286
VI. Katalog
und mittelalterlichen Viten höchstwahrscheinlich be-
reits bei Beginn der Arbeiten (1512) an der Ehrenpforte
weitgehend abgeschlossen war und Cuspinians Freund
Stabius damit zur Verfügung stand428. Alle Herrscher
der Ehrenpforte - mit Ausnahme Odoakers und Die-
trichs von Bern [vgl. D, E] - werden hier in identischer
Reihenfolge nach antiken, mittelalterlichen und zeit-
genössischen Quellen429 beschrieben.
1. lulius Anfang Kaise’lichen MaiestatHz -
C. Julius Cesarm
Eigens begründet wird der Beginn der Reihe bei Caesar,
da andere mit Augustus begännen: Zwar habe dieser das
Kaisertum gefestigt und sei unter ihm Christus geboren,
doch habe jener dem Kaisertum seinen Namen gegeben.
Caesar sei ein Mann gewesen, der
[...] an redlichem beiden gmuet fürtreflieh gwesen
sey / des tugent / hestendigkeyt / hoheyt heinach
aller ding die vnterm himel begriffen sint / vähig
gewesen ist. Als das er aus angeporner geschicklig-
keyt vnd behendigkeyt / zugleich wie eyn fewer
facklet vnd behend lauffet / er Keyser Julius im
Brauch gehapt hat / miteinander auff eyn zeyt zu-
schreiben / zulesen / zuhören vnd andern zu-
schreiben angeben. Dann er zumal in gewohnheyt
hat / vier sendtbrieff von wichtigen Sachen / sei-
nen Schreibern deren etwan bey siben waren /
gleichsam er nichts sunst zu thon hette / zu dictirn
vnd anzugeben. So ist diß der Julius / der mit auff-
gereckten fliegenden fenlin vnd panyr fünfzig
schlachten gethon hat / in dem M. Marcello für-
treffend / der einer minder dann viertzig schlach-
ten verricht / vnnd hat Julius elffmal hunderttau-
sent vnnd zwey vnd neüntzig tausent menschen in
seinen kriegen (außgenummen vnd ongerechnet
was er für bürgerliche sieg gehapt) erschlagen.
Dieweil er dann auch durch miltigkeytm alle die
jhenigen so zu seiner Zeyt gelept haben / so vast
übertroffen hat I das er im offt zu viel that / auch
mit großmütigkeit / freigebigkeyt / mit herlichen
prachtlichem / hohem vnd onüberwintlichem
gmüt meniglich übertroffen hat / habe ich billich
geachtet den anfang meiner Historien vonjm dem
Keyser Julio zunemen (S. i).
Es folgt Beschreibung seiner äußeren Vorzüge und Lob
der Keuschheit seiner Mutter (S. ii). Ferner wird her-
vorgehoben, daß Caesar der erste Herrscher mit einem
königlichen Hofstaat gewesen sei.
Für den Namen Caesar vier Herleitungsmöglichkei-
ten: Geburt durch Aufschneiden des Mutterleibs; Sage,
daß er in einer Schlacht einen Elephanten (in der Mau-
rensprache »Caesar«) erschlagen habe; daß er Katzen-
grawe Augen gehabt habe; daß er behaart geboren wor-
den sei.
Im Alter von 16 Jahren Verlust seines Vaters während
des Bürgerkrieges zwischen Marius und Sulla. Nach
Niederlage seines Onkels Marius muß er Rom verlas-
sen. Fällt bei Rückkehr in die Hände von Seeräubern,
wird für ein Lösegeld von 50 Talenten freigelassen. Er-
ster Kriegsruhm bei der Erstürmung von Mytilene,
dafür ist er mit dem krantz von Eychaesten gekroenet
wordenm.
war mit Nikolaus Gerbel, einem Schüler und engen Mitar-
beiter Cuspinians befreundet, was für die Authentizität der
Übersetzung spricht.
428 Dies beweist nicht zuletzt die Auflistung bedeutender kai-
serlicher Vorgänger in cvp. 2835 der ONB (fol. 33t-3jr), in
dem Treitzsaurwein 1512 die von Maximilian verfaßten und
geplanten Werke verzeichnet: Sie stimmt in Anzahl, Rei-
henfolge und Wahl der Beinamen mit den Herrschern der
Ehrenpforte vollkommen überein und bildet so ein wichti-
ges Bindeglied zwischen den Manuskripten des Cuspinian
und ihrer praktischen Verwendung für die gedechtnus. Ein
gleichfalls 1512 (16. April) datierter Brief des Cuspinian an
den kaiserlichen Sekretär Jakob de Banissis, in dem er bei
Maximilian um die Überlassung der durch Tod verfallenen
Pension Ladislaus Sunthayms bitten läßt, erwähnt die Ar-
beit an den Caesares als kurz vor dem Abschluß stehend
(vgl. Ankwicz-Kleehoven 1959, S. 103).
Zum höchst belangreichen sonstigen Inhalt des Codex vgl.
den Beitrag von E. Irblich in: Hispania-Austria 1992, Kat.-
Nr. 121. Dort auch weitere Literatur.
429 Vgl. zu den von Cuspinian verwendeten Quellen die Anga-
ben bei Ankwicz-Kleehoven, S. 309-322 (nur Mittelalter).
430 Entgegen der üblichen Lesrichtung entfaltet sich die chro-
nologisch korrekte Reihenfolge hier von rechts nach links,
so daß im folgenden auch die Numerierung gegenläufig
vorgenommen wurde.
431 Da Maximilian Caesar in besonderer Weise als sein Vorbild
betrachtete, wird seine Person hier vergleichsweise aus-
führlicher behandelt. Dies gilt aber auch für andere große
Herrscher wie Augustus, Friedrich II. oder Friedrich III.
432 Dies auch eine immer wieder an Maximilian gerühmte Tu-
gend (vgl. z.B. Clavis III, 7; V, 2).
433 Hierzu findet sich am Rand folgende Erläuterung:
Corona ciuica Eynn krantz von eychästen den eyn burger
den andern gab der jhn beim leben behüte.
VI. Katalog
und mittelalterlichen Viten höchstwahrscheinlich be-
reits bei Beginn der Arbeiten (1512) an der Ehrenpforte
weitgehend abgeschlossen war und Cuspinians Freund
Stabius damit zur Verfügung stand428. Alle Herrscher
der Ehrenpforte - mit Ausnahme Odoakers und Die-
trichs von Bern [vgl. D, E] - werden hier in identischer
Reihenfolge nach antiken, mittelalterlichen und zeit-
genössischen Quellen429 beschrieben.
1. lulius Anfang Kaise’lichen MaiestatHz -
C. Julius Cesarm
Eigens begründet wird der Beginn der Reihe bei Caesar,
da andere mit Augustus begännen: Zwar habe dieser das
Kaisertum gefestigt und sei unter ihm Christus geboren,
doch habe jener dem Kaisertum seinen Namen gegeben.
Caesar sei ein Mann gewesen, der
[...] an redlichem beiden gmuet fürtreflieh gwesen
sey / des tugent / hestendigkeyt / hoheyt heinach
aller ding die vnterm himel begriffen sint / vähig
gewesen ist. Als das er aus angeporner geschicklig-
keyt vnd behendigkeyt / zugleich wie eyn fewer
facklet vnd behend lauffet / er Keyser Julius im
Brauch gehapt hat / miteinander auff eyn zeyt zu-
schreiben / zulesen / zuhören vnd andern zu-
schreiben angeben. Dann er zumal in gewohnheyt
hat / vier sendtbrieff von wichtigen Sachen / sei-
nen Schreibern deren etwan bey siben waren /
gleichsam er nichts sunst zu thon hette / zu dictirn
vnd anzugeben. So ist diß der Julius / der mit auff-
gereckten fliegenden fenlin vnd panyr fünfzig
schlachten gethon hat / in dem M. Marcello für-
treffend / der einer minder dann viertzig schlach-
ten verricht / vnnd hat Julius elffmal hunderttau-
sent vnnd zwey vnd neüntzig tausent menschen in
seinen kriegen (außgenummen vnd ongerechnet
was er für bürgerliche sieg gehapt) erschlagen.
Dieweil er dann auch durch miltigkeytm alle die
jhenigen so zu seiner Zeyt gelept haben / so vast
übertroffen hat I das er im offt zu viel that / auch
mit großmütigkeit / freigebigkeyt / mit herlichen
prachtlichem / hohem vnd onüberwintlichem
gmüt meniglich übertroffen hat / habe ich billich
geachtet den anfang meiner Historien vonjm dem
Keyser Julio zunemen (S. i).
Es folgt Beschreibung seiner äußeren Vorzüge und Lob
der Keuschheit seiner Mutter (S. ii). Ferner wird her-
vorgehoben, daß Caesar der erste Herrscher mit einem
königlichen Hofstaat gewesen sei.
Für den Namen Caesar vier Herleitungsmöglichkei-
ten: Geburt durch Aufschneiden des Mutterleibs; Sage,
daß er in einer Schlacht einen Elephanten (in der Mau-
rensprache »Caesar«) erschlagen habe; daß er Katzen-
grawe Augen gehabt habe; daß er behaart geboren wor-
den sei.
Im Alter von 16 Jahren Verlust seines Vaters während
des Bürgerkrieges zwischen Marius und Sulla. Nach
Niederlage seines Onkels Marius muß er Rom verlas-
sen. Fällt bei Rückkehr in die Hände von Seeräubern,
wird für ein Lösegeld von 50 Talenten freigelassen. Er-
ster Kriegsruhm bei der Erstürmung von Mytilene,
dafür ist er mit dem krantz von Eychaesten gekroenet
wordenm.
war mit Nikolaus Gerbel, einem Schüler und engen Mitar-
beiter Cuspinians befreundet, was für die Authentizität der
Übersetzung spricht.
428 Dies beweist nicht zuletzt die Auflistung bedeutender kai-
serlicher Vorgänger in cvp. 2835 der ONB (fol. 33t-3jr), in
dem Treitzsaurwein 1512 die von Maximilian verfaßten und
geplanten Werke verzeichnet: Sie stimmt in Anzahl, Rei-
henfolge und Wahl der Beinamen mit den Herrschern der
Ehrenpforte vollkommen überein und bildet so ein wichti-
ges Bindeglied zwischen den Manuskripten des Cuspinian
und ihrer praktischen Verwendung für die gedechtnus. Ein
gleichfalls 1512 (16. April) datierter Brief des Cuspinian an
den kaiserlichen Sekretär Jakob de Banissis, in dem er bei
Maximilian um die Überlassung der durch Tod verfallenen
Pension Ladislaus Sunthayms bitten läßt, erwähnt die Ar-
beit an den Caesares als kurz vor dem Abschluß stehend
(vgl. Ankwicz-Kleehoven 1959, S. 103).
Zum höchst belangreichen sonstigen Inhalt des Codex vgl.
den Beitrag von E. Irblich in: Hispania-Austria 1992, Kat.-
Nr. 121. Dort auch weitere Literatur.
429 Vgl. zu den von Cuspinian verwendeten Quellen die Anga-
ben bei Ankwicz-Kleehoven, S. 309-322 (nur Mittelalter).
430 Entgegen der üblichen Lesrichtung entfaltet sich die chro-
nologisch korrekte Reihenfolge hier von rechts nach links,
so daß im folgenden auch die Numerierung gegenläufig
vorgenommen wurde.
431 Da Maximilian Caesar in besonderer Weise als sein Vorbild
betrachtete, wird seine Person hier vergleichsweise aus-
führlicher behandelt. Dies gilt aber auch für andere große
Herrscher wie Augustus, Friedrich II. oder Friedrich III.
432 Dies auch eine immer wieder an Maximilian gerühmte Tu-
gend (vgl. z.B. Clavis III, 7; V, 2).
433 Hierzu findet sich am Rand folgende Erläuterung:
Corona ciuica Eynn krantz von eychästen den eyn burger
den andern gab der jhn beim leben behüte.