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U. OKTOBER 1931


D I E

LMONDEtfeARIS

ART^WORLD

ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT

V. JAHRGANG, Nr. 41
ir ■

Das INTERNATIONALE ZENTRALORGAN FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT

Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin».
Bankkonto: Deutsche Bank u. Disconto - Gesellschaft, Depositen-Kasse M,
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Haag 145512; Paris 118732 ; Prag 59283; Wien 114783; Zürich 8159
^ARISER BÜRO: 5, rue Cambon, Paris Ier, Telephone: Louvre 4444


Bisheriger Titel:


Redaktion, Verlag und Lesesaal:
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77 • Tel. B5 Barbarossa 7228
Herausgeber Dr. J. I. von Saxe

Man abonniert beim Verlag, bei der Post oder bei den Buchhändlern.
Einzel-Nummer 50 Pfennig. Quartal für Deutschland inklusive Postzustellung
Mark 4,50: Lieferung durch den Verlag im Umschlag Mark 5,50; für das
Ausland (nur im Umschlag) Mark 5,50; oder: Oesterreich ö. S. 9; Tschecho-
slowakei Kc 45; Frankreich und Belgien fr. Frs. 35; Holland hfl. 3,25: Eng-
land £/5/6; Schweiz und die nicht angeführten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50

WERTHEIM:DAS


IBLOG RAPH IKON

Berlin w s, Leipziger str. Alte Graphik Seltene Bücher1

Moderne Kunst

Kunstkrisis der Gegenwart

experimentellen und prophetischen Versuchen
des isolierten Künstlers kaum zu folgen ver-
mag — und es wird noch einer sehr langen
Gewöhnung und Erziehung bedürfen, bevor
größere Kreise wohlgesinnter Kunstfreunde an
der neuen konstruktiven Sprache teilnehmen


zur
den

be-
end-
allen
und

I.
Die abnorme Lage, in der sich die moderne
rePräsentative Malerei, Plastik und Graphik
Jjnserer Gegenwart vor allem in Deutschland
befindet*), hat Gründe innerer und äußerer
^atur. Von innen heraus mußte eine starke
Entfremdung1 zwischen den Schaffenden einer-
seits und der breiten Masse andererseits in
aem Augenblick entstehen, da die Kunst be-
sann; jene Sprache abzulegen, die seit
Jahren die einzig allgemein verständliche
M wahrhaft eingebürgerte geworden war.
ch meine das nachbildende, mehr oder
Weniger illusionistische Verhältnis zum
°btischen. Gegenstand, den „Realismus“ mit
seinen perspektivischen Grundlagen. Dieser
?n sich durchaus nicht mit dem Wesen des
künstlerischen zusammenhängende Tatbestand
|jldet doch die Brücke der „Verstand-
!1 c h k e i t“ und ermöglicht, daß sich auf und
pt ihm die höheren ausdrucks mäßigen und
^Dualen Wirkungsweisen der Kunst
Reifung bringen können. Schon seit
agen der Romantik sind diese Konventionen
^d gerade bei den eigenartigsten und führen-
den Künstlern wankend geworden. Von
S.üspar David Friedrich über die Impressio-
(Men und Cezanne bis zum Kubismus und
^ürrealismus führt dieser Weg, der schicksal-
jAfte Notwendigkeit hat. Nach 400 Jahren
Renaissance-Tradition mußte alle noch auf
/■■m Fundament des nachahmenden Realis-
Jüjs sich darbietende Kunst notwendig eine
/jederholung schon einmal gebrachter Er-
lernungen bringen. Das 19. Jahrhundert,
Teiches aber weltanschaulich (ich erinnere an
pn Kritizismus) und praktisch (Technifizie-
J*hg, Industrie, Großstadt usw.) eine Um-
wälzung von noch nicht abzusehenden Aus-
?aBen gebracht hatte, konnte sich in seinen
}esentlichsten künstlerischen Vertretern nicht
^Uemd auf ein epigonenhaftes Weiterfreiben
vorgeformter Ausdrucksweisen
franken. In der Technik brachte es
(jWÜg die krisenhafte Ablösung von
l1I r e k t e n , • naturgegebenen -
<?nd -werklichen Verfahren und ihren Ersaß
[k*rch das Indirekte, „Künstliche“, Abstrakt-
instruierte der modernen Werkstoffe und
i^ergiien. Dieser „Entfernung von der Natur“
s Unserer gesamten technischen Umwelt ent-
v r9ch die Entfernung von den objektiven
fJÜurkafegorien bei Kant und seinen Nach-
ft pern; ihr gemäß mußte auch die Kunst
..'ner oder später Wege gehen, die in ein nur
>h \ Vgl. die unter dem Gesamttitel „Krise der
Sm;, d e r n e n Kunst“ in der „Weltkunst“ er-
bj enenen Beiträge von Dr. A. Gold, W. Bondy,
K' S- W. Leise gang, Dr. K. Kusenberg’’,
o v' 8 y d o w , Prof. Dr. J. Baum. Dir. Dr
lj, c h e n k zu Seh weinsberg, Hofrat Dr.
1 >etze und Prof. Dr. H. Beenke’n.

P. Saenredam, Interieur: St. Janskirche, Utrecht
Neuerwerbung 1930
Museum Boymans, Rotterdam

Verfahren maschinell, nicht handwerklich er-
stellt sind. Dieser Indirektheit in Baukunst
und Kunsfgewerbe mußte innerhalb der dar-
stellenden Künste eine ähnliche „Un-Natür-
lichkeit" entsprechen. Im Konstruktivismus
näherte sich die abstrakte Malerei unserer
Tage dem technoiden Bereiche selbst; im Sur-
realismus sucht sie ihre eigenen Wege, die in
ein Reich persönlicher Mythen, subjektiver
Wachfräume führen, eine „eigene Welt“, die
vielerlei künstlerische Möglichkeiten hat, aber
zur anschaulichen Natur draußen in der „Wirk-
lichkeit“ nur eben ein sehr indirektes Ver-
hältnis bewahrt. Es ist klar, daß die Menge
des Publikums, gesättigt mit der 400 Jahre
alten Bildung der Renaissance, solchen

möglich; nur das eine bleibt gewiß, daß der
merkwürdig „freischwebende“ Zug im Schaffen
der Gegenwart tiefere Gründe hat und daß
die hier gemachten Versuche auf keinen Fall
vergebens gemacht sein, werden! —
Gegen die „Unverständlichkeit" und gleich-
sam Unkontrollierbarkeit, die experimentelle
und ironische Kühle aller dieser Leistungen,
der bedeutenden wie der schwachen, der
führenden wie der nachahmenden, richtet sich
auch darum die innere Auflehnung, weil eine
Ahnung in allen solchen Versuchen etwas
wittert wie künstlerische Begleiterscheinungen
zu Lebenstatsachen, die in der Gegenwart
gleichfalls auf Zertrümmerung der Überliefe-
rung gerichtet zu sein scheinen. Was sich

werden können. Ganz parallel dazu muß der
Widerstand gegen die rein technoide Appara-
tur moderner Baukunst und ihre nur ganz
elementare Ästhetik auf lange hinaus mächtig
bleiben. Dabei bleibe unerörtert, ob unserem
Bau- und Wohnwesen auf die Dauer diese
technoide Abstraktion, so wie sie heute er-
scheint, angemessen bleiben wird und ob die
darstellenden Künste für lange Zeit in dem
luftdünnen Raum der Naturferne (wie sie
heute sich darbietet) werden verharren
können. Irgendwelche Prophetie ist hier un-

F. Hartlaub
heimer Kunsthalle

noch indirektes Verhältnis zur anschaulichen
Natur, in das Frei-Konstruierte, sozusagen
„Abstrakte“ führen mußten. Architektur und
Gebrauchskunst haben seif Beginn des
20. Jahrhunderts endgültig die romantische
Handwerkskulisse abgelegt und bieten sich
nackt als technische Apparatur dar, die aus
indirekt gewonnenen Stoffen in indirekten


gegen die Renaissance und ihre Grun.dsäße
kehrt, richtet sich auch gegen Formen des
Individualismus und der Wirtschaft, die — man
denke an das kapitalistische System — un-
gefähr gleichzeitig mit der Renaissance im
Abendland entstanden sind. Man wittert
Sozialismus; Anarchismus, „Bolschewismus"
in der Natur-Ferne moderner Kunst und so
'wenig dies alles im parteipolitischen Sinne
richtig ist, so verständlich bleibt es doch, was
die innerste geistige Haltung angeht.
II.
Zur innerlichen Krisis — „unverständlicher“
und „umstürzender“ Charakter der neuen
Kunst — kommt verschärfend der äußere
Notstand: die materielle Vertrauenskrise
der Käufer. Man ist unsicher geworden. Man
hat auch, gewißigt durch mancherlei Er-
fahrungen, den Glauben an eine gewisse
hochtrabende Kunstkritik und ihren unent-
wegten Modernismus verloren. Im Kriege und
in den ersten Jahren nach dem Kriege gab es
begeisterte Mäzene und einen entsprechenden
Kunsthandel, der sich einzuseßen wußte, wie
man es heute höchstens in Paris vermag.
Diese Händler und diese Sammler scheinen
bei. uns ausgestorben. Wenige wollen noch
jene Gefahr eines Irrtums laufen, die früher
das Kaufen moderner Kunst zu einem so
interessanten Abenteuer und zu einer so
großartig persönlichen Sache machte. Man
hat einfach nicht mehr das Geld, um ein
solches Risiko einzugehen, und man sieht auf
der anderen Seite die gesellschaftlichen, von
keinem „bolschewistischen“ Verdacht ge-
trübten Erfolge aller derer, die sich auf das
scheinbar so sichere Gebiet der alten Kunst
verlegen und die sich durch keinerlei Kata-
strophen des Expertisenwesens, durch keiner-
lei Gefahren modischer Bewertung und be-
trügerischer Täuschung von dem frommen
Glauben abibringen lassen, daß alles, was alt
ist und was (wohl durch Resfauratoren-
Künste) „glänzt“, auch im physischen und
moralischen Sinne „Gold“ sein müsse.
Nach meiner Ansicht läßt sich gegen diese
äußerlich und innerlich begründete Krisis
nichts unternehmen, was unmittelbar und so-
fort hilft: weder Pressewerbung noch allerlei
Verkaufsorganisationen oder ähnliches. Das
alte Austeilungswesen hat auf dem Gebiete
der modernen Kunst ersichtlich abgewirt-
schaftet und es gilt, anstelle der systemlosen
Anhäufungen der neuen Kunst durch Bildung
strenger Ausstellungsgedanken1 mindestens
moralisch wieder den Boden zu bereiten, ohne
schon auf materiellen Erfolg hoffen zu können.
An anderer Stelle habe ich bereits gesagt,
daß m. E. die Kunstvereine sich wesentlich
umgestalten und mehr zu Hilfsvereinen für
die Museen heranbilden müßten, wenn sie
noch fruchtbare Werbearbeit tun wollen. Diese
Museen aber, die heute noch relativ die
meiste Autorität haben und eine gewisse be-
schränkte Suggestion auszuüben vermögen,
sollten nach wie vor, ja mehr als je, das Risiko
des Ankaufs und der Darbietung zeit-
genössischer moderner Kunst tragen. Sie
haben den Privatsammlern voranzugehen.

'IMPRESSIONISTEN

Galerie Matthiesen

ALTE MEISTER

_NEUE ADRESSE: BERLIN W 10, VI KTO RIASTRASS E 33
BRUNNER oaLL"Y NEW - YORK
55, East 57th Street
 
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