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Zeitschrift für christliche Kunst — 34.1921

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Heft 8
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Witte, Fritz: Neues zur Brabender-Beldensnider-Frage
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https://doi.org/10.11588/diglit.4344#0131

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Nr. 8 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. jJQ

hat für natürliche, ungezwungene, herbe Größe, der hat den Einzug Christi
in Jerusalem in Münster ohne Scheu neben, wenn nicht wie ich vor den
meisten Werken eines Riemenschneider genannt, sein Verhängnis war es
einzig, daß er später bekannt geworden. Heute lieben wir alle die, welche
von Schönmacherei sich freihalten und aus wirklichem Erleben heraus ihre
Kunstwerke niederschrieben. Und das tat Brabender. Der Einzug Christi
ist miterlebt, ist nicht nachempfunden; Brabender fühlte sich dabei, und ich
möchte fast glauben, daß er und der eine oder andere seiner Gesellen in
der Gruppe der huldigenden Juden im Porträt vertreten ist; denn diese
Gruppe, auf die der Heiland zureitet, ist fern von der Typisierung der
hinter Christus herschreitenden Apostelgruppe durchgebildet bis zur höchsten
Schärfe der Charakterisierung7.

Der Meister von Troyes geht wirklich recht weit in seinen Anlehnungen.
Nicht nur daß er die dem Meister Heinrich Brabender so charakteristischen
Kopftypen mit der auffälligen Frisur entlehnt, er holt von diesem auch das
Aufeinanderreihen der Figuren und die auffällige Konstruktion des Hinter-
grundes, aus dem in Frontalansicht anstatt im Profil eine zweite Reihe von
Figuren sichtbar wird.

Koechlin und de Vasselot geben selbst ihrer Verwunderung darüber
Ausdruck und suchen gequälte Gründe dafür anzuführen, daß noch um 1530
in Troyes scheinbar die Gotik noch einmal wieder auflebe, nachdem doch
die Renaissance bereits ihren Einzug gehalten habe; sie mögen die Erklärung
dafür suchen in der Tatsache, daß ein großer, von ihren Landsleuten ge-
schätzter deutscher Meister seinen Einfluß als Lehrer geltend macht8.

Die Beziehungen zu Troyes scheinen mir aber in umgekehrter Richtung
auch wirksam gewesen zu sein, in späterer Zeit unter Heinrichs Sohne,
dem Künstler der Domlettner zu Münster und Hildesheim. Ihre Erforschung
erscheint mir interessant und wichtig genug, zumal mir die Erklärung für
die nicht bodenständige Ornamentik bislang noch nicht erbracht zu sein
scheint. Ich gehe noch viel weiter: Auch zwischen dem Brabender und dem
in den Archiven von Xanten leider nur Meister N genannten Verfertiger
der Stein-Passionsbilder vor dem Dome zu Xanten besteht m. E. ein mehr
als lockerer Zusammenhang9. Über die Brabender, vor allem aber über den
bislang etwas zurückgesetzten, alle anderen überragenden Heinrich Brabender,
wird noch des öfteren zu sprechen sein; sein Bild wird sich klarer heraus-
stellen, und man wird ihn bald auch zu den Großen seiner Zeit rechnen
müssen. Fritz Witte.

7 Koechlin et de Vasselot, a. a. 0„ Abb. 27, Text S. 107 und 152 ff.

8 A.a.O., S. 110.

!) Sammelwerk von Pels, Bd. II, fol. 60. Clemen, Kunstdenkmäler der Rhein-
provinz, Kr. Moers, S. 101, Abb. 30.
 
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