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Schwarz, Klaus; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Contr.]; Ixmeier, Eugen [Ill.]
Archäologisch-topographische Studien zur Geschichte frühmittelalterlicher Fernwege und Ackerfluren im Alpenvorland zwischen Isar, Inn und Chiemsee: im Alpenvorland zwischen Isar, Inn und Chiemsee (Band 49, Textband): Textband — Kallmünz/​Opf.: Lassleben, 1989

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.73519#0090

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2) Eine nachrömische Entstehung des FW 21 ist aus
seiner Unabhängigkeit von der RS I und seinem
eigenen Aufstieg aus dem Inntal südlich der ehema-
ligen Inn-Brücke zu ersehen. Dieser Aufstieg ist
durch eine kleine Burg geschützt (Karte 49; 91,1).
Das Fehlen von Spuren massiver Bebauung, seien es
Mauerreste oder Ausbruchgruben, deutet auf eine
ehemalige Holzerdebefestigung hin. Das wäre im
Sinne einer frühmittelalterlichen Anlage verstehbar.
Dagegen spricht auch nicht der Begriff des Burgstal-
les, welcher 1436 für den Burgplatz verwendet wird.
Aventin benutzt ihn im 16. Jahrhundert sogar für
prähistorische Anlagen, wenn er vom Ringberg bei
Untersaal sagt: ist das alt purgstal, so noch gezeigt
wirt oben aufeim perg an der Donau in der Salar au,
sten die tör noch, haisst auf dem ring254.
3) Als frühmittelalterlich darf die Innfähre des FW
11/21 deshalb gelten, weil sie betrieben worden sein
muß, bevor der Inn-Übergang des FW 12/22 bei
Pfunzen eingerichtet worden ist (Karte 49). Für
dessen Existenz im 11 ./12. Jahrhundert sprechen
u. a. die dortige St.-Leonhards-Kapelle und seine
Ablösung durch die Rosenheimer Brücke im frühen
13. Jahrhundert.
4) Mit einer frühen Datierung der Fähre am FW 11/
21 wäre auch vereinbar, daß die offenbar älteste
Kirche auf der linken Innseite, die ecclesia baptisma-
lis Phunzina von 804255 in PhaphenhouenlPtedienho-
fen256 zu lokalisieren ist (Karte 49)257. Th. Bitterauf
bezieht den Namen im Gegensatz zu P. Reinecke
und zur allgemein vertretenen Auffassung zwar auf
Langenpfunzen258, doch bereitet das Schwierigkei-
ten, denn dort gibt es bis heute keine Kirche259. Die
Frage ist trotzdem noch nicht definitiv zu beantwor-
ten, weil auch ein Bezug der Kirche auf Pfaffenhofen
nicht glatt aufgeht. Diese trägt das St. Lauren-
tius-Patrozinium, weshalb ein Wechsel von St.
Johannes bapt. vorauszusetzen wäre. Andererseits
haben wir in Pfaffenhofen eine Urpfarrkirche mit
großem Sprengel vor uns, zu dem sogar Rosenheim
bis zum Jahre 1602 gehört hat260, also den kirchlichen
Mittelpunkt am linken Innufer. Sein Entstehen wäre

an der westlichen Straßenstation der Fähre des FW
11/21 verständlich.
5) In diesem Zusammenhang ist schließlich zu er-
wähnen, daß die Fähre FW 11/21 im Jahre 765 bei
der Rückführung der sterblichen Überreste des hl.
Korbinian vom castrum maiense, der späteren Zeno-
burg in Mais bei Meran, nach Freising benutzt wor-
den sein kann. H. Meixner interpretiert den Bericht
der Vita St. Corbiniani auf den ehemaligen römi-
schen Straßenübergang bei Pfunzen261. Bischof Ar-
beo von Freising, der die Überführung veranlaßt
hat, schreibt dazu: Amissa montana ad amnen Eni
portum in obviam facti sumus cum Universa subse-
quentium plebe — »Als der Zug das Gebirge hinter
sich hatte, sind wir ihm, von allem Volke begleitet,
bis an den Übergang über den Inn entgegengezo-
gen«. Nach diesem Wortlaut262 hat der Zug nach
Erreichen des Inntales weder den Fernpaß noch den
Seefelder Sattel über das Kloster Scharnitz, dem
Arbeo von 763 bis 765 vorgestanden hat, und weiter
den Fernweg über Benediktbeuern benutzt, sondern
den Inntal-Weg bis vor das Gebirge. Wie H. Meix-
ner feststellt, muß dieser auf der rechten Talseite
verlaufen sein. Dafür kann im Raum Rosenheim-
Pfunzen aus der Flurgliederung ein Süd-Nord-Weg
rekonstruiert werden, der hier FW 101 genannt wird
(Karte 49). Er trifft in Hofstätt auf den FW 21.
Wenn die Lokalisierung des Ereignisses richtig ist,
wofür vieles spricht, hat es im 8. Jahrhundert bei
PAwrtzz'nö/Pfaffenhofen, wo damals die 804 erwähnte
Kirche gestanden haben wird, einen portus gegeben.
Im 11. Jahrhundert tritt der Begriff dann in Verbin-
dung mit Langenpfunzen auf. Davon wird beim FW
22 zu sprechen sein.
DER FERNWEG 22
Der FW 22 beginnt am Inn-Übergang bei Pfunzen
und liegt 1,4 km südlich des FW 21 von Pfaffenho-
fen-Mühlthal (Karte 43; 49). So wie dieser kann er
auf der Westseite des Inn nur indirekt erschlossen

254) J. Turmair, Von dem herkomen der statt Regenspurg. Gesamt Werke 1,1 (1880) 296.
255) Bitterauf (Anm. 30) nr. 197.
256) Acht (Anm. 46) nr. 300.
257) Reinecke (Anm. 205) 30.
258) Bitterauf (Anm. 39) nr. 188.
259) In Langenpfunzen gibt es nur eine Kapelle am nordwestlichen Ortsrand und an einem der beiden Ortsverbindungs-
wege nach Pfaffenhofen. Ob sie u. U. aus der Taufkapelle hervorgegangen ist, könnte nur durch Ausgrabungen
festgestellt werden.
260) Weigl (Anm. 183) 612, Ziff. 15 d.
261) H. Meixner, Aus Nußdorfs Vergangenheit. BIO 21, 1936, 5.
262) MG SS, Schulausgabe (1920) 232.

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