DIE BURGEN AN DEN FERNWEGEN 62
UND 63 BEI WASSERBURG UND DER
INN-ÜBERGANG URFARN-REITMEHRING
Bevor der FW 63 besprochen wird, den ich als
Trasse der Salzstraße verstehe, welche den 1158
eingerichteten Isar-Übergang in München mit dem
seit 1130/50 bekannten Inn-Übergang bei Wasser-
burg verbindet und welcher im Osten über Traun-
stein nach Reichenhall gelangt, ist es notwendig, die
Burgen bei Wasserburg in die Überlegungen einzu-
beziehen. Sie stellen nämlich wesentliche Attribute
der Fernwege 62 und 63 dar. Es handelt sich dabei
um zwei Anlagen: Die im Schrifttum vielfach ange-
sprochene Wasserburg und die bisher so gut wie
unbekannte »Burgstatt« auf dem Achatiusberg
900 m südlich davon (Karte 78).
Als Ausgangspunkt der Beobachtungen diene die
schriftliche Überlieferung, die sich allerdings auf die
Wasserburg beschränkt. Der neue Inn-Übergang gilt
als eine vom Grafen Engelbert, dem ersten halgrave
(1133)651 geschaffene Einrichtung. Er hat damals sein
5 km stromauf gelegenes castrum Lintpurt/Wimiyurg
(Karte 65; 79,2; 87,3) aufgelöst und seinen Wohn-
sitz in das castrum Wazzerburch verlegt652. Das viel-
fach auf das Jahr 1137 bezogene Ereignis wird heute
allgemeiner in die Spanne 1130-1150 datiert653. Graf
Engelbert gilt als Bauherr der für 1204 erstmals
überlieferten Innbrücke654 und des Mauthauses in
der seit 1157 bekannten Siedlung Hohenowe655 unter-
halb der Wasserburg im Bereiche der späteren Stadt
(Karte 78), die nachträglich den Namen der Burg
angenommen hat. 1201 werden hier cives de foro
bezeugt656. T. Burkard rechnet bereits seit dem
12. Jahrhundert mit dem Markt, dem »einzigen im
weiten Umkreis«657.
Im Hinblick auf den oben besprochenen Inn-Über-
gang bei Urfarn—Reitmehring muß indes gesagt
werden, daß der Beginn der siedlungsgeschichtli-
chen Entwicklung der Wasserburg früher einsetzen
wird, denn bereits 1085/88 und 1091/98 tritt ein
nobilis homo de Wazzerburch nomine Dietrich auf658.
Wenn er auch historisch nicht einzuordnen ist659,
erfordert es der Name, nach einer schon damals in
der Inn-Schleife bestehenden Wasserburg zu su-
chen. Eine Befestigung muß damit gemeint gewesen
sein, weil der dort gelegene offene Wohnplatz den
Namen Hohenau trägt.
Die Frage nach einem höheren Alter der Wasser-
burg ist bereits früher mehrfach gestellt worden, so
in diesem Sinne von W. Ernst660. - A. Elsen rechnet
in der Inn-Schleife gar mit einer Burg des 10. Jahr-
hunderts und gibt dafür zwei Gründe an. Einmal
hält er, an Aventinus anknüpfend, den Grafen War-
munt für einen möglichen Grafen von Wasserburg,
der als Burgherr des 10. Jahrhunderts in Frage kä-
me661. Da Graf Warmunt vor 959 verstorben sein
dürfte662, müßte die Burg wenigstens in der ersten
Hälfte des 10. Jahrhunderts errichtet worden sein.
— Einen zweiten Grund sieht A. Elsen in einem
Bergfried, der durch eine Burgansicht für die Zeit
um 1580 bezeugt ist (Taf. 24, oben)663. Er stellt ihn
dem »Römerturm« bei der bayerischen Herzogs-
pfalz am Kornmarkt in Regensburg an die Seite, den
er als ein Bauwerk des 10. Jahrhunderts anspricht.
Solche Datierung des Regensburger Turmes läßt
sich jedoch nicht vertreten, denn seine Buckelqua-
derummantelung664 gehört in die Stauferzeit.
Der Wasserburger Bergfried kann trotzdem relativ
alt sein, denn an ihm sind nach der Zeichnung aus
der Zeit um 1580 keine Buckelquader sichtbar. Viel-
mehr haben wir es damals mit verputzten Mauern
aus Bruchsteinen oder glatten Quadern zu tun
651) Hauthaler (Anm. 24) 2 (1916) 833 nr. 157.
652) Mon. Boica I 266 nr. 1.
653) Burkard (Anm. 75) 76.
654) Mon. Boica II 450 nr. 6.
655) Hauthaler (Anm. 24) 2 (1916) 456 nr. 328.
656) Mon. Boica I 273 nr. 5.
657) Burkard (Anm. 75) 79.
658) Widemann (Anm. 146) nr. 657; Bitterauf (Anm. 30) nr. 1470.
659) Burkard (Anm. 75) 73.
660) W. Ernst, Die Geschichte der Kreisstadt Wasserburg, in: Stadt und Landkreis Wasserburg am Inn. Geschichte,
Kunst, Wirtschaft (1970) 27.
661) A. Elsen, Die Hallgrafenstadt am Inn. 800 Jahre Wasserburg am Inn (1937) 5f.
662) Burkard (Anm. 75) 34.
663) BayHStA, Pis. 18601; zur Datierung E. Krausen, Die handgezeichneten Karten im Bayer. Hauptstaatsarchiv sowie
in den Staatsarchiven Amberg und Neuburg a. d. Donau bis 1650 (1973) 40 nr. 132.
664) K. Schwarz, Regensburg während des ersten Jahrtausends im Spiegel der Ausgrabungen im Niedermünster.
Jahresber. Bayer. Bodendenkmalpflege 13/14, 1972/73 (1987) Abb. 2.
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UND 63 BEI WASSERBURG UND DER
INN-ÜBERGANG URFARN-REITMEHRING
Bevor der FW 63 besprochen wird, den ich als
Trasse der Salzstraße verstehe, welche den 1158
eingerichteten Isar-Übergang in München mit dem
seit 1130/50 bekannten Inn-Übergang bei Wasser-
burg verbindet und welcher im Osten über Traun-
stein nach Reichenhall gelangt, ist es notwendig, die
Burgen bei Wasserburg in die Überlegungen einzu-
beziehen. Sie stellen nämlich wesentliche Attribute
der Fernwege 62 und 63 dar. Es handelt sich dabei
um zwei Anlagen: Die im Schrifttum vielfach ange-
sprochene Wasserburg und die bisher so gut wie
unbekannte »Burgstatt« auf dem Achatiusberg
900 m südlich davon (Karte 78).
Als Ausgangspunkt der Beobachtungen diene die
schriftliche Überlieferung, die sich allerdings auf die
Wasserburg beschränkt. Der neue Inn-Übergang gilt
als eine vom Grafen Engelbert, dem ersten halgrave
(1133)651 geschaffene Einrichtung. Er hat damals sein
5 km stromauf gelegenes castrum Lintpurt/Wimiyurg
(Karte 65; 79,2; 87,3) aufgelöst und seinen Wohn-
sitz in das castrum Wazzerburch verlegt652. Das viel-
fach auf das Jahr 1137 bezogene Ereignis wird heute
allgemeiner in die Spanne 1130-1150 datiert653. Graf
Engelbert gilt als Bauherr der für 1204 erstmals
überlieferten Innbrücke654 und des Mauthauses in
der seit 1157 bekannten Siedlung Hohenowe655 unter-
halb der Wasserburg im Bereiche der späteren Stadt
(Karte 78), die nachträglich den Namen der Burg
angenommen hat. 1201 werden hier cives de foro
bezeugt656. T. Burkard rechnet bereits seit dem
12. Jahrhundert mit dem Markt, dem »einzigen im
weiten Umkreis«657.
Im Hinblick auf den oben besprochenen Inn-Über-
gang bei Urfarn—Reitmehring muß indes gesagt
werden, daß der Beginn der siedlungsgeschichtli-
chen Entwicklung der Wasserburg früher einsetzen
wird, denn bereits 1085/88 und 1091/98 tritt ein
nobilis homo de Wazzerburch nomine Dietrich auf658.
Wenn er auch historisch nicht einzuordnen ist659,
erfordert es der Name, nach einer schon damals in
der Inn-Schleife bestehenden Wasserburg zu su-
chen. Eine Befestigung muß damit gemeint gewesen
sein, weil der dort gelegene offene Wohnplatz den
Namen Hohenau trägt.
Die Frage nach einem höheren Alter der Wasser-
burg ist bereits früher mehrfach gestellt worden, so
in diesem Sinne von W. Ernst660. - A. Elsen rechnet
in der Inn-Schleife gar mit einer Burg des 10. Jahr-
hunderts und gibt dafür zwei Gründe an. Einmal
hält er, an Aventinus anknüpfend, den Grafen War-
munt für einen möglichen Grafen von Wasserburg,
der als Burgherr des 10. Jahrhunderts in Frage kä-
me661. Da Graf Warmunt vor 959 verstorben sein
dürfte662, müßte die Burg wenigstens in der ersten
Hälfte des 10. Jahrhunderts errichtet worden sein.
— Einen zweiten Grund sieht A. Elsen in einem
Bergfried, der durch eine Burgansicht für die Zeit
um 1580 bezeugt ist (Taf. 24, oben)663. Er stellt ihn
dem »Römerturm« bei der bayerischen Herzogs-
pfalz am Kornmarkt in Regensburg an die Seite, den
er als ein Bauwerk des 10. Jahrhunderts anspricht.
Solche Datierung des Regensburger Turmes läßt
sich jedoch nicht vertreten, denn seine Buckelqua-
derummantelung664 gehört in die Stauferzeit.
Der Wasserburger Bergfried kann trotzdem relativ
alt sein, denn an ihm sind nach der Zeichnung aus
der Zeit um 1580 keine Buckelquader sichtbar. Viel-
mehr haben wir es damals mit verputzten Mauern
aus Bruchsteinen oder glatten Quadern zu tun
651) Hauthaler (Anm. 24) 2 (1916) 833 nr. 157.
652) Mon. Boica I 266 nr. 1.
653) Burkard (Anm. 75) 76.
654) Mon. Boica II 450 nr. 6.
655) Hauthaler (Anm. 24) 2 (1916) 456 nr. 328.
656) Mon. Boica I 273 nr. 5.
657) Burkard (Anm. 75) 79.
658) Widemann (Anm. 146) nr. 657; Bitterauf (Anm. 30) nr. 1470.
659) Burkard (Anm. 75) 73.
660) W. Ernst, Die Geschichte der Kreisstadt Wasserburg, in: Stadt und Landkreis Wasserburg am Inn. Geschichte,
Kunst, Wirtschaft (1970) 27.
661) A. Elsen, Die Hallgrafenstadt am Inn. 800 Jahre Wasserburg am Inn (1937) 5f.
662) Burkard (Anm. 75) 34.
663) BayHStA, Pis. 18601; zur Datierung E. Krausen, Die handgezeichneten Karten im Bayer. Hauptstaatsarchiv sowie
in den Staatsarchiven Amberg und Neuburg a. d. Donau bis 1650 (1973) 40 nr. 132.
664) K. Schwarz, Regensburg während des ersten Jahrtausends im Spiegel der Ausgrabungen im Niedermünster.
Jahresber. Bayer. Bodendenkmalpflege 13/14, 1972/73 (1987) Abb. 2.
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