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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0283

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BESPRECHUNGEN. 279

architektonische Formung von quadratischen oder Rundräumen, von streng begrenzten
Gängen und schachtartigen Kuppeln anders nennen als abstrakte Regelmäßigkeit,
Kaumform. Indem Worringer in den Gegensatz von Abstraktion und Einfühlung
die Gegensätze von Linie und Körper, von Körper und Raum hineinpreßt, von
Zwei- und Dreiditnensionalität, wird auch er einseitig. Die Gegensätze von geo-
metrischer Flächenkunst und stereometrischer Körperkunst, von optischen und
Plastischen Werten, innerhalb der Plastik von archaisch und klassisch, oder plastischer
rorm und plastischem Ausdruck, Gegensätze von Körperkunst und Raumkunst
Können alle innerhalb des sogenannten Abstrakten bestehen, sind reiner gesetz-
mäßiger Formung zugänglich.

Die unberechtigte Ausdehnung des Einfühlungsprinzipes kann nicht durch diesen

Gegensatz zum Abstrakten verhindert werden, sondern nur durch Zerstörung des

tinfühlungsprinzipes überhaupt. Wir geben einige Gesichtspunkte dafür an: 1. Von

tmfühlung war so lange nicht die Rede, als es sich nur um die Erklärung des

Genusses von Darstellungen fühlender Menschen handelte. Sie wurde erst aktuell,

als es sich um Erklärung des Eindruckes lebloser Dinge handelte, bei denen das

Moment des Gefühles oder menschlich tätigen Erlebens nicht selbstverständlich war.

amit charakterisiert sich Einfühlung als der Versuch, das Leblose zu beseelen, das

übermenschliche zu vermenschlichen. Nennen wir die Wirkung, die von der Dar-

tellung menschlicher Erlebnisse ausgeht, poetische, so ist die Einfühlungstheorie

er Versuch, nur poetische Werte anzuerkennen und alle Kunstwirkungen auf

P etische Erlebnisse zurückzuführen. Ihre Einseitigkeit ist damit im Sinne Worringers

estgestellt. 2. Die Berechtigung, diese Poetisierung des Unpoetischen vorzunehmen,

ummt sich diese Theorie aus der unleugbaren Erkenntnis, daß bei der Auffassung

'eler scheinbar optischer Verhältnisse motorische Erfahrungen mitspielen und die

ltung unseres Verhaltens den Erscheinungen gegenüber bestimmen. Die Ein-

unlungstheorie aber überschreitet dieses Recht, indem sie auch dort motorische

. ebnisse ^en Sinneserfahrungen unterschiebt, wo keine gesetzmäßigen Beziehungen

leser Art bestehen, z. B. bei Farben- und Tonakkorden, indem sie ferner den moto-

'. bedingten Formauffassungen motorische und menschlich gefühlsmäßige Erleb-

•sse unterschiebt, die nicht gesetzmäßig damit verknüpft sind, sondern nur assoziative

eutungen darstellen, oder indem sie diese nur als erworbener Zusammenhang des

eienlebens mitwirkenden Erfahrungen motorischer Art so in den Vordergrund rückt,

sie ein starkes, gegenwärtiges und höchst personales Erlebnis werden. Es ist das

Hineindeuten eines ganzen fühlenden Menschen in eine optische Form, während

Zusammenhang zwischen motorischen und optischen Erlebnissen kein anderer

der zwischen Eindrücken des Gesichts- und Geruchssinnes oder Geschmacks-

ES w'e w'r von süßem Zucker sprechen, dürfen wir von runden Linien

■ , n" Aber der Ausdruck, die Linie biegt sich oder verneigt sich und die Deutung,

beuge mich in ihr, fühle mich selbsttätig, ist eine poetische Übertreibung. Die

JUWung übertreibt. Nur dadurch aber vermag sie eine logisch erkenntnistheore-

e Erklärung der Formauflassung (der Körper- und Raum weit), die für das

W i Cn W'e die Kunst gleichmäßig gilt, ja die Grundlage der mechanischen

tauffassung bildet, die niemand poetisch nennen wird, zur ausschließlich

sehen zu machen, indem sie selbstverständliche, eindruckslose Erfahrungen

m Range dramatisch oder lyrisch wirkungsvoller Auftritte erhebt. Dadurch hört

er die Einfühlung auf, Erklärung zu sein, und wird Deutung, Interpretation, die

r gerechtfertigt ist, wo etwas Sinnlich-Eindrucksvolles charakterisiert werden soll

lrci worte, deren eigentliche Kraft nur dort zur Geltung kommt, wo sie von

enschhchen Zuständen und Betätigungen handeln. Auch insofern ist Einfühlung
 
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