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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0053

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Antike Bauten für Musik. 39

hat; daß es auf diese Weise wie ein Wahrzeichen, ein Determinativ für «Musik» schlecht-
weg steht und dann noch allgemeiner ein Synonym für «Spielplatz», «Feststätte», «Fest-
lichkeit» im weitesten Sinn geworden ist. In diesem Sinne ist die spätere Über-
tragung des Wortes auf Orchestra und Bühne auch wohl verständlich. In alledem
hat Reisch zweifellos recht, nur im Ausgangspunkt nicht, den er als «Altar» annimmt.1
Statt dieses ist das hölzerne Podium einzusetzen, wie es für alle musikalischen Fest-
aufführungen unentbehrlich war, und wie es in der hellenischen Urzeit und davon ab-
hängig länger noch in Kleinasien als richtige Schlachtbank tatsächlich nachweisbar ist.
Die Existenz der altkretisch-mykenischen Thymele als Opferbank ist allerdings bisher
nicht genügend beachtet worden, in diesem Zusammenhang überhaupt nicht. Aber so
deutliche Darstellungen wie auf den Gemmen bei Furtwängler, Ant. Gemmen, Taf. II,
18 (Abb. 7) und 22, oder dem buntbemalten Sarkophag von Agia Triada (Skizzen bei La-
grange, Grete ancienne, p.62, fig. 31) können keinen Zweifel mehr darüber lassen. Auf den
Gemmen liegt das Opferrind gefesselt auf einem niedrigen Holzgerüst, das wie die An-
zahl der breiten, nach unten sich verjüngenden Füße anzeigt,
ziemlich groß und kräftig gewesen sein muß. Auf dem kretischen
Sarkophag hat das Gerüst sogar richtige Tischform mit Füßen
von einer regelmäßigen Gestalt, die schon ganz an die profilierten
Möbelfüße späterer Zeit erinnert. Dahinter steht (erhöht!) ein
Flötenbläser, von links nahen drei Paare tanzender Frauen. Das
Blut des mit roten Stricken gefesselten Opferrindes fließt rechts
in einen Kübel ab. Die antike Erinnerung, daß das Gerät mit

dostv zusammenhänge, war also vollständig richtig, falsch nur die ~ ^tT"" _

' . i-i.i Abbildung 7.

später, als es solche Gerüste anscheinend nicht mehr gab, auf- Töten deg Opfertieres
gestellte Vermutung, daß dies öösiv auf einem Altar stattgefun- auf der Schlachtbank,
den habe, Thymele also = Altar sei. So nur, nach dieser (Mykenische Gemme.)
Richtigstellung ist auch die ganze weitere Entwicklung des Be-
griffes verständlich, die gerade niemals den Beigeschmack von festlichem Gerüste und
außerordentlicher Zurichtung verloren hat.

Wenn dies die Wortgeschichte der Thymele und ihre eigene Entwicklung selbst
ist, dann müssen auch alle Stellen, in denen ^ujaeXy] vorkommt, in diesem Sinne
sich erklären lassen. Nämlich als: hölzernes Podium, — ßvjjjia für Instrumentalmusik, —
Gebäude, worin dies Podium steht, und in welchem die Musik aufgeführt wird, — der
ganze Bezirk, in dem ein solches Gebäude steht, — der Platz ringsum, — Festplatz,
Spielplatz. Die Stellen, welche deutlich von dem hölzernen Gerüste dieses Musikpodiums
sprechen, sind zwar die bekanntesten, aber nicht die frühesten.2

1 Auch seine diese Deutung noch mehr spezialisierende Gleichsetzung topita] = lay&pa. = Hochteil
des Altars (bei Pauly-Wissowa I, 1661) ist nicht zu halten. Es sprechen z. B. dagegen die auch bei Schreiber,
Studien über das Bildnis Alex. d. Gr., S. 422 zu hayäpa. zitierten Stellen.

2 Isidor. Origg. XVIII, 47: ... thymelici . . . crai in organis et lyris et citharis praecinebant . . . olim
in orchestra stantes supra pulpitum, quod thymele vocabatur. Timäus sub ixpißaj: Tzr^^a. to iv zip (kcapu)
ti8-s[».svov . . . 8-ofjiXv] fäp obUxm vjv. Pollux IV, 123: fto(j.eXv], sixe ß^a ouoa Eixe ßw^ö?. Gloss. Philox.
ed. Vulcan, p. 176, 18: pulpitum, *u(j.eXv) aavtSiujxa IrclitsSov. Charisios I, p. 552, 18 (Keil): pulpitus fto|jiXv).
— Besonders wichtig als frühes Zeugnis: Pratinas Frgmt. 1. 2 Bergk3: . . . «ohiQ&wf* 8-ujj.sXyjv; vielleicht
auch schon im Sinne des Resonanzbodens? Doch wohl eher im Sinne von Abb. 11 (Stampfen).

Dazu die etwas verdorbene Stelle bei Suidas und im Etym. Magn. unter Ex^vfy . . . TETpotfwvov
olxo86(i.y)(j.a xevöv ItcI toü jxeaou, 8 xaXswat frupiXf] . . . (das Podium für die Instrumentalisten in der Orchestra).
 
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