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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 21.1927

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Schultz, Julius: Psychologie des Wortspiels
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https://doi.org/10.11588/diglit.14169#0046

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36

JULIUS SCHULTZ.

verziehen, verzerren, verzucken, verzacken und verändern« (S. 64) —
»uns immer wieder ergreifende, uns immer wieder hinreißende, uns
immer wieder bewegende, uns immer wieder rührende, uns immer
wieder erschütternde, uns immer wieder enthusiasmierende, uns immer
wieder faszinierende« — ach, es geht noch Zeilen und Zeilen so fort!
(S. 285) ... Ja, das will spaßhaft sein. Wenn da nur der Spaß nicht
schließlich, die Zunge weit aus dem Halse hängend, totgehetzt am
Boden liegt!

15.

Sollen wir's noch ein eigentliches Wortspiel heißen, wenn sich
Esprit in Kontrastierung von Wörtern oder Wortgefügen zeigt?
Sicherlich da, wo ein Satz und seine Umdrehung zusammengeleimt
werden: nirgends jauchzt die tänzerische Komik lustiger auf. »Mein
Hund war für die Katze, und meine Katze war auf den Hund ge-
kommen!« — »Wie hübsche Halbschuhe für Damen! — Eher Schuhe
für Halbdamen!« (Aus Witzblättern.) Aber man denke nicht, daß diese
Manier sehr modern wäre; niemand liebt sie mehr als Shakespeare;
nur daß er die Kontraste kürzer zusammenzieht. »They have pitched a
toil; I am toiling in a pitch« (Loves 1. 1. IV 3). — »How mach better
is it to weep at joy then to joy at weepingf« (Much ado, II). — »Why,
he has three thousand ducats a-year. — Ay, bat hell have bat a year
in all these ducats« (What you will, 13).— Das wären ein paar Bei-
spiele dieser Art. — Der bloße Kontrast von verkoppelten Begriffen
kann wohl geistreich wirken, lächerlich kaum; es müßte dann der Witz
in einer ungereimten und daher unerwarteten Koordination liegen und
also auf eine spaßige Enttäuschung hinauslaufen, wie etwa bei Heine
(Deutschland, 1): »Sie sang mit wahrem Gefühle und falscher Stimme«.

16.

Versuchen wir zum Schlüsse eine Typik der Erlebnisse beim
Spielen mit Worten zu entwerfen. Ich finde da etwa sechs leidlich
umgrenzbare Typen. Zunächst den infantilen. Der freut sich dalbernd
am Geklingel der Gleichklänge und an der Verdrehung und Neubil-
dung von Wörtern; das Getändel mit der Sprache bleibt ihm letzter
Zweck, über den er keineswegs hinaus will. Deswegen freut er sich
beispielsweise an dialektischem Gestotter als solchem, selbst wenn es
gar nicht zu drolligen Mißverständnissen oder Irrungen führt. Darin,
daß die Homonymik, Onomatoplastik und Assonanz Ziel des Spaßes
bleibt, nicht zum Mittel hinabsinkt, gleichen diesem ersten zwei andere
Typen. Der eine, den ich den »grobianischen« nennen möchte,
schwelgt gerne in der Massenhaftigkeit der Gleichklänge und der
hintereinander herrasselnden Synonyme; unter den Mißverständnissen
 
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