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Schwarz, Klaus; Ixmeier, Eugen [Ill.]; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Contr.]
Archäologisch-topographische Studien zur Geschichte frühmittelalterlicher Fernwege und Ackerfluren im Alpenvorland zwischen Isar, Inn und Chiemsee: im Alpenvorland zwischen Isar, Inn und Chiemsee (Band 49, Textband): Textband — Kallmünz/​Opf.: Lassleben, 1989

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.73519#0311

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XIII. DIE TECHNISCHE UND ORGANISATORISCHE ENTWICKLUNG DES ACKERBAUS
IM NÖRDLICHEN ALPENVORLAND VOM FRÜHEN BIS ZUM SPÄTEN MITTELALTER

In den vier vorangehenden Kapiteln sind jeweils
nach Ergiebigkeit der Quellen einzelne Aussagen zu
Wesen und Struktur der Wölbäcker-Fluren, ihrer
Bewirtschaftung von den Anfängen bis zum Dreizel-
genbrachsystem, den Grundlagen ihrer Vermes-
sung, ihrer ursprünglich hofweisen Ordnung und
dem Bewerten von Huben und Höfen gemacht wor-
den. Es empfiehlt sich aus Gründen der Übersicht-
lichkeit, diese Daten in einem kurzen Überblick so
zu ordnen, daß ihre Bedeutung für die historische
Entwicklung des Ackerbaus vom frühen bis zum
späten Mittelalter im nördlichen Alpenvorland sicht-
bar wird.
Die Ackerflur des ersten Landesausbaus zur späten
Merowinger- und zur frühen Karolingerzeit besteht
aus Wölbäckern. Das wird aus der schrittweisen
Erweiterung der Dorfflur von Hohenbrunn deutlich
(Karte 109; 121), deren in der ältesten Flurkarte
dokumentierte Struktur mit Hilfe benachbarter, de-
tailliert aufgemessener, fossiler Wölbäcker-Fluren
analysiert werden kann.
Mit dieser Entdeckung ist es für das nördliche Al-
penvorland gelungen, die Ackerform des frühen
Mittelalters zu erfassen. Diese entstehungsge-
schichtlich bisher für jünger gehaltenen Wölbäcker
werden nun zur ersten Quellengattung, welche für
den Ackerbau der Zeit des spätmerowingisch-karo-
lingischen Landesausbaus zur Verfügung steht.
Über den technischen Bereich hinaus erlauben sie
Aussagen über die Struktur der frühen Ackerflur
und deren Weiterentwicklung bis zum hohen Mittel-
alter. Damit eröffnet sich uns erstmals ein Weg, die
Probleme des Ackerbaus von der Situation zur
Landnahmezeit her im Sinne der geschichtlichen
Veränderungen anzugehen, während man bisher
darauf angewiesen gewesen war, aus der bestenfalls
frühneuzeitlichen Dokumentation der Flurgliede-
rung Rückschlüsse auf ältere Zustände zu versu-
chen.
Die Wölbäcker-Flur erweist sich als außerordentlich
dauerhaft. Obschon technisch von Anfang an die
Möglichkeit besteht, sie zu nivellieren und durch
eine andere zu ersetzen, hat man hiervon ganz allge-
mein kaum Gebrauch gemacht. Die einzige bisher
bekannt gewordene Ausnahme verdeutlicht das. In
Kirchheim (M) hat H. Dannheimer so geringe Fur-

chenabstände der Wölbäcker-Beete freigelegt1261,
daß hier mit zwei aufeinanderfolgenden Systemen zu
rechnen ist. Bezeichnenderweise ist das jüngere
ebenso orientiert wie das ältere (Taf. 42), was ein
Beibehalten der bisherigen Grundstruktur bedeutet.
Das ist auch ganz verständlich, weil die Ordnung der
vielfach gegeneinander verwinkelten Wölbäcker-
Blöcke und -Langfluren nur in ganz großem Zusam-
menhänge von Grund auf geändert werden könnte.
Im Sinne des Befundes von Kirchheim kann theore-
tisch bei jeder anderen Wölbäcker-Flur ein Neubau
erfolgt sein. Der Gesamtplan der Wölbäcker-Flur
des Dorfes Hohenbrunn spricht jedoch dagegen,
daß dies generell geschehen ist. Damit ergibt sich
zwingend, daß die Grundstruktur der voralpinen
Ackerflur von ungewöhnlicher Dauerhaftigkeit ist
und daß alle organisatorischen Änderungen bzgl.
der Bewirtschaftungseinheiten und der Eigentums-
verhältnisse diese bis zum Ende des Wölbäcker-
Baus zu respektieren haben.
Voraussetzung für das Einrichten von Wirtschafts-
betrieben mit Ackerfluren, welche größenmäßig im
voraus festgelegt, also in gewisser Weise genormt
sind, ist eine einheitlich gehandhabte Vermessung.
Sie beruht auf zwei aus dem westlichen Franken-
reich übernommenen und dort an die römische
Landvermessung anknüpfenden Maßsystemen, ei-
nem Dezimalsystem mit der andecinga und der iur-
nalis, sowie einem Duodezimalsystem mit dem ar-
pentum und dem iugerum A (S. 251 Tab. 5). Obschon
andecinga und arpentum in der Lex Baiuvariorum
gleichwertig genannt werden, findet in der Praxis
des frühen Mittelalters, sofern man den Schenkungs-
und Tauschprotokollen folgt, fast ausschließlich das
zweite mit dem iugerum A zwischen Isar und Salzach
Anwendung (Anl. 1, Spalte 4). Aus der Überliefe-
rung und den Flurverhältnissen des Einödhofes
Schlicht (Karte 59) sowie einer Bestätigung in Um-
rathshausen (Karte 129) geht hervor, daß sich das
iugerum A streng an die in römischer Zeit übliche
Definition des iugerum hält, wobei auch das verwen-
dete Maß für den Fuß nur ganz gering vom römi-
schen abweicht. Dieser Befund der Einödhube
Schlicht gibt uns zudem die Möglichkeit, das als
Maßeinheit für das Ackerland verwendete iugerum
A für den durch frühmittelalterlich freisingisch-salz-

1261) H. Dannheimer, Die frühmittelalterliche Siedlung bei Kirchheim (Ldkr. München, Oberbayern). Vorbericht über
die Untersuchung im Jahre 1970. Germania 51,1973, 152ff. Taf. 21 u. Beil. 6.

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