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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 20.1926

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Schmidt, Walther F.: Promusikalität und Musikalität der lyrischen Dichtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14166#0229
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VII.

Promusikalität und Musikalität
der lyrischen Dichtung.

Von

Walther F. Schmidt.

Daß von allen Gattungen der Dichtkunst die Lyrik in unmittel-
barster Nähe der Musik stehe, ist eine bisher unbezweifelte Erkenntnis.
Glaubte man, an einem Gedichte Merkmale zu entdecken, die stärker
als man es allgemein gewöhnt war, Eindrücke der Musik hinterließen,
so hatte man ein Recht, solche Dichtung schlechthin -musikalisch«
zu nennen. Keineswegs aber konnte man beanspruchen, damit Wesent-
liches über die besondere Art des Verhältnisses zur Musik ausgesagt
zu haben. Wenn Ph. Spitta von der Musikalität Goethescher Gedichte
spricht, wenn Schiller den Messias »eine herrliche Schöpfung in musi-
kalisch-poetischer Rücksicht und Klopstock »vorzugsweise einen musi-
kalischen Dichter« nennt, wenn schließlich einmal gesagt wird, Lieder
von Löns seien »Wort und Musik zugleich«, so leuchtet ein, daß alles,
was hier gemeinhin musikalisch genannt wird, nach Gestalt und Gehalt
weit voneinander verschieden sein muß. Die Vieldeutigkeit des ange-
wandten Begriffes durch genaue Untersuchung sogenannter musika-
lischer Gedichte auf elementare Einheiten zurückzuführen, war mein
Bestreben. Dabei ergab sich bald die Notwendigkeit einer Scheidung
musikalischer Gedichte in solche, die der Musik dienen und solche,
die darüber hinaus eigene musikalische Wirkung für sich mehr oder
minder in Anspruch nehmen möchten. Zwei verschiedene Möglich-
keiten im Verhalten der poetischen Faktoren zur Musik verlangen diese
Gruppierung. In der Anpassung poetischer Elemente an musikalische
Konstruktionsentsprechungen ist das dienende, in der Aufnahme und
Poetisierung musikalischer Elemente selbst das herrschende Verhalten
des Poetischen beschlossen. Anpassung der Dichtung an musikalische
Konstruktionselemente, ein Hinneigen zur Vertonung ist Voraussetzung
und poetisches Merkmal des Liedes. Dichtung solcher Art drückt einen
Anreiz zur Vertonung aus, sie ist in besonderem Maße zu musika-
lischer Ergänzung geschaffen. Ich habe sie darum promusikalisch«
genannt.
 
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