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Sander, Jochen; Holbein, Hans
Hans Holbein d. J.: Tafelmaler in Basel ; 1515 - 1532 — München, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.19342#0199

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139 Hans Holbein d.J. und Freiburger (?) Maler der Mitte des 16. Jahrhunderts, Altarbild der Universitätskapelle, Freiburg, Münster

zugewandt und seine Rechte in spielerischem Segensgestus erhoben. Vier
nackte Engelsputten, denen farbige Flügel aus den Oberarmen wachsen,
knien zu Seiten des Kindes. Zwei der Engel weisen mit ihren Gesten den
Betrachter, mit dem sie zugleich Blickkontakt aufnehmen, auf Christus
hin. Von links kommt der jugendliche Joseph heran, um gleichfalls vor
dem Neugeborenen niederzuknien. Staunend hat er den Oberkörper
weit vorgebeugt, die Arme vor dem Körper ausgebreitet. Vor ihm liegen
auf dem Boden Wanderstab und Wasserflasche, vielleicht ein Hinweis auf
seine just erfolgte Rückkehr von der Suche nach einer Hebamme.32 Er
trägt einen grünen Kittel, graue Beinlinge, braune Stiefel und einen roten
Mantel; an seinem Gürtel baumelt neben einer großen Tasche ein Mes-
ser. Von links kommt ein vollbärtiger Hirte heran, ziemlich abenteuerlich
mit braunen und grauen, zerrissenen und zerschlissenen Kleidungs-
stücken angetan, auf dem Kopf ein breitkrempiger Hut mit angesteckter
Feder, in der Rechten ein Dudelsack. Vor ihm ragt eine Königskerze auf.
Im Halbschatten hinter Maria und Joseph erscheinen mit Ochs und Esel
die für die Ikonographie der Geburtsdarstellung unentbehrlichen Tiere,
prasselt ein Feuer, dessen Helligkeit mit dem göttlichen Licht allerdings
nicht konkurrieren kann und das dadurch das Wunderbare des Gesche-
hens noch einmal unterstreicht. Mit dem Gegensatz von göttlichem und
irdischem Licht operiert schließlich auch die in der Ferne auszuma-

chende Verkündigung an die Hirten, bei der ein lichtumstrahlter Engel
des Herrn vor den Hirten auf der nächtlichen Weide erscheint.

Ähnlich wie schon beim Baseler Diptychon mit Christus im Elend und
Schmerzensmutter {Tafel 25—26) gebricht die Gestaltung der Bauten, in
denen die Handlung stattfindet, einer stringenten Logik: Der Bildebene
am nächsten, ruht der vom rechten Bildrand überschnittene, mehrfach
gegliederte Pfeiler auf einem Sockel auf, an dessen Vorderkante das Ober-
ried-Wappen angelehnt ist. Etwas weiter in die Bildtiefe versetzt erhebt
sich eine bildparallele Bogenstellung, die mit dem Pfeiler rechts in keinen
sinnvollen architektonischen Zusammenhang gebracht werden kann.
Auf dem komposit gestalteten Kapitell der Säule steht vor der leicht
zurückspringenden Wandfläche die Steinskulptur einer mutmaßlich
antiken Göttin, deren nähere Deutung dadurch erschwert wird, daß
Oberkörper und Kopf in tiefem Schatten liegen.33 Parallel zu der Arka-
denstellung erhebt sich im Bildmittelgrund eine komplexe Gebäude-
struktur, die auf den ersten Blick an das gegen Südwesten gesehene
Innere einer Querhausbasilika erinnert. Bei näherer Betrachtung wird
man allerdings gewahr, daß das »Seitenschiff« zwar ein oberes Geschoß
besitzt, daß dieses aber zumindest in dem zum Betrachter gewandten
ersten Joch des »Hauptschiffs« nicht mit diesem durch Fenster oder
Arkaden kommuniziert, denn über diesem Joch erhebt sich ein mächti-

Die Reise nach Frankreich 1523/24. Der Kontakt mit dem »1520s Hours Workshop« und mit Werken des Andrea Solario 195
 
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