Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 21.1927

DOI article:
Thurnwald, Richard: Symbol im Lichte der Völkerkunde
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14169#0348

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
336 RICHARD THURNWALD. SYMBOL IM LICHTE DER VÖLKERKUNDE.

optischen Bildern häufig festgestellt wurde (Jaensch S. 94), so wird
uns der »zauberische« Charakter, die Wirkungskraft verständlich,
die als von Bildnissen jeder Art ausgehend im Bereiche der Natur-
völker angenommen wird. Dies begründet auch die »Wirkungskraft«
der Symbolbilder, sowie der Symbolhandlungen, z. B. des Vorbildzau-
bers, des Vorsprechzaubers, des Fluches usw.

§ 11. Die kulturellen Voraussetzungen sind, wie wir gesehen haben,
andersartig. Doch nicht allein die Inhalte und die Beziehungen der
Inhalte unterscheiden die primitive Symbolik von der unter uns herr-
schenden, sondern auch die Methode des Denkens.

Die Frage bleibt allerdings bestehen, wie weit nicht auch wir uns
noch im Alltagsleben primitiver Denkmethoden bedienen. Denn unser
wissenschaftliches Denken ist als fachliche und persönliche Spitzen-
leistung zu werten. Sobald es sich nicht mehr um das Fach handelt,
bedienen wir uns bequemer Methoden. Allerdings sind diese der pri-
mitiven Denkweise deshalb nicht ohne weiteres gleichzusetzen, weil
von den Höchstleistungen des Denkens her eine Ausstrahlung sich
geltend macht, die auch dem bequemen Denken gewisse Schranken
zieht. Wenn bei uns ein Dichter den Mond besingt und von ihm etwa
sagt, daß er »als silbernes Schiff über den Himmel gleitet«, so ist dies
ein echtes Symbol, ein Bildausdruck, bei dem die Trennung zwi-
schen Bild und Objekt dank den Spitzenleistungen des Denkens auf
verschiedenen Gebieten, wie Astronomie, Optik usw. vollzogen ist.
Nicht so war es für den alten Ägypter. Er sah dort wirklich ein
Schiff als Mond. Er sah die Tierkreisbilder am Himmel lebendig. Die
Zeichen, die er damals gebrauchte, lebten und wirkten. Daher die
zauberische Bedeutung. Und weil sie nicht scharf abgetrennt, sondern
komplex in ihren Beziehungen waren, funktionierten sie als Sammel-
symbole, sie bildeten den Schlüssel zu Gedankengruppen, die durch
ihre Tendenz zur Subsumption die Wege zur abstrakten Begriffsbil-
dung erschlossen.

§ 12. Woher stammt aber der ästhetische Reiz, den wir emp-
pfinden, wenn wir Symbole gebrauchen. Warum suchen die Dichter
nach gehaltreichen Bildern als Metapher?

Es erfordert vielleicht weniger gedankliche Anstrengung, für einen
Gegenstand ein anderes ähnliches Bild zu setzen, eine Bildübertragung
vorzunehmen, als ihn begrifflich unterzuordnen. Aber eine solche Bild-
übertragung trifft uns an einer anderen Seite.

Es handelt sich dabei um eine ganz andere Geistestechnik, die
nicht ohne weiteres als Stufe gewertet werden kann. Nicht alle psy-
chischen Wege sind solche des zergliedernden Denkens, sondern auch
 
Annotationen