Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 34.1921

DOI Heft:
Heft 10-11
DOI Artikel:
Beitz, Egid: Allegorien der Reformationszeit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4344#0178

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
166

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 10/11

fortschrittliche Leistung, die aber eine immerhin noch recht gute Qualität
besitzt. Das Blatt ist von lutherischer Seite ausgegangen und seine Allegorie
bis in Einzelheiten hinein klar durchgeführt, so daß ihre Auflösung auch
heute nur geringe Mühe verursacht. Um sie zu verstehen, muß man wissen,
daß Luther 1519 auf der Leipziger Disputation den Primat des Papstes
zuerst öffentlich bestritten hatte. Er stellte damals auch die Sätze auf:
Alle Christen haben dieselbe Gewalt am Worte und am Sakramente. - Die
Schlüssel der Kirche sind allen gemeinsam. - Alle Christen sind Priester.
Seit dieser Zeit bildete sich bei ihm die Idee vom Antichristen und dessen
Herrschaft im Papsttum immer schärfer heraus. 1 520 verfaßte er die drei
sogenannten großen Reformationsschriften. Dort wandte er sich in der Arbeit
„De captivitate babylonica" besonders heftig gegen die Hierarchie der katho-
lischen Kirche, verwarf ein besonderes äußeres Pnestertum und betonte ein
allgemeines inneres Priestertum aller Gläubigen. 1521 brachte der Wormser
Reichstag keine Lösung der religiösen Schwierigkeiten, im Gegenteil, die
Gegensätze verschärften sich, und die Stimmung gegen Rom wuchs immer
mehr. Es kam so weit, daß sich schon auf dem Reichstag zu Nürnberg
1522/23 „bei den meisten Reichsständen teils Lauheit, teils Schwäche, teils
offene Mißachtung des Papstes zeigte"1. Die Stellung des Papstes, die
Schlüsselgewalt und das allgemeine Priestertum kamen auf dem Nürnberger
Reichstage als besonders wichtige Punkte zur Erörterung. Man wird darum
nicht fehlgehen, wenn man den Holzschnitt mit den damaligen Ereignissen
in Verbindung bringt, da er gerade diese Gegensätze in lutherischem Sinne
allegorisch verwertet.

In der weit offenen Türe eines bescheidenen Kirchengebäudes (Schaf-
stall) steht Christus. Er hat einem Nichtkleriker die Schlüssel über-
geben und spricht zu ihm vom Gleichnis des guten Hirten. Dieses Gleichnis
ist dargestellt in der Landschaft: rechts der gute Hirt am Kreuz, der sein
Leben hingibt für seine Schafe, dahinter der ungetreue Hirt, der seine
Schafe verläßt und in dessen Herde die Wölfe bereits einbrechen. Im linken
Teil der Landschaft sieht man wieder den guten Hirten, der seine zu
Christus aufblickenden Lämmer weidet. Mehr im Vordergrunde links am
Rande weisen zwei Jünger Jesu (Petrus und Paulus) einen Vornehmen (Kur-
fürst Friedrich der Weise von Sachsen ?) auf den rechten Weg. Er ist im
Begriff, gute Werke zu tun („Almosen geben"). Ganz im Vordergrunde
bittet ein kniender Mann neben dem Wege nach den Aposteln hin-
gewendet um rechte Führung. Das blökende Lamm ihm zur Seite deutet
wohl seine Sehnsucht nach Christus und den Lämmern in seinem Stalle
an. Vom Wege abgeirrt klopft weiter rechts ein einzelner Pilgersmann an
die falsche Türe eines kümmerlichen Anbaues zum Schafstalle Christi. Im
Vordergrunde der andern Bildhälfte kommen allerlei Leute des Weges. Zwei
von ihnen, ein einfacher und ein vornehmer Mann, wenden sich mit der
Frage nach dem rechten Wege an einen Kardinal und einen Bischof, die
ihnen entgegenkommen. Diese weisen ihnen nicht den nahen Weg zu
Christus, sondern zeigen, von einem Mönch unterstützt, zum Papst empor,

1 Hergenröther, Handbuch d. allgem. Kirchengeschichte, Freiburg 1915, Bd. III, S. 410.
 
Annotationen