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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 20.1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.14166#0087
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BESPRECHUNGEN.

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die zugleich in einigen charakteristischen Beispielen die Methode Warburgs ver-
deutlicht.

Die Verbindung eindringenden religionsgeschichtlichen und kunstgeschichtlichen
Einzelstudiums, das wechselseitige sich Befruchten der verschiedenen Seiten der
Geistesgeschichte, betrieben durch Fachgelehrte, ist der Sinn der Arbeit in der Biblio-
thek, wie sie auch in den vorliegenden Vorträgen zutage tritt. Auch die allgemein
philosophische Grundlegung kommt zu ihrem Recht: Auf Saxls Darlegungen folgt
Ernst Cassirer, »Der Begriff der symbolischen Form im Aufbau der Geisteswissen-
schaften«. Die menschliche Geistesarbeit bedarf auf allen Gebieten des Kulturlebens
— in Mythos und Religion, in der Sprache, der Kunst, der Wissenschaft — eigen-
artiger Symbolbildung, ohne die wir uns nirgends von der Dumpfheit des
sinnlichen Empfindens und der passiven Aufnahme des gegebenen Einzelinhalts
zum umfassenden und bedeutungsvollen Gedanken würden erheben können und
deren Verständnis notwendig zum Verständnis der Geistesentwicklung gehört. Auf
allen Gebieten legt diese Symbolbildung eine charakteristische, verwandte Entwick-
lung zurück: von dem nachahmenden zum ausdrückenden und analogisierenden und
endlich zum sinnvollen, bedeutenden Symbol, vom Eigennamen zum Gattungsbegriff
und von dort zum Funktionalzusammenhang, von der »einfachen Nachahmung« zur
»Manier« und zum »Stil« (Goethe). Die Entwicklung ist nach Cassirer in allen diesen
Fällen zugleich eine solche von der bloßen Rezeptivität zur geistigen Eigengestal-
tung. Finden wir so in jeder Symbolgattung ein Durchlaufen analoger Stufen, so
stellt auf der anderen Seite jede wieder eine eigenartige Beziehung zwischen Sinn
und Symbol, zwischen Sein und Bedeutung dar: In Mythos und Religion besteht
jene eigentümliche Spannung beider Seiten, die einmal Realität und symbolischen
Vertreter völlig identifiziert, vom einen dieselbe Wirkung ausgehen läßt wie vom
anderen, und dann wieder sie so von einander trennt, daß das »Symbol- nur zum
ganz unzureichenden Zeichen der göttlichen Realität wird; in der Kunst trennt sich
beides als verschiedenen Welten angehörig so klar und scharf, daß das »Bild« als
solches, unter völligem Verblassen seiner Beziehung zum Sein, Selbstwert wird, im
Begriffssystem der reinen Wissenschaft entsteht eine Zeichensprache, in der das
Einzelzeichen nur das Glied eines Systems bedeutet, das wir mit seinen festen Be-
ziehungen dem Ganzen der Dinge unterbauen, das Wort steht zwischen Begriffs-
zeichen und Bild in der Mitte.

Daß Ausführungen solcher Art auch für das kunsthistorische Problem, wie es
im Rahmen der Aufgaben der »Bibliothek Warburg« gestellt wird, nicht ohne Be-
deutung sind, kann die folgende Abhandlung des Berliner Kunsthistorikers Adolph
Goldschmidt »Das Nachleben der antiken Formen im Mittelalter« zeigen: die antike
Form lebt fort — in der dreifachen Vermittlung durch literarische Überlieferung,
erhaltene Denkmäler und unmittelbare Tradition —, aber sie wandelt sich in typi-
scher Weise durch den Geist des Mittelalters und zwar in der Richtung vom in
sich selbst lebenden Bild zum Symbol mit traditionell fester, möglichst verständ-
licher und eindrucksvoller Bedeutung, also zum Symbol in der Weise des Wortes.

Ein kunsthistorisches Spezialthema behandelt Gustav Pauli in »Dürer, Italien
und die Antike«, aber auch seine Behandlung weist über diese Begrenzung weit
hinaus: die Berührung der spätgotisch-deutschen, auf individualistische, expressive,
der persönlichen Phantasie Ausdruck gebende Form, mit der antik-italienischen
(Pauli sieht in diesem Punkt in der italienischen Renaissance die Fortsetzung der
Antike) auf allgemeingültige Schönheitswerte (»Pathosformeln«) ausgehenden Kunst
ist das eigentliche Ziel. Der nächste Vortrag von Eduard Wechßler bringt eine
Parallele zwischen Piatons »Eros<: und Dantes ::Minne«. Piatons Eros, die Knaben-
 
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