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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0127

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BESPRECHUNGEN. 123

an eigentlichen Gruppenporträts. Zu den einfachsten dieser gehören die mit drei
Personen, Musik- und Familienbilder, die in Venedig ihre Ausbildung fanden. An sie
schließt sich das Kollektivporträt, dessen Aufgabe formal durch die »Reihung« ge-
löst wird. Waetzoldt erörtert hier nochmals, gewissermaßen praktisch, d. h. an der
Hand von Bilderanalysen, die Prinzipien des Gruppenbildes: Einheit der Handlung
und des Interesses, die Einheit der Zeit, des Raumes und der Farbe, und wendet
sich dann dem erweiterten Kollektivbildnis, dem Massenporträt zu.

Als einen Exkurs fügt der Autor seinem Buche noch eine umfangreiche Studie
über das Selbstporträt an, rechtfertigt dies Unternehmen aber durch die Darlegung
der Sonderstellung des Selbstbildnisses. Modell und Künstler fallen hier in eine
Person zusammen und dem Betrachter ist ein solches Werk ein Selbstbekenntnis
des Künstlers. In ihm tritt uns ein besonderer Typus entgegen, die künstlerische
Individualität. Schließlich aber gibt eine Geschichte des Selbstporträts zugleich die
des künstlerischen Selbstbewußtseins und der sozialen Stellung der Künstler. Es
ist hier nicht mehr der Platz, auf den reichen Inhalt dieses Anhanges näher ein-
zugehen. Der Autor zeigt in seinem ganzen Buch eine bei kunsthistorischen Dar-
stellungen nicht eben zu häufige Klarheit der Gliederung und der theoretischen
Gedanken, die auch dieses Kapitel über die bloße Historie hinausheben. Ich würde
gewiß nicht alles unterschreiben, was er sagt. Eine sachlich begründete Kritik würde
aber auch ein kleines Buch beanspruchen. So mag die Inhaltsangabe vielleicht
bessere Dienste tun, als ein kritisches Herausgreifen einzelner Stellen. Es mögen
nur noch ein paar Bemerkungen über das Ganze Platz finden.

In der neueren kunstwissenschaftlichen Literatur mehren sich die theoretischen
Bücher, Bücher, die einstweilen nichts anderes anstreben, als gewisse Gesichtspunkte
für die Analyse von Kunstwerken geltend zu machen, deren Inhalt sich nicht in
Sätzen, sondern nur in Schlagwörtern angeben läßt, die nicht dem Beweis oder der
Widerlegung bestimmter Ansichten dienen, sondern die mehr im Sinne von Vor-
schlägen an das Publikum herantreten. Nicht alle diese Bücher sind gleich wert-
voll. Wer die Forderung stellt, von der Lektüre einer Arbeit wenigstens ein Er-
gebnis schwarz auf weiß nach Hause zu tragen, wird von ihnen fast immer ent-
täuscht sein. Etwas davon hat nun auch das Buch Waetzoldts. Es sind so viele
Gegenstände berührt, ohne daß eigentlich Fragen gestellt oder strikte Antworten
erteilt werden. Der große Umfang und die stellenweise breite, wenn auch stilistisch
gehobene Darstellung mögen manchen Leser entmutigen, ehe er noch den rechten
Gewinn aus dem Buche gezogen hat. Diesen, finde ich, kann man sich aber reich-
lich daraus holen. Wer es genau liest und nicht nur die vom Autor (übrigens zahl-
reich) beigegebenen Abbildungen heranzieht, der wird sich, mag er darin noch so
geübt sein, in der Analyse von Kunstwerken stark gefördert fühlen. Das liegt zum
Teil daran, daß Waetzoldt mit neuen Gesichtspunkten an die Kunstwerke herantritt,
zum Teil daran, daß er sehr sorgfältige Analysen vorgenommen hat und an den
abgeleiertesten Bildern noch neue und anziehende Züge entdeckt.

Das ist aber nicht nur wertvoll für den Fachmann, sondern vor allem für den
»weiteren Leserkreis«, den die Arbeit des Verfassers offenbar mit berücksichtigt und
den sie inzwischen wohl auch gefunden haben wird.

Graz. Rudolf Ameseder.

Stephan Beissel, Gefälschte Kunstwerke. Freiburg i. Br., Herdersche
Verlagshandlung. VIII und 175 Seiten.
Eine reiche Materialsammlung über die Fälschungen im Antiquitätenhandel stellt
der Verfasser in der vorliegenden Schrift zusammen. Er zeigt im ersten Kapitel,
 
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