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Schwarz, Klaus; Ixmeier, Eugen [Ill.]; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Contr.]
Archäologisch-topographische Studien zur Geschichte frühmittelalterlicher Fernwege und Ackerfluren im Alpenvorland zwischen Isar, Inn und Chiemsee: im Alpenvorland zwischen Isar, Inn und Chiemsee (Band 49, Textband): Textband — Kallmünz/​Opf.: Lassleben, 1989

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.73519#0239

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XI. ZUR SYSTEMATISCHEN ANGLEICHUNG ALTER UND JUNGER MASSEINHEITEN
IM FELDBAU

ALLGEMEINES
Das bereits im frühen Mittelalter übliche Verschen-
ken oder Vertauschen von größenmäßig bestimmten
Ackerflächen setzt den Bestand von Grenzen und
die Anwendung von Maßen voraus.
Die eine Art von Grenzen haben wir in den Wölb-
äcker-Randbeeten kennengelernt (Karte 101; 112).
Andere Grenzbezeichnungen, welche mit archäolo-
gischen Mitteln nicht feststellbar sind, werden in der
Lex Baiuvariorum für die Zeit um 700 beschrieben.
Dort heißt es953: »Wenn einer Grenzen einebnet oder
sich unterfängt, die gesetzten Marksteine auszurei-
ßen: ist es ein Freigeborener, so büße er den Nach-
barn für jeden Markstein oder jedes Grenzzeichen
mit 6 Schillingen. 2. Ist es ein Knecht, der soll für
jedes Zeichen 50 Streiche erleiden. 3. Wenn einer,
während er pflügt oder seinen Weinberg bearbeitet,
ein Grenzzeichen von ungefähr, nicht mit Willen
herausreißt, der soll in Gegenwart der Nachbarn das
Grenzzeichen wiederherstellen, sonst aber keinen
Schaden leiden. 4. So oft ein Grenzstreit entstanden
ist, soll man die seit alters errichteten Grenzzeichen
erforschen: als den Erdrain, der ersichtlich vor Zei-
ten zur Begrenzung der Grundstücke aufgeworfen
wurde, oder auch die Steine, von denen feststeht,
daß sie zur Unterscheidung der Grenzen gesetzt und
mit sichtbaren Zeichen behauen wurden; gebricht es
an solchen Zeichen, dann pflegt man auf die Marken
zu achten, die an Bäumen angebracht und die man
>Dekurien< nennt. Allerdings nur auf solche, von
denen erwiesen ist, daß sie von alten Zeiten her
eingehauen sind. 5. Niemand soll ein neues Grenz-
zeichen ohne Zustimmung des anderen Teiles oder
ohne Aufseher setzen«.
Die in den Urkunden gelegentlich erwähnten Ver-
messungsarbeiten954 bezeugen die damals geübte
Landvermessung. Die Ergebnisse solcher Tätigkeit
finden u. a. in den urkundlichen Angaben über die

Größe von Grundstücken und Ländereien ihren
Ausdruck. Von diesen interessieren hier besonders
jene, welche sich auf die Ackerflur von Wirtschafts-
einheiten wie Höfen und Huben beziehen, denn sie
sind unter besonders günstigen Umständen im Ge-
lände nachprüfbar.
Solch eine Zuordnung urkundlich überlieferter und
archäologisch oder kartographisch feststellbarer Ak-
kerfluren von Höfen oder Huben setzt allerdings
eine einheitliche Bewertung beider voraus. Dazu ist
es zunächst erforderlich, die alten Flächenmaße in
ha umzurechnen, denn erst dann können wir uns
darunter etwas vorstellen und urkundlich belegte
Größen mit den in Plänen dokumentierten und in ha
gemessenen Ackerfluren von Althöfen vergleichen.
Es ist vielfach versucht worden, alte historische
Feldmaße zueinander und zum metrischen System in
Beziehung zu setzen. Auf die dabei auftretenden,
z. T. für unüberwindlich gehaltenen Schwierigkeiten
und die Notwendigkeit, sich mit Annäherungswer-
ten zu bescheiden, hat kürzlich H. Jäger für Main-
franken hingewiesen955. - Bei dem nachfolgenden
Versuch wird ein neuer Weg gegangen, der erst
durch das Erkennen vollständiger hofzugehöriger
Ackerfluren im Gelände zur Verfügung steht: Es
werden urkundliche oder urbariale Aussagen über
die Größe frühmittelalterlicher Ackerfluren einzel-
ner Huben mit geeigneten archäologisch-topogra-
phischen Befunden verglichen und gegenseitig über-
prüft.
Unsere Überlegungen beschränken sich auf Altbay-
ern, wo offensichtlich von Anbeginn einheitlichere
Verhältnisse bestehen als in den Nachbarlandschaf-
ten. Das in der Feldwirtschaft übliche Maßsystem
beruht hier vom frühen Mittelalter bis 1872/78956 auf
den Längenmaßen pes und pertica, der Grundeinheit
des Fußes und der durch Vervielfachung gewonne-
nen Rute, deren Länge in Fuß unter günstigen Um-

953) Übersetzung nach K. Beyerle, Lex Baiuvariorum. Lichtdruck der Ingolstädter Handschrift ... mit Übersetzung
(1926), Titel XII, cap. 1-4, S. 126f.
954) Zu 875—882: Tune iussit episcopus Egilperto, ut... emensurarent subtiliter cum pertica (Widemann [Anm. 146] 72 nr.
78). — Zu 907—926: hoc est curtam iugeribus V mensuratam (Bitterauf [Anm. 30] 784 nr. 1039).
955) H. Jäger, Die spätmittelalterliche Kulturlandschaft Frankens nach dem Ebracher Gesamturbar vom Jahre 1340.
Festschrift Ebrach 1127-1977 (1977) 95f.
956) Zum 1. Januar 1872 wurden mit Gesetz vom 29. 4.1869 in Bayern — in Übernahme der Maß- und Gewichtsordnung
des Norddeutschen Bundes - der Meter als gültiges Längenmaß und der Hektar als Flächenmaß eingeführt.
Daneben blieben die alten Maße bis zum 1. Januar 1878 in Gültigkeit. H. Heischmann, Die bayerischen Längen- und
Flächenmaße. Vermessung und Karte in Bayern (1951) 123.

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