Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 34.1921

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Rademacher, Franz: Die Kanzel in ihrer archäologischen und künstlerischen Entwicklung in Deutschland bis zum Ende der Gotik, [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4344#0198

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
186

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 12

zu Merseburg sind vor allem an dem prächtigen Fuß und an der am Aufgang der
Treppe gelegenen Tür die neuen Formen aufgenommen, während der Korpus,
geschmückt mit den Reliefs der Madonna, der vier Evangelisten und des Lau-
rentius, ganz den gotischen Typ beibehält139. Ein sehr gutes Beispiel für die har-
monische Durchdringung der verschiedenen Stilelemente bildet die Kanzel in der
Marienkirche zu Halle vom Jahre 1541"". An dem hohen Sockel des Fußes häuft
sich in etwas kleinlicher Weise eine Fülle von Renaissanceornamenten. Elegant
und fließend dagegen ist der Übergang zu dem einfach, aber wirkungsvoll deko-
rierten Korpus. Am prächtigsten kommt das lange Nachleben der Gotik zum Aus-
druck an der 1626 errichteten Kanzel des Michael Kern in Dettelbach bei Würz-
burg11'. Sie ist in ihrem ganzen Geiste barock empfunden, übernimmt aber die
einzelnen Motive, das Astwerk, die Laubkonsolen und die Form des Brüstungs-
gesimses von der späten Gotik.

Die Renaissancekanzeln halten sich im allgemeinen an die von der Gotik
geprägte Norm. Maßgebend bleibt die Gliederung in Fuß und Korpus, wenn auch
die einzelnen Formen stilistisch ganz umgebildet werden. An Stelle des Fußes
tritt vielfach als Träger eine Figur nach Art der Karyatiden, der Korpus aber wird
vor allem breiter und massiger, vielfach zugleich auch praktischer. Die meisten
Renaissancekanzeln finden sich, entsprechend der Verbreitung der gotischen Kan-
zeln, in den nördlichen Provinzen, während der Süden bereits ziemlich versorgt
war. Ein mächtiger Aufschwung, der zugleich neue Formen prägt, setzt hier erst
mit dem Barock ein.

Krefeld. Franz Rademacher.

I:1" Vgl. Zeitschrift für christl. Archäologie und Kunst, Leipzig 1856, Band I, S. 78 ff.,
Taf. 5 u. 6.

140 Vgl. Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen. Neue Folge I, Halle und der
Saalkreis, S. 39 ff., mit Detailabb. des Fußes.

111 Abb.: Kunstdenkmäler von Bayern: Unterfranken, Bezirksamt Kitzingen, S. 100 u.
Taf. 10.
 
Annotationen