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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0296

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292 BESPRECHUNGEN.

Es wird hervorgehoben, wie wichtig den Romantikern das Problem der Form
war. Erwies sich W. Schlegel in dieser Hinsicht fast als Pedant, der den Versbau
in engbegrenzte Regeln einschnüren wollte, so gelang es Hölderlin, sich eine den
psychologischen Gesetzen des Gefühlslebens nachgebildete dichterische Ausdrucks-
kunst zu erarbeiten. Bei alledem empfanden sie, daß eine völlige Deckung von
Inhalt und Form nicht möglich sei. Aus dem Bewußtsein dieser Diskrepanz leitet
Pflaum — wohl etwas einseitig — das Entstehen der romantischen Ironie ab, für
deren ästhetische Berechtigung er eine Lanze bricht, wenngleich er ihre Auswüchse
abweist.

Als Verteidiger der Romantiker stellt sich der Verfasser dar auch in Bezug auf
ihren wundesten Punkt: die Hinwendung zur katholischen Kirche. Er erklärt diese
als Rückschlag ihrer philosophischen Weltanschauung, des extremen Fichteschen
Subjektivismus. Das Nichts-als-ich erschien ihnen bisweilen unheimlich. Die Welt
erhielt dadurch etwas Schattenhaftes. »Ich komme mir nur selbst entgegen in einer
leeren Wüstenei«, sagt Tieck in seinem Lovell. Der horror vacui weckte zunächst
das Verlangen nach einem leitenden Prinzip, das Hölderlin in der Kraft der Liebe
fand und damit einen Gegenpol zu Fichtes strengem Pflichtgebot setzte. Das
Postulat der Liebe führte zum Christentum. Was diese Dichter aber dem Katholi-
zismus in die Arme trieb, waren nicht die der Vernunft widerstreitenden Lehren
(diese anzuerkennen, sei ihnen nun und nimmer eingefallen, behauptet Pflaum),
sondern die sinnfälligen äußeren Formen, der Reichtum an Symbolen, das Mystische,
womit diese Kirche ihren künstlerischen Bedürfnissen entgegenkam.

Pflaums inhaltreiche Untersuchung, aus der ich hier einiges von dem hervor-
hob, was mir darin bedeutsam erscheint, ist vielleicht nicht imstande, alle Rätsel
dieser Dichterperiode zu beseitigen, deckt indessen die psychologischen Wurzeln
ihrer Entwicklung auf, die dadurch das Gepräge des Notwendigen und Zielbewußten
gewinnt.

Berlin. Olga Stieglitz.

Franz Bock, Matthias Grünewald. Erster Teil. Mit 29 Abbildungen im Text
und 19 Vollbildern. Verlag Georg D. W. Callwey in München, 1909. Kl. 8°.
VIII u. 126 S.

Der hier vorliegende erste Teil dieses Werkes, der bis auf den Anhang bereits
im dritten Bande der »Walhalla, Bücherei für vaterländische Geschichte, Kunst und
Kulturgeschichte« erschien, wendet sich »ebensosehr an die gebildeten Kunstfreunde
wie an die Fachgelehrten-, denn er schildert in knappen Zügen Grünewalds »Ruhm,
Werke und Bedeutung«. Im zweiten Teil, der baldigst nachfolgen soll, beabsichtigt
der Verfasser die zahlreichen Grünewaldstreitfragen einer ausführlichen Kritik zu
unterwerfen. Uns geht an dieser Stelle demnach lediglich der erste Teil an; denn
ihre stilkritischen Kämpfe und geschichtlichen Nachweise und Zuweisungen müssen
die Kunsthistoriker untereinander austragen und können sich mit Recht die Ein-
mischung Außenstehender verbitten. Aber die allgemeineren Ergebnisse, die ihr
Forschen zeitigt, fallen mit in den Bereich »allgemeiner Kunstwissenschaft«, also in
unser Gebiet.

Besonders Bock will sich durchaus nicht mit einer historischen Statistik be-
gnügen; für ihn steht das Problem der Wertung im Vordergrunde. »Anstatt
einer allgemein anerkannten und angewandten Methode der Wertung haben bisher
in der Kunstwissenschaft nacheinander, nebeneinander oder auch durcheinander im
wesentlichen drei Konventionen geherrscht: die akademische, die klassizistische, die
italistische. Alle drei fließen zu der einen ungeheuren Einseitigkeit zusammen, daß
 
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