höchst
geschickt wird auch das Bildlicht ausgenutzt, das von rechts oben einzu-
fallen scheint: Durch die volle Ausleuchtung seines Gesichtes betont es
die aktive Präsenz Meyers, die sich auch an seiner Gestik zeigt, während
die teilweise Verschattung des Antlitzes seiner Frau den Eindruck der
eher passiven Orientierung an ihrem Ehemann, die durch den Blick-
kontakt vorgegeben ist, noch verstärkt.
In demselben Jahr, in dem Holbein das Ehepaar Meyer porträtierte,
erreichte Jacob Meyer zum Hasen den Höhepunkt seiner politischen
Karriere:" Bereits seit 1510 Ratsmitglied, wurde er am 14. Juni 1516 zum
ersten Bürgermeister Basels aus den Reihen der Zünfte gewählt. Der 1482
in eine Baseler Goldschmiede- und Kaufmannsfamilie geborene Meyer
hatte sich für den Posten des Bürgermeisters, den er turnusgemäß erneut
1518 und 1520 innehatte (eine direkte Wiederwahl war nicht möglich),
durch seine erfolgreiche Laufbahn als Geldwechsler, Kaufmann, Verleger,
Immobilienspekulant und Heerführer empfohlen. Durch seine erste Ehe
mit Magdalena Baer, die ihrerseits zuvor zweimal verheiratet gewesen
war und die 1511 starb, war Meyer mit führenden Baseler Familien ver-
sippt und verschwägert. Seit 1503 war er bei den »Weinleuten« und den
»Hausgenossen« Zunftmitglied, letztere wählten ihn zwischen 1510 und
1515 zu ihrem Meister. Seit 1504 war Meyer auch Mitglied der »Schlüs-
selzunft«. Im Jahre 1507 führte er erstmals als Fähnrich ein Baseler Trup-
penkontingent im Dienste des französischen Königs bei der Eroberung
Genuas, und bereits 1508 war er vermögend genug, um das Weiher-
schlößchen Groß-Gundeldingen vor den Toren Basels erwerben zu kön-
nen. 1510 war er Hauptmann der Baseler Truppe, die Kardinal Matthäus
Schiner für Papst Julius II. angeworben hatte, die indes von französischen
Truppen an der Alpenüberquerung gehindert wurde; im Frühjahr 1512
vertrat er die Eidgenossen als Gesandter in Venedig, im Sommer dessel-
ben Jahres führte er die Baseler Truppen an, die Mailand den Franzosen
wieder abnahmen, und im Dezember gehörte er zur eidgenössischen
Gesandtschaft, die den Sohn Lodovico Moros, Massimiliano Sforza, zum
neuen Herzog von Mailand einsetzte. Im Herbst 1513 nahm Meyer an
einem Zug Baseler Truppen nach Dijon teil; im September 1520 nahm
eine Baseler Truppe unter Führung Meyers das Schloß Pfäffingen dem
Bischof im Handstreich ab.
Doch im Oktober 1521 wurde Meyer der Bestechlichkeit angeklagt, als
Bürgermeister abgesetzt und zeitweise sogar inhaftiert. Nur teilweise
Sicherer Boden. Die frühen Bildnisaufträge in Basel und Luzern 107
und der Dorothea Kannengießer
Das früheste der erhaltenen Porträts, das Meyer-Kannengießer-Bildnis
aus dem Jahre 1516, ist als Diptychon gestaltet (Tafel 2J-22).8 Dement-
sprechend sind Jacob Meyer zum Hasen und seine Frau Dorothea Kan-
nengießer als Halbfiguren auf zwei 38,5 x 31 cm messende Lindenholzta-
feln gemalt. Vor bzw. unter einer antikischen Architekturkulisse, die von
ferne an einen Triumphbogen erinnert, erscheinen vor hellblauem
(Himmels-) Grund die beiden Eheleute. Jacob Meyers mächtiger Ober-
körper scheint das Bildformat der linken Tafel fast sprengen zu wollen;
seine schwarze Jacke wird jedenfalls beidseits vom Bildausschnitt über-
schnitten. Im Dreiviertelprofil nach links gewandt, hat er die Arme vor
dem Körper erhoben; während die Rechte weisend auf seine Frau gerich-
tet ist, geht sein Blick schräg nach rechts aus dem Bild heraus. In der
reichlich beringten Linken hält er eine Münze. Seine Frau auf dem rech-
ten Flügel ist demgegenüber in ihrer Dreiviertelwendung nach links ganz
auf ihren Gatten orientiert; aufmerksam blickt sie ihn an. Der linke Arm
ist horizontal vor den Körper genommen, als liege er auf einer Stuhl-
lehne; auf diese Weise ist die Rechte verborgen, die vermutlich im Schoß
ruhend gedacht ist.
Meyer trägt über einem plissierten, weiten Hemd mit goldfarbener
Zierstickerei am Saum des weiten Halsausschnitts eine schwarze Jacke,
die vor der Brust offensteht. Seine lockigen Haare bedeckt ein karminro-
tes Barett, das er sich schräg auf den Kopf gesetzt hat. Diesem eher infor-
mellen Aufzug, der in nichts zu erkennen gibt, daß es sich bei dem Dar-
gestellten um einen der einflußreichsten Bürger Basels (wenn nicht
bereits um den Bürgermeister der Stadt) handelt,9 kontrastiert auffällig
mit Dorothea Kannengießers festlichem Sonntagsstaat.10 Ihr karminro-
tes, mit breiten schwarzen Borten versehenes Kleid ist fast schulterfrei
geschnitten; im Ausschnitt wird ein reich plissiertes Hemd sichtbar, das
üppig mit goldfarbenen Zierborten, weißen, geflochtenen Bändern und
am Saum zusätzlich mit kleinen weißen Troddeln besetzt ist. Als verhei-
ratete Frau trägt Dorothea eine weiße Haube, an die eine gleichfalls weiße
Stoffbahn angesteckt ist, die dekorativ über ihre rechte Schulter herabfällt
und um den Oberarm geschlungen ist. Ein dünneres, mit goldfarbenen
geometrischen Mustern durchwirktes Tuch mit dünnem schwarzem
Saum ist über die Haube gelegt und tief in die Stirn gezogen. Zwei Ket-
ten, eine aus Golddraht geflochten, die andere aus Perlen und Goldku-
geln gebildet, verschwinden im Hemdausschnitt und betonen dadurch
wirkungsvoll das schöne Dekollete. Eine entsprechende Funktion haben
schließlich auch die goldfarbenen Metallbroschen mit stilisierten Blatt-
und Blütenranken, die dem Saum des Kleides angesteckt sind.
Nur ausschnitthaft wird die die Figuren einfassende bzw. hinterfan-
gende Architektur sichtbar: Ein schräg in den Bildraum gestellter massi-
ver Pfeiler ragt mittig hinter den Dargestellten auf. Seine Flanke wird
durch eine Rechtecknische gegliedert, in die vier Balustersäulchen einge-
stellt sind. Sie tragen ein umlaufendes Gesims, dessen Fries mit stilisier-
ten Blattranken geschmückt ist. An der Pfeilerstirn sind zwei Putten in
die Ranke eingefügt, die einen von einer Blattmaske überragten Schild
präsentieren, auf dem das Monogramm und die Datierung erscheinen:
»H H/1516«. Der auf diese Weise dekorierte Pfeiler dient gemeinsam mit
einer rückseitigen Pfeilervorlage als Auflager für Segmentbögen oder
auch stichkappenartige Gewölbeansätze, von denen zumindest der
Bogenlauf über Dorothea Kannengießer kassettiert ist. Es bleibt aller-
dings unklar, in welchem Verhältnis die beiden Balustersäulen auf hohen
Postamenten, die angeschnitten an den jeweiligen Außenseiten der bei-
den Diptychonflügel sichtbar werden, zu den Bogen- und Gewölbeab-
schnitten stehen - sie können jedenfalls nicht als deren Widerlager die-
nen. Die seitlichen Säulen und der Mittelpfeiler sind in warmem Grau
gehalten, die in den Pfeiler eingestellten Säulchen sind aus rotgeflamm-
tem Marmor gearbeitet. Die Farbgebung des Reliefs des Pfeilerfrieses, des
Kassettendekors des Segmentbogens sowie der stilisierten Blatt- und
Fruchtdekoration im Übergang vom Postament zum Baluster bei den
seitlichen Säulen soll wohl eine Vergoldung angeben, während der Grund
des Kassettenbogens dunkelblau gehalten ist.
Die Farbgestaltung des Doppelbildnisses insgesamt ist raffiniert-
schlicht: Schwarz, Karminrot, Weiß und Gold bestimmen die Farbe der
Kleidung bei Mann und Frau, wobei die hauptsächlichen Farbakzente,
Rot und Schwarz, gegeneinander verschränkt sind; das warme Grau, das
Braun und Gold der Architektur stehen hierzu und zum Hellblau des
Hintergrundes in höchst wirkungsvollem Kontrast. Während das Grau
der Pfeilerfront und das leuchtende Rot des Baretts, die Meyers Gesicht
einfassen, sein rötliches Inkarnat noch hervorheben, steigert das kühle
Blau des Hintergrundes die vornehme Blässe seiner Gattin. Höchst
geschickt wird auch das Bildlicht ausgenutzt, das von rechts oben einzu-
fallen scheint: Durch die volle Ausleuchtung seines Gesichtes betont es
die aktive Präsenz Meyers, die sich auch an seiner Gestik zeigt, während
die teilweise Verschattung des Antlitzes seiner Frau den Eindruck der
eher passiven Orientierung an ihrem Ehemann, die durch den Blick-
kontakt vorgegeben ist, noch verstärkt.
In demselben Jahr, in dem Holbein das Ehepaar Meyer porträtierte,
erreichte Jacob Meyer zum Hasen den Höhepunkt seiner politischen
Karriere:" Bereits seit 1510 Ratsmitglied, wurde er am 14. Juni 1516 zum
ersten Bürgermeister Basels aus den Reihen der Zünfte gewählt. Der 1482
in eine Baseler Goldschmiede- und Kaufmannsfamilie geborene Meyer
hatte sich für den Posten des Bürgermeisters, den er turnusgemäß erneut
1518 und 1520 innehatte (eine direkte Wiederwahl war nicht möglich),
durch seine erfolgreiche Laufbahn als Geldwechsler, Kaufmann, Verleger,
Immobilienspekulant und Heerführer empfohlen. Durch seine erste Ehe
mit Magdalena Baer, die ihrerseits zuvor zweimal verheiratet gewesen
war und die 1511 starb, war Meyer mit führenden Baseler Familien ver-
sippt und verschwägert. Seit 1503 war er bei den »Weinleuten« und den
»Hausgenossen« Zunftmitglied, letztere wählten ihn zwischen 1510 und
1515 zu ihrem Meister. Seit 1504 war Meyer auch Mitglied der »Schlüs-
selzunft«. Im Jahre 1507 führte er erstmals als Fähnrich ein Baseler Trup-
penkontingent im Dienste des französischen Königs bei der Eroberung
Genuas, und bereits 1508 war er vermögend genug, um das Weiher-
schlößchen Groß-Gundeldingen vor den Toren Basels erwerben zu kön-
nen. 1510 war er Hauptmann der Baseler Truppe, die Kardinal Matthäus
Schiner für Papst Julius II. angeworben hatte, die indes von französischen
Truppen an der Alpenüberquerung gehindert wurde; im Frühjahr 1512
vertrat er die Eidgenossen als Gesandter in Venedig, im Sommer dessel-
ben Jahres führte er die Baseler Truppen an, die Mailand den Franzosen
wieder abnahmen, und im Dezember gehörte er zur eidgenössischen
Gesandtschaft, die den Sohn Lodovico Moros, Massimiliano Sforza, zum
neuen Herzog von Mailand einsetzte. Im Herbst 1513 nahm Meyer an
einem Zug Baseler Truppen nach Dijon teil; im September 1520 nahm
eine Baseler Truppe unter Führung Meyers das Schloß Pfäffingen dem
Bischof im Handstreich ab.
Doch im Oktober 1521 wurde Meyer der Bestechlichkeit angeklagt, als
Bürgermeister abgesetzt und zeitweise sogar inhaftiert. Nur teilweise
Sicherer Boden. Die frühen Bildnisaufträge in Basel und Luzern 107