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V. Der Riesenholzschnitt und sein Inhalt
[...] all künfftig fürsten von Österreich, auch all
annder grosmechtig herren, so die porten der eren
durchwandlen wellen nit allein mit fürstlicher
kla'idung vnd harnasch auswendig sonder auch in-
wendig mit allen fürstliche Tugenden getziert sein
sollen [...].
pv, 3-5]
Die Ausdrücklichkeit, mit welcher der Text des
Stabius die Machtfülle, die Eigenschaften und Ta-
ten Maximilians als vorbildhaft für künftige Herr-
scher bezeichnet, darf als Hinweis auf einen Teil-
aspekt der Ehrenpforte gewertet werden, der ihr
Programm auch als Fürstenspiegel ausweist. Die
Summe der Tugenden Maximilians als des ersten
Herrschers der Christenheit, die sich in dem Be-
griff seiner >Ehre< verdichten, konnten jedem
Prinzen und Thronfolger als nachahmenswertes
Beispiel gewiesen werden. Dabei gewährleistete
die Organisation des Stoffes als Bilderwand von
faszinierender Mannigfaltigkeit im Verein mit de-
ren Erläuterung mittels leicht fasslicher Reime
auch eine mühelose Apperzeption durch einen
jüngeren Betrachter.
Alldessen ungeachtet existiert eine wie auch im-
mer geartete Reihe von Vorläufern der Ehren-
pforte - sei es in gebauter, ephemerer oder ge-
druckter Form - ebensowenig wie eine greifbare
Nachfolge. Aus den vielschichtigen Anforderun-
gen Maximilians an das papierne Monument und
dem daraus resultierenden formalen wie stilisti-
schen Eklektizismus war über einen Zeitraum von
etwa einem Jahrzehnt ein Kunstwerk sui generis
entstanden.
Wohl wurden auch später Riesenholzschnitte
mit Herrscherstammbäumen geschaffen, wie ihn
für Karl V. etwa die Österreichische National-
bibliothek seit kurzem besitzt12, oder wie sich ei-
12 Vgl. Irblich, Thesaurus 1996, Nr. 33.
13 Vgl. Welt im Umbruch, Kat.Ausst. Augsburg 1980, 3 Bde.,
Augsburg 1980, Bd. 1, Nr. 23.
14 Vgl. dazu in Teil IV: >Maximilians genealogische Unterneh-
mungen«.
15 Vgl. Gold, Renate, Ehrenpforten - Baldachine - Feuer-
werke. Nürnberger Herrscherempfänge des 16. Jahrhun-
ner für das Haus Habsburg in den Städtischen
Kunstsammlungen Augsburg befindet13; doch
scheint sich hier eher die ältere Tradition der auf
Pergament gemalten maximilianischen Stamm-
bäume fortzusetzen14, ohne daß es zwingend einer
Vermittlung durch den Stammbaum der Ehren-
pforte bedurft hätte.
Auch die Weisung Ferdinands zur Verteilung
von 1528 fällt bereits in eine Zeit, als unter Kaiser
Karl V. ein deutlich regelhafterer Rückgriff auf das
Formengut der Antike verbreitet war - ein An-
spruch, dem die stilistisch indifferente Ehren-
pforte kaum mehr genügt haben dürfte. Auch in
Nürnberg selbst fand sie bei den Einzügen für
Karl V. keinerlei erkennbaren Widerhall mehr15.
Selbst der Begriff »Ehrenpforte« hatte sich im
Reich erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts ein-
gebürgert16.
Bezüglich der »... Legende von Kaiser Maximi-
lian als dem >Kunstfreund<, die dem 19. Jahrhun-
dert so sehr lag« sind auch die oben angestellten
Betrachtungen nicht dazu angetan, sie erneut zu
beleben. Es war der Historiker Alphons Lhotsky,
der Maximilians Verhältnis zur Kunst und die Art
seiner Einflußnahme treffend in Worte zu fassen
vermochte. Im Zusammenhang mit dem unvoll-
endeten Reiterdenkmal für St. Ulrich und Afra in
Augsburg bemerkt er: Es würden dort »... am
klarsten die Grenzen offenbar, die einem Stile ge-
setzt sind, der von einem einzigen Manne in
durchaus persönlicher Art und zur Versinnli-
chung im Grunde recht unkünstlerischer Ideen
ausgegangen ist - an sich ein seltenes Phänomen,
dessen Wirkung auf die Künste noch nicht ganz
überblickt wird. Sicher ist nur, daß diese aus Ma-
ximilians I. Aufträgen technisch sehr viel gelernt
haben, um dann am Ende doch ihre eigenen Wege
zu gehen«17.
derts bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts, Nürnberg 1990,
passim.
16 Vgl. von Erffa 1958, Sp. 1445.
17 Lhotsky, Alphons, Die Geschichte der Sammlungen: Kai-
ser Maximilian I., in: Festschrift des Kunsthistorischen Mu-
seums zur Feier des 50-jährigen Bestandes, Teil 2,1. Hälfte,
Wien 1941-1945, S. 96.
V. Der Riesenholzschnitt und sein Inhalt
[...] all künfftig fürsten von Österreich, auch all
annder grosmechtig herren, so die porten der eren
durchwandlen wellen nit allein mit fürstlicher
kla'idung vnd harnasch auswendig sonder auch in-
wendig mit allen fürstliche Tugenden getziert sein
sollen [...].
pv, 3-5]
Die Ausdrücklichkeit, mit welcher der Text des
Stabius die Machtfülle, die Eigenschaften und Ta-
ten Maximilians als vorbildhaft für künftige Herr-
scher bezeichnet, darf als Hinweis auf einen Teil-
aspekt der Ehrenpforte gewertet werden, der ihr
Programm auch als Fürstenspiegel ausweist. Die
Summe der Tugenden Maximilians als des ersten
Herrschers der Christenheit, die sich in dem Be-
griff seiner >Ehre< verdichten, konnten jedem
Prinzen und Thronfolger als nachahmenswertes
Beispiel gewiesen werden. Dabei gewährleistete
die Organisation des Stoffes als Bilderwand von
faszinierender Mannigfaltigkeit im Verein mit de-
ren Erläuterung mittels leicht fasslicher Reime
auch eine mühelose Apperzeption durch einen
jüngeren Betrachter.
Alldessen ungeachtet existiert eine wie auch im-
mer geartete Reihe von Vorläufern der Ehren-
pforte - sei es in gebauter, ephemerer oder ge-
druckter Form - ebensowenig wie eine greifbare
Nachfolge. Aus den vielschichtigen Anforderun-
gen Maximilians an das papierne Monument und
dem daraus resultierenden formalen wie stilisti-
schen Eklektizismus war über einen Zeitraum von
etwa einem Jahrzehnt ein Kunstwerk sui generis
entstanden.
Wohl wurden auch später Riesenholzschnitte
mit Herrscherstammbäumen geschaffen, wie ihn
für Karl V. etwa die Österreichische National-
bibliothek seit kurzem besitzt12, oder wie sich ei-
12 Vgl. Irblich, Thesaurus 1996, Nr. 33.
13 Vgl. Welt im Umbruch, Kat.Ausst. Augsburg 1980, 3 Bde.,
Augsburg 1980, Bd. 1, Nr. 23.
14 Vgl. dazu in Teil IV: >Maximilians genealogische Unterneh-
mungen«.
15 Vgl. Gold, Renate, Ehrenpforten - Baldachine - Feuer-
werke. Nürnberger Herrscherempfänge des 16. Jahrhun-
ner für das Haus Habsburg in den Städtischen
Kunstsammlungen Augsburg befindet13; doch
scheint sich hier eher die ältere Tradition der auf
Pergament gemalten maximilianischen Stamm-
bäume fortzusetzen14, ohne daß es zwingend einer
Vermittlung durch den Stammbaum der Ehren-
pforte bedurft hätte.
Auch die Weisung Ferdinands zur Verteilung
von 1528 fällt bereits in eine Zeit, als unter Kaiser
Karl V. ein deutlich regelhafterer Rückgriff auf das
Formengut der Antike verbreitet war - ein An-
spruch, dem die stilistisch indifferente Ehren-
pforte kaum mehr genügt haben dürfte. Auch in
Nürnberg selbst fand sie bei den Einzügen für
Karl V. keinerlei erkennbaren Widerhall mehr15.
Selbst der Begriff »Ehrenpforte« hatte sich im
Reich erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts ein-
gebürgert16.
Bezüglich der »... Legende von Kaiser Maximi-
lian als dem >Kunstfreund<, die dem 19. Jahrhun-
dert so sehr lag« sind auch die oben angestellten
Betrachtungen nicht dazu angetan, sie erneut zu
beleben. Es war der Historiker Alphons Lhotsky,
der Maximilians Verhältnis zur Kunst und die Art
seiner Einflußnahme treffend in Worte zu fassen
vermochte. Im Zusammenhang mit dem unvoll-
endeten Reiterdenkmal für St. Ulrich und Afra in
Augsburg bemerkt er: Es würden dort »... am
klarsten die Grenzen offenbar, die einem Stile ge-
setzt sind, der von einem einzigen Manne in
durchaus persönlicher Art und zur Versinnli-
chung im Grunde recht unkünstlerischer Ideen
ausgegangen ist - an sich ein seltenes Phänomen,
dessen Wirkung auf die Künste noch nicht ganz
überblickt wird. Sicher ist nur, daß diese aus Ma-
ximilians I. Aufträgen technisch sehr viel gelernt
haben, um dann am Ende doch ihre eigenen Wege
zu gehen«17.
derts bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts, Nürnberg 1990,
passim.
16 Vgl. von Erffa 1958, Sp. 1445.
17 Lhotsky, Alphons, Die Geschichte der Sammlungen: Kai-
ser Maximilian I., in: Festschrift des Kunsthistorischen Mu-
seums zur Feier des 50-jährigen Bestandes, Teil 2,1. Hälfte,
Wien 1941-1945, S. 96.