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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 21.1927

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Cassirer, Ernst: Das Symbolproblem und seine Stellung im System der Philosophie
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https://doi.org/10.11588/diglit.14169#0315

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DAS SYMBOLPROBLEM U. SEINE STELLUNG IM SYSTEM D. PHILOSOPHIE.

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Stellung erhebt sich nun noch eine andere und dritte Sphäre, die wir
als die der reinen Bedeutung bezeichnen wollen. Sie ist von der
Sphäre der Darstellung dadurch getrennt, daß sie sich von dem Grunde
der anschaulichen Gestaltung, in welchem die Darstellung wurzelt
und aus dem sie fort und fort ihre beste Kraft zieht, gelöst hat — daß sie
sozusagen im freien Äther des reinen Gedankens schwebt. Das Zeichen
im Sinne des reinen Bedeutungszeichens drückt nichts aus und stellt
nichts dar — es ist Zeichen im Sinne einer bloß abstrakten Zuord-
nung. Was in ihm festgehalten wird, ist eine wechselseitige Beziehung
und Entsprechung, die in ihrem allgemeinen Gesetz erfaßt wird, wäh-
rend wir darauf verzichten müssen, uns die Elemente, die in diese Be-
ziehung eingehen, als selbständigen Bestand, als Inhalte, die außerhalb
der Beziehung noch etwas sind und bedeuten, vorstellig zu machen. Am
deutlichsten vielleicht prägt sich dieses Verhältnis in der modernen Grund-
legung der Geometrie aus, wie sie durch Pasch eingeleitet und durch
Hilbert im wesentlichen vollendet worden ist. In dem System von
Hilbert und Pasch haben die Punkte, die Geraden, die Ebenen, die wir
im Sinne der älteren Auffassung als anschauliche Gebilde anzusehen
pflegen, diesen ihren Darstellungs sinn völlig eingebüßt: sie fungieren
nur noch als Zeichen für einen bestimmten Bedeutungsgehalt — eben
für jenen mathematischen Sinngehalt, der sich in den Axiomen der
Geometrie ausspricht. Was immer diesen Axiomen genügt, kann als
Repräsentant dieses Sinngehalts gewählt werden: denn nur auf das kon-
stitutive Gesetz dieses Gehalts, nicht auf die anschauliche Bestimmtheit
der Elemente selbst kommt es in jeder echt-geometrischen Aussage
an. So können in bekannter Weise in dieser »abstrakten« Geometrie
die Punkte und Geraden durch Gebilde von anschaulich ganz anderer
Art ersetzt werden, ohne daß diese Verschiedenheit der anschaulichen
Interpretation irgend etwas an dem Charakter, an dem logischen Ge-
halt der betreffenden Geometrie ändert: denn dieser ist lediglich in der
reinen Form der Axiome selbst, also nicht in bestimmten Gestalten
und Gebilden, sondern in allgemeinen Zuordnungs-Prinzipien ge-
gründet.

Legen wir nun diese allgemeine Unterscheidung der Ausdrucks-
funktion, der Darstellungsfunktion und der Bedeutungs-
funktion, die ich hier freilich nur andeuten, nicht aber näher ent-
wickeln kann, zu Grunde: so besitzen wir an ihr einen allgemeinen
PTan der ideellen Orientierung, innerhalb dessen wir nun gewisser-
maßen die Stelle jeder symbolischen Form bezeichnen können. Frei-
lich nicht in dem Sinne, daß diese Stelle ein für alle Mal fixiert,
daß sie innerhalb dieses Grundplans durch einen festen Punkt zu
bezeichnen wäre. Vielmehr ist es für jede Form bezeichnend, daß
 
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