XIV. NACHWORT
I
Klaus Schwarz berichtet 1977 in den von ihm redigierten »Ausgrabungsnotizen aus Bayern«, die seit 1973
über Gewinne und Verluste archäologischer Denkmalpflege unterrichten sollten, von den Ergebnissen
seiner topographischen Studien an Fernwegen und Ackerfluren des frühen und hohen Mittelalters zwischen
Isar und Chiemsee. »Hat man bisher geglaubt«, faßt er zusammen, »das aus römischer Zeit überkommene
Fernstraßennetz bilde weiterhin die technische Grundlage des Verkehrs, so zeigt sich nun, wie das nur in der
Anfangszeit in den eben möglichen, d. h. in geringen Ausmaßen der Fall ist. Schon in karolingisch-
frühottonischer Zeit kommt es zu Neutrassierungen. Sie verlaufen ortsfern und gestreckt. Die Stauferzeit
bringt östlich des Inn zu den Brücken in Wasserburg und Rosenheim nur geringfügige Modifikationen. Nach
München hin erfolgt hingegen eine Neutrassierung, welche an Großzügigkeit nur der karolingisch-ottoni-
schen vergleichbar ist. Erneut ortsfern und über 30 km imponierend gestreckt, gibt sie sich als Ausdruck
übergeordneter, fiskalischer Prägung zu erkennen. Von Ort zu Ort, also auf krummen Wegen, geht und
fährt man hier erst seit dem späten Mittelalter. Die gestreckte Trassierung der neuen Fernwege gerät seit
karolingisch-ottonischer Zeit zunehmend in den Rand der von Hochäckern erfüllten Feldfluren und
durchschneidet sie dann konsequent. Zur Stauferzeit wird dies häufig. Für die Feldwirtschaft ergibt sich
daraus ein Anfang des Hochäckeranbaus wenigstens zu spätmerowingischer Zeit«.
Merowingerzeitliches Alter erster noch erhaltener Wölbackerfluren schien ihm so gut wie sicher, als es ihm
gelang, den Fernweg nachzuzeichnen, den Bischof Emmeram um 685 bei seiner Romreise benutzte und auf
dem er nach erlittenem Martyrium in Helfendorf nach Aschheim zurückgetragen wurde. Bei (Klein-)
Helfendorf kreuzte die damals noch intakte Römerstraße Salzburg - Augsburg (RS I) Routen, die von der
Donau zum Gebirge führten. Sie waren noch nicht auf München, sondern auf Oberföhring und Freising
ausgerichtet wie Fernweg 1, dessen Fahrspurfächer in Hohenbrunn eine an ihn herangezogene Wölbacker-
flur begleitete, während ein offensichtlich jüngerer, auf München zielender Strang, Fernweg 3, sie diagonal
durchschnitt (Karte 100). Für Schwarz war der wichtige Befund ein Schlüssel, um aus dem topographischen
Verhältnis zwischen Wölbacker und Weg die Zeitfolge der verlagerten Trassen und der wechselnden
Flurformen zu erschließen. Im Fall von Hohenbrunn mußte das Ackerland entstanden sein, bevor Heinrich
der Löwe Markt und Fähre von Oberföhring, 750 als Herzogs-, 788 als Königshof bezeugt, nach München
verlegte (1158) und vermutlich bevor Emmeram auf Fernweg 1 seine Reise nach Rom antrat. Flur und Weg
schienen Schwarz so eng aufeinander bezogen, daß er sich berechtigt glaubte, beide Denkmälergruppen,
durch moderne Baumaßnahmen vielfach bereits zerstört oder aufs äußerste gefährdet, in charakteristischen
Beispielen zu vermessen, zu beschreiben und als Quelle frühmittelalterlicher Feldwirtschafts- und Verkehrs-
geschichte zu interpretieren.
II
Schwarz bereitete ein Manuskript vor, das er im Jahresbericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege Bd. 17/
18, 1976/77 (1978) abzudrucken plante. Dazu kam es nicht, weil die Aufgabe, die denkmalpflegerische
Notwendigkeit und Forscherdrang gestellt hatten, ungleich mehr Arbeitszeit und Arbeitsintensität forderte,
als der anfängliche Terminplan erwarten ließ. Obwohl die Vermessung weitgehend abgeschlossen war, ging
Schwarz auch nach seiner Pensionierung Ende April 1980 ständig ins Gelände, nahm unbekannte Befunde
auf, prüfte Schwachstellen in der Argumentationskette und sah sich dadurch zahlreichen neuen Problemen
konfrontiert, die es am Feldbefund und am Schreibtisch zu lösen galt. Das Manuskript über die Fernwege
beendete er bereits 1981 und gab es zum Satz, nun freilich erheblich erweitert um straßenbezogene Höfe
(Versorgung der Reisenden), Kapellen (St. Leonhards-Patrozinium), Sperren (Stichwort Schranke, Schlag-
baum) und Burgen, von denen er die allermeisten ebenfalls aufgesucht, vermessen, in ihren topographischen
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I
Klaus Schwarz berichtet 1977 in den von ihm redigierten »Ausgrabungsnotizen aus Bayern«, die seit 1973
über Gewinne und Verluste archäologischer Denkmalpflege unterrichten sollten, von den Ergebnissen
seiner topographischen Studien an Fernwegen und Ackerfluren des frühen und hohen Mittelalters zwischen
Isar und Chiemsee. »Hat man bisher geglaubt«, faßt er zusammen, »das aus römischer Zeit überkommene
Fernstraßennetz bilde weiterhin die technische Grundlage des Verkehrs, so zeigt sich nun, wie das nur in der
Anfangszeit in den eben möglichen, d. h. in geringen Ausmaßen der Fall ist. Schon in karolingisch-
frühottonischer Zeit kommt es zu Neutrassierungen. Sie verlaufen ortsfern und gestreckt. Die Stauferzeit
bringt östlich des Inn zu den Brücken in Wasserburg und Rosenheim nur geringfügige Modifikationen. Nach
München hin erfolgt hingegen eine Neutrassierung, welche an Großzügigkeit nur der karolingisch-ottoni-
schen vergleichbar ist. Erneut ortsfern und über 30 km imponierend gestreckt, gibt sie sich als Ausdruck
übergeordneter, fiskalischer Prägung zu erkennen. Von Ort zu Ort, also auf krummen Wegen, geht und
fährt man hier erst seit dem späten Mittelalter. Die gestreckte Trassierung der neuen Fernwege gerät seit
karolingisch-ottonischer Zeit zunehmend in den Rand der von Hochäckern erfüllten Feldfluren und
durchschneidet sie dann konsequent. Zur Stauferzeit wird dies häufig. Für die Feldwirtschaft ergibt sich
daraus ein Anfang des Hochäckeranbaus wenigstens zu spätmerowingischer Zeit«.
Merowingerzeitliches Alter erster noch erhaltener Wölbackerfluren schien ihm so gut wie sicher, als es ihm
gelang, den Fernweg nachzuzeichnen, den Bischof Emmeram um 685 bei seiner Romreise benutzte und auf
dem er nach erlittenem Martyrium in Helfendorf nach Aschheim zurückgetragen wurde. Bei (Klein-)
Helfendorf kreuzte die damals noch intakte Römerstraße Salzburg - Augsburg (RS I) Routen, die von der
Donau zum Gebirge führten. Sie waren noch nicht auf München, sondern auf Oberföhring und Freising
ausgerichtet wie Fernweg 1, dessen Fahrspurfächer in Hohenbrunn eine an ihn herangezogene Wölbacker-
flur begleitete, während ein offensichtlich jüngerer, auf München zielender Strang, Fernweg 3, sie diagonal
durchschnitt (Karte 100). Für Schwarz war der wichtige Befund ein Schlüssel, um aus dem topographischen
Verhältnis zwischen Wölbacker und Weg die Zeitfolge der verlagerten Trassen und der wechselnden
Flurformen zu erschließen. Im Fall von Hohenbrunn mußte das Ackerland entstanden sein, bevor Heinrich
der Löwe Markt und Fähre von Oberföhring, 750 als Herzogs-, 788 als Königshof bezeugt, nach München
verlegte (1158) und vermutlich bevor Emmeram auf Fernweg 1 seine Reise nach Rom antrat. Flur und Weg
schienen Schwarz so eng aufeinander bezogen, daß er sich berechtigt glaubte, beide Denkmälergruppen,
durch moderne Baumaßnahmen vielfach bereits zerstört oder aufs äußerste gefährdet, in charakteristischen
Beispielen zu vermessen, zu beschreiben und als Quelle frühmittelalterlicher Feldwirtschafts- und Verkehrs-
geschichte zu interpretieren.
II
Schwarz bereitete ein Manuskript vor, das er im Jahresbericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege Bd. 17/
18, 1976/77 (1978) abzudrucken plante. Dazu kam es nicht, weil die Aufgabe, die denkmalpflegerische
Notwendigkeit und Forscherdrang gestellt hatten, ungleich mehr Arbeitszeit und Arbeitsintensität forderte,
als der anfängliche Terminplan erwarten ließ. Obwohl die Vermessung weitgehend abgeschlossen war, ging
Schwarz auch nach seiner Pensionierung Ende April 1980 ständig ins Gelände, nahm unbekannte Befunde
auf, prüfte Schwachstellen in der Argumentationskette und sah sich dadurch zahlreichen neuen Problemen
konfrontiert, die es am Feldbefund und am Schreibtisch zu lösen galt. Das Manuskript über die Fernwege
beendete er bereits 1981 und gab es zum Satz, nun freilich erheblich erweitert um straßenbezogene Höfe
(Versorgung der Reisenden), Kapellen (St. Leonhards-Patrozinium), Sperren (Stichwort Schranke, Schlag-
baum) und Burgen, von denen er die allermeisten ebenfalls aufgesucht, vermessen, in ihren topographischen
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