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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 20.1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.14166#0088
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BESPRECHUNGEN.

liebe in ihrer feinsten Form, der keine Gegenliebe verlangenden Liebe des Lehren-
den zum erwachenden und wachsenden Geist des Schülers, vergeistigt sich zu der
ahnenden Schau der ewigen Urbilder der Dinge, Dantes Minne, die zarteste Form
der dienenden, nichts für sich begehrenden Treue, wird die Vorstufe der echten
Gottesliebe des Frommen.

Die zwei letzten Vorträge des ersten Bandes sind religionsgeschichtlichen Inhalts.
Hellmut Ritter untersucht ein unter dem Namen »Picatrix« gehendes Handbuch der
Magie, das sich als lateinische Übersetzung (1252) eines arabischen Buches aus-
weist. Die auf dem Glauben, daß das »Ähnliche auf das Ähnliche wirke« beruhende
Magie der »sympathischen« Einflüsse geht in ihrer theoretischen Grundlage auf
hellenistische, neuplatonische Vorbilder zurück: im Sinn des späten Neuplatonismus
werden Reihen zusammengehöriger, »ähnlicher« Gegenstände konstruiert, an deren
Spitze schließlich, in dem durch Astrologie und Dämonenglauben umgewandelten
neuplatonischen System die sieben Planetengötter stehen. So wird an einem solchen
Buch, das im Mittelalter als gefährliches Zauberbuch und Lehrbuch der schwarzen
Magie galt, der Weg deutlich, der von der pantheistischen Naturphilosophie der
Stoa (die den »Sympathiebegriff« so stark betont) und noch älterer Systemen zu dem
Reihen- und Stufensystem der Neuplatoniker, unter wachsendem Einfluß der Dämo-
nologie und Astrologie zur astrologischen und sympathetischen Magie und schließ-
lich zum mittelalterlichen Teufelsglauben führt. Heinrich Junker endlich sucht den
Ursprung der hellenistischen »Aion«vorstellung in iranischen Quellen, in jenen
alten, vom orthodoxen Parsismus abweichenden Anschauungen, die die unendliche
Zeit zum Vater auch des guten und bösen Prinzips, Ormuzds und Ahrimans machen.

Den zweiten Band der Vorträge eröffnet eine feinsinnige Piatonstudie Cassirers
über »Eidos und Eidolon« — Idee und Bild. Er geht aus von der eigentümlichen
Spannung zwischen dem Künstler und dem Ästhetiker Plato: dem Künstler, der
nicht umhin kann, dem reinen Gedanken die Form des eindrucksvollen Bildes zu
geben und dem Ästhetiker, der das Wesen der Kunst nur als »Nachahmung« zu
bestimmen vermag und in der Reihe Idee—Ding—Nachbild und Schattenbild auch
dem Werke der Kunst den untersten Platz einräumt. Bezeichnend für Plato ist es,
daß die metaphysische Idee des Schönen, so bedeutungsvoll sie im Reich des Logos
und Ethos wird, in keine Beziehung zur Kunst tritt — und doch entwickelt sich
dann, mit einer gewissen Notwendigkeit, gerade aus der platonischen Philosophie
die idealistische Ästhetik und Kunstauffassung, die über Plotin und die Renaissance
zu Winckelmann führt.

Eine außerordentlich wertvolle und lehrreiche Darstellung des Menschen Augustin
und seiner Entwicklung bietet R. Reitzenstein (»Augustin als antiker und mittelalter-
licher Mensch«). Sah man früher in Augustin den Anfang des mittelalterlichen
Geistes, so hatte man bekanntlich neuerlich (Troeltsch, Thimme) nachdrücklich die
Ansicht vertreten, daß der Kirchenvater seiner ganzen Denkweise nach durchaus
der Antike zuzurechnen sei. Reitzenstein will, gerade von der Persönlichkeit Augustins
ausgehend, zeigen, daß und wie er typisch auf der Grenze beider Zeitalter steht:
Betrachten wir etwa die Briefe aus der Zeit seiner Bekehrung, so sehen wir, wie
er damals noch ganz im Sinn und Geist der Antike und seines Meisters Cicero
— auch des erheblich späteren »Christen Boethius — Heil und Befriedigung, Er-
lösung und Trost im Wissen, in der Erkenntnis erhofft, für die ihm Religion und
Kirche nur Vorstufe sind; lesen wir die Konfessionen, so sehen wir, wie inzwischen
der starke Umbruch erfolgt ist, das starke Sündengefühl, das demütige sich Ergeben,
der Gedanke der Gnade Gottes, von der alles zu erhoffen ist. Nicht der objektive
Gedankengehalt eines Werkes wie des Gottesstaates, aber das persönliche Empfin-
 
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