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Schwarz, Klaus; Ixmeier, Eugen [Ill.]; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Contr.]
Archäologisch-topographische Studien zur Geschichte frühmittelalterlicher Fernwege und Ackerfluren im Alpenvorland zwischen Isar, Inn und Chiemsee: im Alpenvorland zwischen Isar, Inn und Chiemsee (Band 49, Textband): Textband — Kallmünz/​Opf.: Lassleben, 1989

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.73519#0033

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II. VORGESCHICHTE UND RÖMISCHE FERNVERBINDUNGEN -
EINE DER GRUNDLAGEN FRÜHMITTELALTERLICHER VERKEHRSWEGE

EINLEITUNG
Die römischen Fernstraßen Raetiens gelten als Kern
des nachrömischen, frühmittelalterlichen Verkehrs-
netzes. P. Reinecke hat andererseits darauf hinge-
wiesen, daß ältere vorgeschichtliche Fernwege die
Trassierung der römischen Fernverbindungen in
Raetien beeinflußt haben werden und daß deren
Verlauf nicht nur von strategischen Gesichtspunkten
der Römerzeit bestimmt worden ist96. Detailliert
sind solche frühen Verbindungen im nördlichen Al-
penvorland bisher allerdings nicht auszumachen ge-
wesen, weshalb wir uns vorerst mit dem aus dem
Fundgut erschlossenen Hinweis G. Kossacks zufrie-
dengeben müssen, daß zur Hallstattzeit längs des
Nordrandes der Alpen bedeutende Verbindungen
bestanden haben97.
Außer Zweifel steht der gebirgsüberschreitende
Verkehr nach Süden, wobei dem Raum um Salzburg
auf dem Wege zur nördlichen Adria und zur Drau
und Save eine Schlüsselstellung zukommt98. Über die
Zugänge vom oberen Inntal nach der oberitalieni-
schen Tiefebene über Brenner und Fernpaß/Re-
schen-Scheidegg ist bisher nur wenig bekannt gewe-
sen (Taf. 1). Die Lage des altbayerischen Raumes
zwischen den keltischen Zentren um Hallstatt-Hal-
lein im Osten und im westlichen Altschwaben zwi-
schen dem Hohenasperg und der Heuneburg hat es
sogar möglich erscheinen lassen, daß ein direkter
Güteraustausch dieses damals abgelegenen Land-
striches mit dem Süden nicht allzu groß gewesen ist.
In der Latenezeit scheinen sich die Verhältnisse
hierzulande nicht grundlegend geändert zu haben.
Heute sind wir über diese Dinge besser orientiert,
nachdem einmal Funde der Hallstattzeit und der
jüngeren Latenezeit als Zeugnisse des Verkehrs im
Silltal unterhalb des Brenners99 und im Loisachtal
unterhalb des Fernpasses100 gemacht worden sind
und nachdem Lieselotte Plank zum anderen durch

intensive Betreuung der Baustrecke der Brenner-
autobahn in den Jahren 1959 bis 1970 Siedlungen bis
in den oberen Teil des Silltales festgestellt hat. Sie
sind seit der frühen Bronzezeit an wechselnden Plät-
zen bis zur Latenezeit entstanden und bilden eine
wesentliche Voraussetzung für ein stetiges Über-
schreiten des Brenners. Was künftig noch zu klären
wäre, ist das Ausmaß solchen Verkehrs. — Am
Fernpaß und am Reschen-Scheidegg, dem vergleich-
weise bequemeren Übergang, dürfen entsprechende
Entdeckungen erwartet werden, um so mehr, als
inzwischen sogar das Überschreiten des in der Vor-
zeit für unbegehbar gehaltenen St. Gotthard mittels
des frühlatenezeitlichen Depotfundes von Erstfeld
durch R. Wyss aufgezeigt worden ist101.
Zusammenfassend ergibt sich, daß der Verlauf der
vorrömischen Fernwege im nördlichen Alpenvor-
land vorerst unklar bleibt und daß ihr Verhältnis zu
den frühmittelalterlichen Fern wegen, die uns im fol-
genden beschäftigen sollen, nicht ansprechbar ist.
Für die Ansätze der Wege am nördlichen Gebirgs-
rand gibt es indessen Fixpunkte und zwar dort, wo
landschaftsbedingt auch später die Fernstraßen und
-wege das Gebirge verlassen.
Über die Straßen der Römerzeit wissen wir mehr.
Die vorstehend erwähnten Eckpunkte unserer Un-
tersuchung, der Brückenort Föhring an der römi-
schen Fernstraße Augusta VindelicumlAugsburg —
OwZaWWels, der RS III, und die Straßenstation
Isinisca in Kleinhelfendorf an der Fernstraße Augu-
sta Vindelicum — Ztwanum/Salzburg, der RS I, deu-
ten bereits an, daß tatsächlich ursächliche Bezüge
zwischen ihnen und dem merowinger-karolingerzeit-
lichen Verkehr bestehen dürften (Beil. 1). Die
spätere Verknüpfung der beiden in römischer Zeit
an verschiedenen Fernstraßen gelegenen Orte, d. h.
ihre Bindung an eine ganz neue Trasse, zeigen zum
anderen den Wandel, verursacht von einer funk-

96) P. Reinecke, Das römische Kunststraßennetz in Südbayern. Deutsche Gaue 20,1919,127ff. Neudruck in: Reinecke
(Anm. 62) 88.
97) G. Kossack, Südbayern während der Hallstattzeit (1959) 75.
98) P. Laviosa Zambotti, Funzioni dei passi centrali alpini durante la preistoria. Jahrb. Schweiz. Ges. Urgesch. 40,1949/
50, 193ff.; K. Willvonseder, Zur keltischen Besiedlung des Ostalpenraumes. In: Beiträge zur älteren europäischen
Kulturgeschichte (Festschr. R. Egger) 2 (1953) 91. 109; J. Werner, Bemerkungen zu norischem Trachtzubehör und
zu Fernhandelsbeziehungen der Spätlatenezeit im Salzburger Land. Mitt. Ges. Salzburger Landeskde. 101, 1961,
143ff. Abgedruckt in: ders., Spätes Keltentum zwischen Rom und Germanien (1979) 138ff.
99) L. Plank, Zeugen frühgeschichtlicher Kulturen. In: Die Brennerautobahn (1972) 397.
100) L. Franz, Der Fund von Biberwier. Außerferner Buch. Schlernschriften 111 (1955) 69 ff.
101) R. Wyss, Der Schatzfund von Erstfeld. Frühkeltischer Goldschmuck aus den Zentralalpen (1975) 50 ff.

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