rehabilitiert, konnte Meyer seinen ehemaligen politischen Einfluß nie
mehr zurückgewinnen. In den innerstädtischen Konflikten der herauf-
ziehenden Reformation war Meyer allerdings einer der Anführer der alt-
gläubigen Partei, und auch nach der endgültigen Durchsetzung der
Reformation blieb er bis zu seinem Tod im fahre 1531 dem katholischen
Glauben treu. Nach dem Tod seiner ersten Frau Magdalena Baer war
Meyer spätestens im Jahre 15 f 3 eine zweite Ehe mit Dorothea Kannen-
gießer eingegangen. Sie stammte aus Thann im Elsaß, wo sie vermutlich
in den 1490er fahren als Tochter des dortigen Steuereinnehmers Jacob
Kannengießer geboren worden war. Meyers erste Ehe war kinderlos
geblieben, doch Dorothea brachte wohl Anfang 1513 mit der Tochter
Anna ein Kind zur Welt, das das Erwachsenenalter erreichte. Dorothea
überlebte ihren Mann, heiratete bereits 1532 zum zweiten Mal und starb
spätestens im Jahre 1549.12
Holbein hat mit dem Meyer-Kannengießer-Bildnis ein überaus originel-
les Werk geschaffen,13 das - wie es für den Künstler auch in seinem spä-
teren Schaffen so kennzeichnend bleiben sollte - auf höchst geschickte
Weise Anregungen unterschiedlicher Herkunft nutzt. Diese werden indes
vollkommen selbständig und häufig auch ganz neu interpretiert. Im Falle
des Bürgermeister-Doppelporträts fällt zunächst der gewählte Bildtyp,
das Diptychon, ins Auge.14 Er ist letztlich der religiösen Malerei des
15. Jahrhunderts verpflichtet, doch wie weit hat sich Holbein von dieser
traditionellen Bildformel entfernt!15 Die beiden Figuren sind in ein raffi-
niertes Spannungsverhältnis zueinander gesetzt, dessen Wirkung nur
durch den Verlust der Originalrahmen etwas beeinträchtigt ist.16
Zunächst sind die beiden Einzeltafeln durch die durchlaufenden Archi-
tekturmotive verklammert, die die Figuren zugleich kulissenartig hinter-
64 Hans Burgkmair d.Ä., Bildnis des Johannes Paumgartner, Farbholzschnitt
fangen.17 Sie dürften durch Hans Dauchers Sandsteinreliefs (bzw. deren
in Gips ausgeführte Abgüsse) inspiriert sein,18 die nur wenige Jahre spä-
ter auch dem älteren Hans Holbein für dessen »Lebensbrunnen« in Lis-
sabon als Vorbild dienen sollten (Abb. 34),19 und mit denen der jüngere
Holbein anscheinend auch in Basel Handel trieb.20 Erinnerungen an die
Architektur der Fugger-Kapelle an St. Anna in Augsburg mögen gleich-
falls eine Rolle gespielt haben.21 Der schwere Pfeiler, der die Bogen- und
Gewölbekonstruktion mittig stützt, ist in extremer Schrägsicht wiederge-
geben und schafft dadurch eine räumliche Bühne, die die beiden Figuren
geschickt besetzen: Während Meyer auf dem linken Flügel wie von der
Pfeilerstirn bis an den vorderen Bildrand geschoben erscheint, ist seine
Frau in den Bildraum und unter den kassettierten Segmentbogen
zurückversetzt dargestellt. Allein die beiden seitlich vom Bildausschnitt
angeschnittenen Säulen, deren architektonischer Zusammenhang mit
dem Mittelpfeiler und den beiden Tonnengewölben aber unklar bleibt,
wirken der räumlichen Dynamik von Hintergrundsarchitektur und
Figurenanordnung entgegen.
Als Ausgangspunkt zumindest für den rechten Flügel des Baseler Bür-
germeister-Diptychons ist immer wieder das Bildnis des Johannes Paum-
gartner genannt worden,22 das Hans Burgkmair d.Ä. im Jahre 1512 als
Farbholzschnitt ausgeführt hat (Abb. 64) P Die das Bildfeld beherr-
schende Gestalt Baumgartners erinnert - spiegelbildlich - tatsächlich an
Meyer, ansonsten liefert die Anordnung der Figur unter dem exzentrisch
von rechts gesehenen Bogen vor allem die Entsprechung für die Darstel-
lung der Kannengießerin. Die markante Verkürzung des auf das Gesicht
des Dargestellten zulaufenden Frieses und Gesimses ist nun zusammen
mit der angeschnittenen Tonne so spezifisch, daß an Holbeins unmittel-
barer Kenntnis des Holzschnitts kein Zweifel bestehen kann. Andererseits
macht der Vergleich des Paumgartner- mit dem Meyer-Kannengießer-
Bildnis deutlich, wie erfindungsreich der Maler mit seinem Ausgangsma-
terial umgegangen ist, indem er das Bogenmotiv quasi verdoppelte und
daraus zugleich jene räumliche »Drehbühne« entwickelte, die seine bei-
den Auftraggeber so beziehungsreich zueinander ins Bild setzt.24
Doch Holbeins Erfindungsfreude in der Auseinandersetzung mit
Burgkmair wird noch deutlicher, wenn man die Unterzeichnung der
Architektur untersucht (Abb. 65-66).25 Anders als bei den Figuren26 sind
die unterzeichneten Vorgaben für die Architekturelemente mit Pinsel
und flüssigem Zeichenmedium locker skizzierend angelegt und dabei
auch häufig variierend umgestaltet. Der schräg ins Bild gesetzte, die bei-
den Diptychonflügel verklammernde Pfeiler war von Anfang an vorgese-
hen, seine bildparallele Front allerdings an der rechten Kante schmaler
unterzeichnet. Sowohl das umlaufende Gesims als auch der Ansatz der
Segmentbögen und Gewölbe lagen tiefer als in der gemalten Endfassung.
Dabei war nicht nur der Dorothea Kannengießer überfangende Seg-
mentbogen, sondern auch das an der Pfeilerstirn ansetzende Gewölbe
(das heute in schlichter grauer Steinfarbe erscheint) in der Unterzeich-
nung mit einer schematischen Angabe für die Kassettierung versehen.
Demgegenüber fehlte noch die Friesdekoration.
Die heute unterschiedlich gestalteten Bogen- bzw. Gewölbeabschnitte
über Meyer bzw. der Kannengießerin waren in der Unterzeichnung also
gleichartig mit Kassetten dekoriert; die heute analog gestalteten Archi-
tekturelemente, die sich jeweils im Rücken der Figuren erheben und die
Diptychonflügel nach außen hin abschließen, hingegen waren unter-
schiedlich konzipiert: Hinter Meyer sieht auch die Unterzeichnung von
Beginn an eine Balustersäule vor. Sie erhebt sich allerdings, von der Farb-
fassung abweichend, über einem eckigen Podest mit auskragendem
108 Holbeins Gemälde. Der Künstler als Tafelmaler in Basel, 1515-32
mehr zurückgewinnen. In den innerstädtischen Konflikten der herauf-
ziehenden Reformation war Meyer allerdings einer der Anführer der alt-
gläubigen Partei, und auch nach der endgültigen Durchsetzung der
Reformation blieb er bis zu seinem Tod im fahre 1531 dem katholischen
Glauben treu. Nach dem Tod seiner ersten Frau Magdalena Baer war
Meyer spätestens im Jahre 15 f 3 eine zweite Ehe mit Dorothea Kannen-
gießer eingegangen. Sie stammte aus Thann im Elsaß, wo sie vermutlich
in den 1490er fahren als Tochter des dortigen Steuereinnehmers Jacob
Kannengießer geboren worden war. Meyers erste Ehe war kinderlos
geblieben, doch Dorothea brachte wohl Anfang 1513 mit der Tochter
Anna ein Kind zur Welt, das das Erwachsenenalter erreichte. Dorothea
überlebte ihren Mann, heiratete bereits 1532 zum zweiten Mal und starb
spätestens im Jahre 1549.12
Holbein hat mit dem Meyer-Kannengießer-Bildnis ein überaus originel-
les Werk geschaffen,13 das - wie es für den Künstler auch in seinem spä-
teren Schaffen so kennzeichnend bleiben sollte - auf höchst geschickte
Weise Anregungen unterschiedlicher Herkunft nutzt. Diese werden indes
vollkommen selbständig und häufig auch ganz neu interpretiert. Im Falle
des Bürgermeister-Doppelporträts fällt zunächst der gewählte Bildtyp,
das Diptychon, ins Auge.14 Er ist letztlich der religiösen Malerei des
15. Jahrhunderts verpflichtet, doch wie weit hat sich Holbein von dieser
traditionellen Bildformel entfernt!15 Die beiden Figuren sind in ein raffi-
niertes Spannungsverhältnis zueinander gesetzt, dessen Wirkung nur
durch den Verlust der Originalrahmen etwas beeinträchtigt ist.16
Zunächst sind die beiden Einzeltafeln durch die durchlaufenden Archi-
tekturmotive verklammert, die die Figuren zugleich kulissenartig hinter-
64 Hans Burgkmair d.Ä., Bildnis des Johannes Paumgartner, Farbholzschnitt
fangen.17 Sie dürften durch Hans Dauchers Sandsteinreliefs (bzw. deren
in Gips ausgeführte Abgüsse) inspiriert sein,18 die nur wenige Jahre spä-
ter auch dem älteren Hans Holbein für dessen »Lebensbrunnen« in Lis-
sabon als Vorbild dienen sollten (Abb. 34),19 und mit denen der jüngere
Holbein anscheinend auch in Basel Handel trieb.20 Erinnerungen an die
Architektur der Fugger-Kapelle an St. Anna in Augsburg mögen gleich-
falls eine Rolle gespielt haben.21 Der schwere Pfeiler, der die Bogen- und
Gewölbekonstruktion mittig stützt, ist in extremer Schrägsicht wiederge-
geben und schafft dadurch eine räumliche Bühne, die die beiden Figuren
geschickt besetzen: Während Meyer auf dem linken Flügel wie von der
Pfeilerstirn bis an den vorderen Bildrand geschoben erscheint, ist seine
Frau in den Bildraum und unter den kassettierten Segmentbogen
zurückversetzt dargestellt. Allein die beiden seitlich vom Bildausschnitt
angeschnittenen Säulen, deren architektonischer Zusammenhang mit
dem Mittelpfeiler und den beiden Tonnengewölben aber unklar bleibt,
wirken der räumlichen Dynamik von Hintergrundsarchitektur und
Figurenanordnung entgegen.
Als Ausgangspunkt zumindest für den rechten Flügel des Baseler Bür-
germeister-Diptychons ist immer wieder das Bildnis des Johannes Paum-
gartner genannt worden,22 das Hans Burgkmair d.Ä. im Jahre 1512 als
Farbholzschnitt ausgeführt hat (Abb. 64) P Die das Bildfeld beherr-
schende Gestalt Baumgartners erinnert - spiegelbildlich - tatsächlich an
Meyer, ansonsten liefert die Anordnung der Figur unter dem exzentrisch
von rechts gesehenen Bogen vor allem die Entsprechung für die Darstel-
lung der Kannengießerin. Die markante Verkürzung des auf das Gesicht
des Dargestellten zulaufenden Frieses und Gesimses ist nun zusammen
mit der angeschnittenen Tonne so spezifisch, daß an Holbeins unmittel-
barer Kenntnis des Holzschnitts kein Zweifel bestehen kann. Andererseits
macht der Vergleich des Paumgartner- mit dem Meyer-Kannengießer-
Bildnis deutlich, wie erfindungsreich der Maler mit seinem Ausgangsma-
terial umgegangen ist, indem er das Bogenmotiv quasi verdoppelte und
daraus zugleich jene räumliche »Drehbühne« entwickelte, die seine bei-
den Auftraggeber so beziehungsreich zueinander ins Bild setzt.24
Doch Holbeins Erfindungsfreude in der Auseinandersetzung mit
Burgkmair wird noch deutlicher, wenn man die Unterzeichnung der
Architektur untersucht (Abb. 65-66).25 Anders als bei den Figuren26 sind
die unterzeichneten Vorgaben für die Architekturelemente mit Pinsel
und flüssigem Zeichenmedium locker skizzierend angelegt und dabei
auch häufig variierend umgestaltet. Der schräg ins Bild gesetzte, die bei-
den Diptychonflügel verklammernde Pfeiler war von Anfang an vorgese-
hen, seine bildparallele Front allerdings an der rechten Kante schmaler
unterzeichnet. Sowohl das umlaufende Gesims als auch der Ansatz der
Segmentbögen und Gewölbe lagen tiefer als in der gemalten Endfassung.
Dabei war nicht nur der Dorothea Kannengießer überfangende Seg-
mentbogen, sondern auch das an der Pfeilerstirn ansetzende Gewölbe
(das heute in schlichter grauer Steinfarbe erscheint) in der Unterzeich-
nung mit einer schematischen Angabe für die Kassettierung versehen.
Demgegenüber fehlte noch die Friesdekoration.
Die heute unterschiedlich gestalteten Bogen- bzw. Gewölbeabschnitte
über Meyer bzw. der Kannengießerin waren in der Unterzeichnung also
gleichartig mit Kassetten dekoriert; die heute analog gestalteten Archi-
tekturelemente, die sich jeweils im Rücken der Figuren erheben und die
Diptychonflügel nach außen hin abschließen, hingegen waren unter-
schiedlich konzipiert: Hinter Meyer sieht auch die Unterzeichnung von
Beginn an eine Balustersäule vor. Sie erhebt sich allerdings, von der Farb-
fassung abweichend, über einem eckigen Podest mit auskragendem
108 Holbeins Gemälde. Der Künstler als Tafelmaler in Basel, 1515-32