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Zeitschrift für christliche Kunst — 34.1921

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Heft 12
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Rademacher, Franz: Die Kanzel in ihrer archäologischen und künstlerischen Entwicklung in Deutschland bis zum Ende der Gotik, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4344#0193

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Nr. 12

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

181

Kirchenväter oder Evangelisten (vgl. Urach, Abb. 14). Am reichsten an Kanzeln
dieses Typs ist Württemberg. Die Stiftskirche zu Herrenberg besitzt ein hervor-
ragendes Beispiel127. Ein hoher, reich gegliederter Sockel trägt den gekehlten
Schaft, der in den mit krabbenbesetzten Kielbogen und Fialen bedeckten Kelch
übergeht. Auf einer stark profilierten Fußplatte setzt die Brüstung auf, deren
Felder durch Stabsäulen getrennt werden, die reiche Baldachine tragen. Die fünf
Nischen zeigen in der Mitte die Madonna mit Kind, auf der Mondsichel stehend,
gekrönt und von einer Strahlenglone umgeben, links und rechts im Profil, der
Madonna zugewandt, ]e zwei Kirchenväter. Ein Prachtstück ist der von zwei
freistehenden, schlanken Stützen getragene
Treppenaufgang. Das von Maßwerk durch-
brochene Geländer zeigt unten einen Streifen
mit reliefierten Ranken und klingt in einen
Spitzbogenfries aus. 1503 entstand dieses
Werk von äußerst subtiler Arbeit und schlan-
ken, eleganten Formen.

Verwandt ist die dem Ende des XV. Jahrh.
angehönge Kanzel in der Stiftskirche zu
Tübingen. Der gekehlte Schaft und der reich
verzierte Würfel entsprechen sich ziemlich
genau. Strenger dagegen ist die Gliederung
der Brüstung, deren Übergang zum Würfel
infolge der schmaleren Fußplatte härter wirkt,
als in Herrenberg. Die Brüstungsfelder zeigen
den gleichen plastischen Schmuck, nur sind
an Stelle der Kirchenväter die Evangelisten
getreten, auch sind die krönenden Bal-
dachine durch einfache Rundbogen ersetzt.
Die prachtvoll geschwungene Treppe ruht in
der Mitte auf einem schlanken Pfeilerchen,
das von der Figur des Steinmetzen gestützt
wird.

Stärkere Abweichungen weist die Kan-
zel in der Stiftskirche zu Stuttgart auf128.
Die Brüstungsfelder mit en Evange-
listenreliefs sind von reichem, sich über-
schneidendem Stabwerk eingerahmt. Der breite mit drei Reihen sternförmig
gekreuzter Stäbe belegte Sockel trägt den gewundenen Schaft, der in einem Blatt-
kapital endet. Der Übergang zum Korpus wird von einem durchbrochenen
Kranzgesims verdeckt, das aus verschlungenen Kielbogen mit Maßwerkfüllung
gebildet ist. Die Nischengliederung mit den Reliefs der Kirchenväter kehrt auch
an den Kanzeln in der Pfarrkirche zu Weilheim und in der Alexanderkirche zu
Marbach wieder. Der kelchförmige Träger der Brüstung ist in Weilheim mit Maß-
werk, in Marbach mit verschlungenem Astwerk bedeckt, das hier durchbrochen

Abb. 16.

Kanzel in Nördlingen.

12' Abb.: Die Kunst- und Altertumsdenkmale in Württemberg: Schwarzwaldkreis, S. 112.
128 Abb.: H e i d e 1 o f f: Die Kunst des Mittelalters in Schwaben, Stuttgart 1855, S. 21.
 
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