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Zeitschrift für christliche Kunst — 34.1921

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Heft 9
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Rademacher, Franz: Die Kanzel in ihrer archäologischen und künstlerischen Entwicklung in Deutschland bis zum Ende der Gotik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4344#0136

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 9

S. demente und Sta. Maria in Cosmedin in Rom mögen für diese Anlage
ungefähr den alten Zustand wiedergeben. Die praktische Forderung der
leichten Verständlichkeit bedingte dieses Vorschieben des Ambons vor das
Presbytenum sowie den erhöhten Stand des Vortragenden.

Vom späten V. Jahrh. an hat sich eine Reihe von Ambonen erhalten,
die uns über Aufbau und Ausschmückung unterrichten. Der Ambon besteht
aus einer runden, ovalen oder polygonen Plattform, zu der meist zwei
Treppen hinaufführen, die in der Längsachse der Kirche liegen. Plattform
und Treppen sind von Brüstungen umgeben und ruhen entweder auf einem
massiven Unterbau, der zuweilen in Nischen gegliedert ist, oder auf offener
Säulenstellung. Besaß die Kirche zwei Ambonen, so diente der Evangelien-
ambon zur Predigt und wurde größer und prächtiger gestaltet als der Epistel-
ambon.

Wie die gesamte Ausstattung der altchristlichen Kirchen war auch der
Schmuck der Ambonen sehr reich. Reliefs in Nischen kommen nur ver-
einzelt vor, meist zeigen die Brüstungs- und Treppengeländer stilisiertes
Band- und Rankenwerk, Tiergestalten und anderen symbolischen Schmuck.
Außerdem waren sie oft auf das verschwenderischste mit buntem Gestein,
Gold, Silber und Edelsteinen, Kristall und Elfenbein verziert; hinzu kamen
noch prachtvolle Kreuze und Leuchter. Ein Prachtstück von unerhörtem
Reichtum war der Ambon der Sophienkirche in Konstantinoper.

Im Gebiete nördlich der Alpen setzt ein allgemeiner kultureller Auf-
schwung ein in der Zeit der Karolinger. Diese sogenannte karolmgische
Renaissance zieht ihre besten Kräfte aus dem Süden3. Ihre Hauptträger
stammen aus Italien oder haben doch italienische Bildung genossen. Neben
wissenschaftlichen und künstlerischen Bestrebungen wendet man sich jetzt
mit besonderem Eifer der Pflege und Reform der kirchlichen Einrichtungen
zu. Das in Italien bereits klar ausgebildete Gebäude des christlichen Kultus
und der christlichen Liturgie wird jetzt vom Norden übernommen und mit
dem Geiste auch die bereits geprägten zweckentsprechenden Formen. Bei
den kirchlichen Einrichtungsgegenständen war diese Rezeption sicher noch
stärker als in der Architektur; denn hier lag zunächst am wenigsten Grund
vor, an den als praktisch erfundenen Formen etwas zu ändern. Auch beim
Ambon wird man sich, wenigstens für die erste Zeit, mit mehr oder weniger
genauen Kopien begnügt haben.

Ein Bedürfnis nach einer eigenen Predigerstätte - und hierzu diente ja
der Ambon neben der Verlesung des Evangeliums - war durch den jetzt
einsetzenden Aufschwung der Predigt gegeben. Hof und Kirche erkennen
die große Bedeutung der Predigt für die geistige Hebung und tiefere
Christianisierung des Volkes und wenden ihr demgemäß eifrige Fürsorge zu.
Seit dem späteren VIII. Jahrh. finden wir auf fast allen Synoden die Mah-
nung an die Bischöfe und auch an die Priester, häufig und allgemein ver-

2 Vgl. die Beschreibung bei Paulus Silentianus. Richter: Quellen der byzantinischen
Kunstgeschichte. Wien 1897. S. 84 ff.

3 Vgl. hierzu P. Clernen: Die romanische Monumentalmalerei in den Rheinlanden.
Düsseldorf 1916. S. 676 ff.; Karolmgisches und Orientalisches.
 
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