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Die Stadtgemeinde.

Da Passau von 788 bis 907 und 977 wieder im Besitz des deutschen Königs
und Kaisers war, wäre es auf dem besten Wege gewesen im Laufe der Ent-
wicklung, die auch andere Städte durchgemacht haben, über eine kaiſerliche eine
Reichs ſta dt zu werden. Durch seine Lage an dem wichtigen Verkehrsknoten-
punkt der Donau-Innmünoung hätte es eine Art Vorrecht darauf gehabt, wenn die
Interessen der deutschen Könige statt nach Italien damals nach Osten gedrängt
hätten. So ist es aber im Zwiespalt zwischen der Kaisermacht und dem Stammes-
herzogsrecht einem Dritten ausgeliefert worden, indem es 999 dem Biſchof als
Landes- und Stadtherrn übergeben wurde. Wie in sieben anderen deutschen Biſchof-
ſtädten hätte nun die Bürgerschaft im Kampf die geistliche Herrschaft abschütteln
und Passau zu einer Freist a d t machen können, falls man einen Teil der Hoheits-
rechte, wie in Köln den Blutbann, dem Biſchof überlassen hätte; das war auch
das Ziel der später in der Gemeinde gegen die Stadtherrschaft gerichteten Be-
wegung. Ein Erfolg konnte dieser aber nicht beschieden sein: einmal war die
Stadt selbſt zu klein an Bürgerzahl und Machtmitteln, dann war, als 1193
bezw. 1217 der Biſchof Reichsfürſt geworden, die Landeshoheit der deutschen
Jürsten bereits genügend erstarkt, hauptsächlich aber hatten die beiden angrenzen-
den Herzogtümer Bayern und Öſtreich politisch kein Interesse an einer freien
oder Reichsstadt Passau. Ihr Vorteil lag in der Ausnützung der Stadt, die sie
durch Beeinfluſſung der Biſchofswahlen zu erzielen suchten; außerdem haben
die Habsburger den Gedanken, Stadt und Land ganz einzuſtecken, nie aufge-
geben. So blieb Passau dauernd unter der Landeshoheit des Biſchofs; damit
waren der Stadt entzogen das Recht auf den Stadtboden, auf Markt und
Maut, auf Rechtsprechung und auf Mitberatung der Angelegenheiten des Fürſten-
tums selbſt. Es liegt wohl in dem geistlichen Charakter des Letzteren, daß man
der Bürgerschaft keine, wenn auch beschränkte Selbstverw alt ung der Ge-
meindeangelegenheiten zugestehen wollte, wie sie z. B. die herzoglich bayriſchen
Städte besaßen. Was nach dieser Richtung schließlich 1535 erreicht wurde, ist
der Erfolg eines fast dreihundertſährigen Ringens. Dazu haben aber die vielen
ſtolzen „Freiheitsbriefe“ von Herzogen, Königen und Kaisern, die mit schönen
Reitersiegeln, sogar mit goldenen Bullen nun im Stadtarchiv ruhen, das mindeste
beigetragen, denn sie konnten eine fest begründete Herrſchaftsoronung nicht um-
ſtoßen. (Bild 34). Nur ſchrittweiſe, manchmal erst nach Blutvergießen, wurde
zugestanden, was in hundert anderen Gemeinden schon lange zu Recht bestand:
die Verwaltung der städtiſchen Einnahmen und Ausgaben durch eigene Beamte,

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